DER NEUE MENSCH - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...
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„Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen.“ Nichts<br />
ist überholter als diese nostalgische Stimme des Volksmunds.<br />
Wenn die Jungen heute zwitschern, dann tun sie es oft in der<br />
englischen Übersetzung dieses Wortes: sie twittern. Und sie<br />
„posten“ und chatten. Sie benutzen auf ihrem Smartphone<br />
WhatsApp – eine „App“, um in Echtzeit Nachrichten auszutauschen<br />
– selbst dann, wenn sie paar- oder gruppenweise durch<br />
die Straßen ziehen, mit ihren Eltern beim Abendessen zusammensitzen<br />
oder sich gerade vom Arzt untersuchen lassen.<br />
„Ist das noch normal?“ fragen sich dann nicht nur verwundert<br />
dreinblickende und meist „ältere“ Passanten, sondern auch El-<br />
gen<br />
schaffen ein Gemeinschaftsgefühl,<br />
Smileys können<br />
sehr witzig sein – aber<br />
niemand sollte darüber<br />
verlernen, laut zu lachen.<br />
plex geworden.“ Ähnliches ließe sich heute beobachten. Durch<br />
SMS und Twitter nehme die „Gelegenheit zur Schriftlichkeit“<br />
zwar zu. Die Wissenschaftlerin beobachtet aber, dass die geschriebenen<br />
Sätze in ihrer Komplexität wegen einer größeren<br />
Nähe zur gesprochenen Sprache abnehmen und eine „Verkürzungssprache“<br />
zutage tritt. Ob dies dadurch bedingt sei, dass<br />
<br />
Zeichen limitieren, müsse erst noch bewiesen werden.<br />
Die „Verkürzungssprache“ zeigt sich etwa in Emoticons bzw.<br />
„Smileys“, die als Icons Sprache ersetzen. Oder in Initialwörtern<br />
<br />
<br />
<br />
und „knuddel“, die den Satz beenden oder – versehen mit zwei<br />
<br />
„Derartige Verkürzungen drücken plakativ Gefühle und Gemütslagen<br />
aus und demonstrieren, wie im Falle von ‚CU‘, Internationalität.“<br />
Insofern werde die Sprache sogar erweitert.<br />
Habermann weist darauf hin, dass „Sprachverkürzung“ Traditi-<br />
<br />
von Handschriften darauf zurückgegriffen. „Abbreviaturen wie<br />
<br />
Silben dienten dazu, zum einen Zeit und zum anderen Platz auf<br />
der beschriebenen Unterlage zu sparen.“<br />
Sprachverknappung und Tempo sind also kein Charakteristikum<br />
allein des 21. Jahrhunderts. „Die Sprache der digitalen<br />
on.“<br />
Als Indiz gilt etwa Kleinschreibung, die in den kurzen Echtzeit-Chats<br />
zum Tragen kommt, wo der Gesprächspartner eine<br />
zügige Antwort erwartet.<br />
„Es entsteht eine neue Schriftlichkeit“, konstatiert Mechthild<br />
-<br />
<br />
User verschafft sich Freiräume, indem er im Netz seine Texte<br />
selbst zusammenstellt. Dies geschieht auf medialer, kognitiver<br />
und partizipatorischer Ebene.“<br />
Wie sich die Sprache der digitalen Medien auf die Schriftlichkeit<br />
der Jugend auswirken wird, müsse die Zukunft zeigen. Aus wissenschaftlicher<br />
Sicht sei es derzeit noch zu früh, endgültige<br />
Schlüsse zu ziehen.<br />
Die Kinderpsychiater<br />
Nr. 113 | Oktober 2013 | 38. Jahrgang 31