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P.T. MAGAZIN 04/2012

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

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Gesellschaft<br />

Merkeln<br />

Planen und gewinnen.<br />

Egal wie das Schicksal würfelt.<br />

(Montage: DAVIN TAYLOT/OPS Netzwerk GmbH)<br />

Beim Start als „Kohls Mädchen“ Anfang<br />

der 90er Jahre war „ein Merkel“ die<br />

kleinste Maßeinheit, mit der man messen<br />

konnte, was nicht wirklich wichtig<br />

war. Das ist Geschichte. Wie kein Zweiter<br />

beherrscht(e) Angela Merkel seit Jahren<br />

die Kunst des perfekten Surfens auf<br />

den Wellen der politischen und medialen<br />

Tsunamis und Banalitäten. Die Kunst zu<br />

„Merkeln“. Unabhängig von den gerade<br />

debattierten Problemen der Welt, der<br />

Partei oder „der Menschen“ hatte sie<br />

über Jahre höchste Beliebtheitswerte.<br />

Das Wirtschaftsmagazin Forbes<br />

setzte sie in den Jahren 2006, 2007, 2008,<br />

2009 und 2011 auf Platz 1 in der Liste der<br />

100 mächtigsten Frauen der Welt. Für<br />

BILD war sie Miss World. Neun verschiedene<br />

Ehrendoktorwürden erhielt sie.<br />

Sogar eine Orchideen-Züchtung wurde<br />

in Singapur auf den Namen „Dendrobium<br />

Angela Merkel“ getauft. Chin Meyer,<br />

Deutschlands bekanntester Finanzkabarettist,<br />

karikierte das politische Erfolgswunder<br />

Merkel so: „Das ist das Beste, was<br />

der CDU passieren konnte. Die perfekte<br />

Kombination der unbeachteten Minderheiten:<br />

Kinderlose – Frau – aus dem Osten<br />

– mit Promotion. Das ist genial. Unschlagbar.<br />

Da kann die SPD nichts dagegen setzen.“<br />

Das Phänomen Merkel beschäftigt<br />

nicht nur Kabarettisten. Hunderte Artikel,<br />

Dutzende Veranstaltungen und mehrere<br />

Bücher versuchten das Phänomen zu<br />

ergründen, wie Angela von „Kohls Mädchen“<br />

über die eher bemitleidete graue<br />

Maus zur mächtigsten Frau der Welt<br />

wurde.<br />

Hidden Champion der CDU<br />

Noch bis zum Jahr 2000 war aber keineswegs<br />

vorhersehbar, welche Rolle Angela<br />

Merkel später einmal spielen würde.<br />

Auf ihrem Gebiet, in ihrem Umfeld stets<br />

geachtet, aber außerhalb nahezu unbekannt<br />

und unterschätzt. Im Verhältnis<br />

zu Helmut Kohl oder Roland Koch, zu<br />

Helmut Schmidt oder Joschka Fischer, zu<br />

Heiner Geißler oder Oskar Lafontaine<br />

war Angela Merkel bis zum Jahr 2000<br />

eher ein Hidden Champion. Auch als<br />

FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher<br />

2003 die „Männerdämmerung“ ausrief,<br />

glaubte niemand, dass die Merkel dereinst<br />

Kanzlerin würde. Allein sie wusste,<br />

was sie wollte. Sie wusste auch, dass die<br />

meisten anderen das nicht wollten. Und<br />

sie wusste, dass sie die Power und das<br />

Netzwerk hat, die entscheidenden Titelkämpfe<br />

zu gewinnen.<br />

Lauter Aschenputtels<br />

Vor dieser Kanzlerschaft wurden Frauen<br />

oft systematisch unterschätzt. Das hatte<br />

durchaus Vorteile. Aus solcher Deckung<br />

heraus haben die Kindermädchen und<br />

Telefonfräuleins Ursula Piëch, Liz Mohn<br />

und Friede Springer die mächtigen Konzerne<br />

ihrer Männer übernommen. Weil<br />

sie die Einzigen waren, denen ihre Männer<br />

tatsächlich rückhaltlos vertrauten,<br />

stiegen sie als Aschenputtel von der<br />

Geliebten zur Unternehmenslenkerin<br />

auf.<br />

Angela Merkels Weg war ungleich<br />

schwerer: Als sie im Dezember 1999 in<br />

der FAZ schrieb: „Die Partei muss also<br />

laufen lernen, muss sich zutrauen, in<br />

Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtross,<br />

wie Helmut Kohl sich oft selbst gerne<br />

genannt hat, den Kampf mit dem politischen<br />

Gegner aufzunehmen. Sie muss<br />

sich wie jemand in der Pubertät von zu<br />

Hause lösen, eigene Wege gehen.“ hatte<br />

sie die eigene Abnabelung vom Ziehvater<br />

schon lange bewältigt.<br />

Vom Glück des Zufalls<br />

Es gibt keinen Erfolg ohne Glück. Auf<br />

zufällige Chancen muss man vorbereitet<br />

sein. Max Frisch sagte „Es ist das Fällige,<br />

was uns zufällt.“ Angela Merkel hatte<br />

viel Glück. Und sie war immer vorbereitet.<br />

Damals. Im Jahr 2000 war sie Generalsekretärin<br />

der CDU. Wolfgang Schäuble als<br />

CDU-Vorsitzender musste wegen Verwicklung<br />

in die Spendenaffäre zurücktreten.<br />

Im entstandenen Vakuum war<br />

Merkel plötzlich die politisch unbelastete<br />

Macherin. Sie nutzte diese Chance<br />

hundertprozentig aus. Merkel, die Naturwissenschaftlerin,<br />

analysierte „die Männer“<br />

in aller Ruhe wie experimentelle<br />

Anordnungen im Labor. Unkontrollierte<br />

Gefühlsausbrüche sind ihr fremd. Umso<br />

systematischer sind ihre Schlussfolgerungen.<br />

Gnadenlos konsequent setzt sie<br />

ihre Entscheidungen um.<br />

„Meschuggener Weltgeist“<br />

Als Angela Merkel im Jahr 2007 den Leo-<br />

Baeck-Preis vom Zentralrat der Juden<br />

verliehen bekam, hielt der 1976 aus der<br />

DDR ausgewiesene Liedermacher Wolf<br />

6 P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 4/<strong>2012</strong>

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