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DER NEUE MENSCH - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...

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Burn-out:<br />

Den Bogen überspannt<br />

Die Zahlen geben zu denken: Während sich in den vergangenen<br />

100 Jahren unsere Arbeitszeit halbiert hat, reduzierte<br />

sich im gleichen Zeitraum die Schlafdauer des Menschen<br />

von durchschnittlich rund acht bis neun auf nur noch sieben<br />

bis acht Stunden. Wir arbeiten weniger und schlafen kürzer<br />

– und haben damit ein Mehr an Freizeit. Was sich gut anhört,<br />

ist es aber nicht. Denn für Prof. Johannes Kornhuber steht<br />

fest: „Es ist nicht nur die Arbeitswelt selbst, die uns belastet.<br />

<br />

Damit räumt der Direktor der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen<br />

Klinik mit einem weit verbreiteten Vorurteil<br />

<br />

verursacht werde. „Die Verdichtung der Arbeitswelt und<br />

auch des Privatlebens sowie die Komplexität der Welt machen<br />

es für viele notwendig, therapeutische Hilfe in Anspruch<br />

zu nehmen“, erläutert Kornhuber und weist auf ein<br />

spezielles Phänomen hin: „Obwohl die Anzahl der Thera-<br />

handlungstermin<br />

unvermindert lang.“<br />

<br />

leidenschaftlich dem „immer höher, schneller, weiter“ verschrieben<br />

hat. Was jedoch einst als olympisches Motto<br />

Sportler anspornte und sie zum Erfolg motivierten sollte,<br />

scheint sich in der Gesellschaft des 21. Jahrhundert in de-<br />

schaft<br />

immer präsenter werden, weil die Vielschichtigkeit<br />

unseres Lebens weiter zunimmt und unaufhaltsam zunehmen<br />

wird.“<br />

Die Gründe dafür sind vielfältig. Menschen verspüren am<br />

Arbeitsplatz etwa Konkurrenzdruck, der der Globalisierung<br />

geschuldet ist. Sie fühlen sich überfordert, oder sie werden<br />

gemobbt. Sie plagen ernst zu nehmende Ängste, ihren Arbeitsplatz<br />

zu verlieren. „Es ist wichtig, dass Vorgesetzte die<br />

Probleme erkennen und Voraussetzungen schaffen, mit de-<br />

<br />

Prof. Johannes Kornhuber.<br />

Geschieht dies nicht, können die „drei Dimensionen der<br />

<br />

heit<br />

und Müdigkeit, aber auch durch das Gefühl der Überforderung<br />

und der Unfähigkeit, sich zu entspannen bemerkbar<br />

macht, gesellen sich „Zynismus und Distanzierung“.<br />

„Aus dem idealisierten Verhältnis zur Arbeit entwickelt sich<br />

zunehmend Frustration mit anschließender Distanzierung<br />

von der Arbeit“, erläutert der Mediziner. Nicht zuletzt ent-<br />

gerte<br />

Arbeitsleistung zu erbringen.<br />

-<br />

<br />

-<br />

drom.“<br />

Dass auch alleinerziehende Mütter betroffen sind,<br />

<br />

Prof. Johannes<br />

Kornhuber<br />

plädiert für eine<br />

erholsame und<br />

nicht zu voll<br />

gepackte Freizeit.<br />

<br />

denn je gefordert. Der Stress geht auch zu Hause weiter.<br />

Unzählige Aktivitäten erfordern die permanente Aufmerksamkeit<br />

und Konzentration des Menschen: Die Kinder müs-<br />

rer<br />

gefahren und Wege durch den Dschungel von<br />

Telefontarifsystemen oder Versicherungsangelegenheiten<br />

geschlagen werden. Die eigene Facebook-Seite braucht ein<br />

Update, und wer räumt eigentlich die Spülmaschine aus?<br />

Der private Terminkalender platzt aus allen Nähten, echte<br />

Erholungsphasen werden selten. „All dies trägt dazu bei, ein<br />

<br />

Wenn Stress nicht abgebaut werden könne, führe dies zu<br />

<br />

zierter<br />

Stresszustand, der für die Entwicklung von Krankhei-<br />

nen<br />

Risikofaktor darstellt.“ Kornhuber, der an der<br />

Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik der FAU<br />

<br />

-<br />

<br />

Als Pessimist versteht sich Kornhuber aber nicht. „Man sollte<br />

die Gesellschaft nicht psychologisieren und nicht jeden<br />

gleich zum Therapeuten schicken. Ein gewisses Level an<br />

Anforderungen ist auch gesund.“ Doch ist dies nicht leichter<br />

gesagt als getan? Kornhuber ist sich sicher: „Wenn die Ur-<br />

same<br />

Strategien entwickeln und individuelle Therapien anwenden.“<br />

Außerdem dürfe man die Freizeit nicht<br />

überfrachten und sie „dicht bepacken“. Dieser Gedanke<br />

müsse in der Gesellschaft heranreifen. „Es gilt, Freizeit und<br />

Erholung als Wert zu erkennen.“ <br />

Nr. 113 | Oktober 2013 | 38. Jahrgang 55

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