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DER NEUE MENSCH - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...

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WORAN LEIDET <strong>DER</strong> <strong>NEUE</strong> <strong>MENSCH</strong>? | Die sieben Plagen<br />

Epidemien:<br />

Keine Entwarnung<br />

Kann ein Thriller aus Hollywood nachdenklich stimmen?<br />

„Contagion“, zu deutsch „Ansteckung“, des Regisseurs<br />

Steven Soderbergh tut es. Eindringlich zeigt der Film aus<br />

dem Jahr 2011 den Verlauf der Pandemie eines Virus, schildert<br />

die Mechanismen einer tödlichen Grippe, die sich durch<br />

Tröpfchenansteckung ausbreitet. Doch kann „Hollywood“<br />

realistisch sein? Sicher ist, dass in dem Kinostreifen einige<br />

Parallelen zur – realen – SARS-Pandemie aus den Jahren<br />

2002/2003 hergestellt werden. Innerhalb nur weniger Wochen<br />

breitete sich das Corona-Virus aus, welches das neuartige<br />

„Schwere Akute Atemwegssyndrom“ hervorrief und<br />

weltweit rund 1000 Menschenleben forderte.<br />

SARS, Schweinegrippe, EHEC-Seuche – die Reihe ließe<br />

sich beliebig fortsetzen. Immer neue Schlagzeilen warnen<br />

vor gerade entdeckten Krankheitserregern. „Wir haben zahlreiche<br />

Infektionskrankheiten in den Griff bekommen“, sagt<br />

Prof. Karl-Heinz Leven, der das Institut für Geschichte und<br />

Ethik der Medizin an der FAU leitet. „Aber es kann keine<br />

Rede davon sein, dass Infektionskrankheiten vor dem Aussterben<br />

stehen. Es werden immer wieder neue Krankheiten<br />

auftreten“, sagt Leven. So sei etwa SARS für die Gesellschaft<br />

insofern neu gewesen, als sich die Infektion bevorzugt<br />

über den internationalen Flugverkehr zu verbreiten<br />

schien und sich in den Flughäfen, den Knotenpunkten der<br />

Industriegesellschaft, gleichsam einnistete.<br />

che<br />

Fortschritte erzielte, ist das HIV-Virus noch längst nicht<br />

ausgerottet und auch keine Impfung in Sicht; diese chronische<br />

Krankheit erfordert eine starke Therapie. Dennoch hat<br />

sich die Wahrnehmung der Seuche in der Gesellschaft verändert.<br />

Sie wird mittlerweile sehr sachlich gesehen, die<br />

Menschen sprechen „ganz normal“ darüber. „Das zeigt,<br />

<br />

anpassen.“<br />

<br />

die Pest im Mittelalter wurden oft metaphysisch erklärt.“<br />

Diese Interpretation ist im Laufe der Jahrhunderte in den<br />

Hintergrund getreten. Lediglich in den 1980er-Jahren, als<br />

die erste Aids-Fälle auftraten, habe es in Kirchenkreisen<br />

noch Stimmen gegeben, die Aids als eine „Strafe Gottes“<br />

verstanden wissen wollten.<br />

Doch kann es zu einer Rückkehr alter Krankheiten kommen?<br />

„Eher nicht“, sagt Leven. „Einerseits hat die Medizin große<br />

<br />

andererseits kann sich kein Erreger unbemerkt verbreiten.“<br />

<br />

hohem Tempo, weil sich die Überwachungskapazitäten verbessert<br />

haben. Wird im Regenwald ein Erreger entdeckt, ist<br />

sofort ein Forscherteam zur Stelle. „Unsere Wahrnehmung<br />

ist schärfer.“<br />

<br />

als schicksalhaft geltende Krankheit wie Tbc, die nie ausgestorben<br />

war, beherrschbar, aber in Afrika und Osteuropa tritt<br />

Prof. Karl-Heinz<br />

Leven sieht einen<br />

Vormarsch alter<br />

Seuchen im<br />

Verbund mit<br />

neuen Gefahren.<br />

sie mit zunehmender Tendenz auf.“ Dies führt er auf die<br />

„neue Krankheit“ Aids zurück: Denn in Afrika sterben die<br />

Menschen nicht an dieser Immunschwächekrankheit, sondern<br />

an der alten Krankheit Tbc, die durch Aids zum Ausbruch<br />

kommt.<br />

Der Medizinhistoriker Leven stellt fest: „Der neue Mensch in<br />

unserer technisierten Welt verlässt sich darauf, dass nichts<br />

geschieht, hat zugleich Angst vor Epidemien und erwartet,<br />

dass Medizin, Gesundheitssystem und Staat rechtzeitig reagieren.“<br />

Dabei sind viele neue Krankheiten „hausgemacht“. Der<br />

Grund: „Wir leben in einem Ökosystem, das ein Fließgleich-<br />

<br />

<br />

unser Erdklima ein, kommt es zu Wanderbewegungen der<br />

Erreger“, erläutert Leven. Es komme dann darauf an, bestimmte<br />

Krankheiten prophylaktisch auszuschalten.<br />

Aus medizinhistorischer Sicht sieht Karl-Heinz Leven keinen<br />

Grund, pessimistisch zu sein. Die Infektologie gehöre heute<br />

zu den großen Forschungsgebieten. Außerdem sei ein anderer<br />

Faktor nicht zu unterschätzen: „Wir haben heute ein<br />

hohes Aufklärungsniveau, sodass man einigermaßen beruhigt<br />

sein kann.“ Die Menschen wüssten, dass man Kinder<br />

nicht ohne Tetanus-Impfung auf den Spielplatz schickt. „Sie<br />

haben verstanden, worum es geht.“<br />

56 friedrich – forschungsmagazin der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong>

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