DER NEUE MENSCH - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...
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WIE BEWERTET <strong>DER</strong> <strong>NEUE</strong> <strong>MENSCH</strong>? | Zwischen Kontrollwahn und Laisser-faire<br />
Darf man, soll man, will man den<br />
Staat betrügen? In der Emerging-<br />
Fields-Initiative der FAU nimmt ein<br />
Projekt genau unter die Lupe,<br />
unter welchen Voraussetzungen<br />
Menschen bereitwillig ehrlich sind.<br />
tensität tendenziell mit schwacher Regelbefolgung einhergeht,<br />
<br />
von Kontrollen stark unterschätzen. Die Idee zur Lösung dieses<br />
Problems ist so einfach wie genial: Da die Gebühren-Kontrolleure<br />
auf Provisionsbasis bezahlt und für Reiseaufwendungen nicht<br />
entschädigt werden, vermeiden sie während der Wintermonate<br />
Gegenden mit starkem Schneefall. Das gilt besonders für viele<br />
chen<br />
sind. Die Forscher verknüpften daher die Daten zu den<br />
gemeldeten Rundfunkgeräten mit meteorologischen Daten über<br />
Neuschneemengen und benutzen dann für ihre Analyse nur die<br />
Teile der Daten, in denen die Witterungsbedingungen und die<br />
Lage von Ortschaften in Gebirgsregionen die Aktivität der Kontrolleure<br />
erklären konnten.<br />
Das Ergebnis der Untersuchung: Anders als im Falle des israelischen<br />
Kindergartens hatte die glaubhafte Androhung von Sanktionen<br />
in Form von Mundpropaganda über die Aktivität von<br />
Kontrolleuren Erfolg. Stärkere Kontrollen führten dazu, dass die<br />
Anzahl von neu abgeschlossenen Rundfunkverträgen deutlich<br />
zunahm – und zwar unter Haushalten, die selbst überhaupt<br />
nicht kontrolliert worden waren. Auf drei neu abgeschlossene<br />
Verträge, die infolge eines Hausbesuches zustande kamen, verzeichneten<br />
die Forscher durchschnittlich einen zusätzlichen<br />
Vertrag, der freiwillig abgeschlossen wurde. Freiwillig, das heißt<br />
hier: Von Haushalten, die offenbar von Kontrollen gehört hatten<br />
und nicht das Risiko eingehen wollten, als Schwarzseher entdeckt<br />
zu werden. Die indirekte Drohung mit Sanktionen hatte in<br />
diesem Fall also den gewünschten Erfolg. Zudem machten die<br />
Forscher durch ihre Studie erstmals den Effekt eines sozialen<br />
Multiplikators sichtbar, der die Wirksamkeit von Sanktionen<br />
auch in vielen anderen Fällen spürbar erhöhen dürfte.<br />
Wirksamkeit von Kontrollen im Labor-Test<br />
<br />
<br />
<br />
zahlern<br />
zwar – wie im Falle des israelischen Kindergartens – tat-<br />
<br />
macht, dass Steuerhinterziehung eine gesellschaftlich akzeptierte<br />
Praxis ist. Entscheidend erwies sich dabei jedoch, wie das<br />
<br />
Frey fand heraus: Lediglich in jenen Schweizer Kantonen, wo<br />
die Mitbestimmung via direkter Demokratie besonders stark<br />
ausgeprägt ist, hatte eine schärfere Kontrolle der Steuerzahler<br />
gengebrauchte<br />
Misstrauen damit, dass sie sich tatsächlich so<br />
verhielten, wie man ihnen unterstellte. In den anderen Kantonen<br />
hingegen, die mehr auf eine repräsentative als auf eine direkte<br />
Demokratie ausgerichtet sind, konnte Steuerhinterziehung<br />
durch vermehrte Kontrollen erfolgreich gemindert werden.<br />
Empirische Fallstudien und Anekdoten werfen ein Schlaglicht<br />
auf einzelne Aspekte, die eine Rolle spielen, wenn es um die<br />
Wirkmacht von Sanktionen geht. Veronika Grimm, Professorin<br />
für Wirtschaftstheorie an der FAU und Leiterin der Emerging-Fields-Forschungsinitiative<br />
„Taxation, Social Norms, and<br />
Compliance“ hat sich ein Experiment ausgedacht, mit dessen<br />
Hilfe sich im Labor auf etwas systematischere Weise überprüfen<br />
lässt, unter welchen Umständen Kontrollen funktionieren.<br />
Die Ausgangssituation ist diese: Es gibt das Angebot, sich einem<br />
Club anzuschließen, der für seine Mitglieder besondere<br />
spielsweise<br />
eine enge Religionsgemeinschaft sein, ein Verein<br />
oder auch Initiative von Unternehmen, die mittels freiwilliger<br />
<br />
Produktionsstätten bestimmte Umwelt- oder Sozialstandards<br />
eingehalten werden. Mit anderen Worten: eine Art von von Gemeinschaft,<br />
bei der scharf sanktioniert werden kann, wenn ein<br />
Gruppenmitglied ein anderes ausnutzt, Nichtmitglieder jedoch<br />
von den Sanktionen unberührt sind.<br />
In gewisser Hinsicht ist die Zugehörigkeit zum „Club“ für die<br />
Mitglieder ein klarer Vorteil: Immer dann, wenn sie es mit ande-<br />
Foto: www.shutterstock.de<br />
100 friedrich – forschungsmagazin der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong>