P.T. MAGAZIN 04/2012
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Temporärer Anlagenotstand<br />
Wie naiver Keynesianismus akademischer Zirkel Unheil anrichtet<br />
(Foto: Wikimedia/GNU/San Jose)<br />
Gesellschaft<br />
Eurokrise=Regierungskrise: In neun EU-Ländern hat es während der Krise politische Richtungswechsel gegeben. Links und rechts lösen<br />
sich gegenseitig ab.<br />
Am 9. September 2011 trat Jürgen Stark<br />
als Chefsvolkswirt der Europäischen<br />
Zentralbank zurück, weil der EZB-Rat<br />
sein Mandat ins Extreme gedehnt habe<br />
und die EZB sich nunmehr in einem Teufelskreis<br />
befände. Stark warnte vor dem<br />
Risiko, dass die Notenbank wegen ihrer<br />
Aufkäufe am Anleihemarkt zunehmend<br />
unter fiskalische Dominanz gerät. Er kritisiert<br />
die Illusion zu glauben, dass die<br />
Geldpolitik große strukturelle und fiskalische<br />
Probleme in der Euro-Zone lösen<br />
könnte. P.T. steht er Rede und Antwort.<br />
P.T.: Mit der Griechenlandkrise wurde<br />
offenbar, dass sogar Staatsanleihen<br />
entwickelter Volkswirtschaften ausfallen<br />
können. Welche Konsequenzen hat<br />
das für die Anlagemärkte?<br />
J. Stark: Eine Erfahrung aus der Krise<br />
ist tatsächlich: Es gibt keine sicheren<br />
Anlagen mehr. Man konnte sehen, wie<br />
rasch Staatsanleihen zu hochriskanten<br />
Papieren werden können. Auch bei<br />
einem Schuldenstands-Niveau, das bisher<br />
als „sicher“ galt, können Staaten<br />
den Zugang zum Kapitalmarkt verlieren.<br />
Dies ist u.a. auf den Umfang der<br />
Eventualverbindlichkeiten der öffentlichen<br />
Hand zurückzuführen. Die Krise<br />
hat gezeigt, dass die Schulden des Privatsektors<br />
eine Eventualverbindlichkeit<br />
des öffentlichen Sektors werden können.<br />
Das erhöht die Unsicherheit an den<br />
„Ich glaube man kann angesichts<br />
der allgemeinen Lage durchaus von<br />
einem temporären ‚Anlagenotstand‘<br />
sprechen“<br />
Finanzmärkten. Und deshalb schauen<br />
die Investoren heute stärker als zuvor<br />
auf die ökonomischen Fundamentaldaten.<br />
Ich glaube man kann angesichts<br />
der allgemeinen Lage durchaus von<br />
einem temporären „Anlagenotstand“<br />
sprechen.<br />
P.T.: Ursprünglich konnten Bundesbank<br />
und EZB erfolgreich inflationäre<br />
und deflationäre Fehlentwicklungen<br />
dadurch vermeiden, dass die Währungsstabilität<br />
Kern des Auftrags war.<br />
Beide Gefahren stehen aber jetzt vor<br />
der Tür. Was ist schief gelaufen?<br />
J. Stark: Was die Preisstabilität über die<br />
letzten zwölf Jahre angeht, hat der Euro<br />
das gehalten, was versprochen wurde,<br />
nämlich Preisstabilität. Seit 1999 lag die<br />
Inflationsrate im Eurogebiet bei etwas<br />
über zwei Prozent. Preisstabilität muss<br />
der Kern des Mandats der EZB bleiben.<br />
Das Primat der Preisstabilität in der<br />
Wirtschaftspolitik, wie es Walter Eucken<br />
für die deutsche Ordnungspolitik formulierte,<br />
darf nicht zur Disposition stehen.<br />
Im Zuge des Krisenmanagements<br />
haben die großen Zentralbanken rund<br />
um den Globus die Finanzmärkte mit<br />
Liquidität geflutet. Das hilft kurzfristig<br />
und es hilft insbesondere, Zeit zu kaufen.<br />
Aber mit mehr Liquidität sind die<br />
Probleme der westlichen Welt in der<br />
Sache nicht zu lösen. Zusammen mit<br />
den ausufernden Staatsfinanzen ergibt<br />
dies eher ein explosives Gemisch, indem<br />
sich mittelfristig ein erhebliches Inflationspotenzial<br />
aufbaut.<br />
P.T.: Rein schuldenfinanziertes Wachstum<br />
endet immer in Blasen und<br />
Katastrophen. Das war die Lehre der<br />
US-Subprimekrise. Wer heute Wachs-<br />
10 P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 4/<strong>2012</strong>