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<strong>Fo</strong><br />

T. Flink • Außenwissenschaftspolitik: ein neues Handlungsfeld?<br />

gleich sollen abschließend mögliche Implikationen für die<br />

noch recht junge Agenda der deutschen AWP diskutiert<br />

werden.<br />

Die Außenwissenschaftspolitik im Sechs-Länder-Vergleich<br />

In der AWP spiegelt sich stets eine typische <strong>Fo</strong>rm staatlichen<br />

Handelns und der Organisation von Interessen und<br />

Anliegen wieder. Die daraus resultierenden „patterns of politics“<br />

(Skocpol 1985) unterscheiden sich von Land zu Land,<br />

formen staatliche Aktivitäten in ihren manifesten wie latenten<br />

Handlungsmustern und werden von der jeweiligen politischen<br />

Kultur genauso stark geprägt wie sie diese wiederum<br />

beeinflussen. In diesem Verständnis stelle ich die AWP<br />

der Staaten im Einzelnen vor und betone im Anschluss einige<br />

strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede. 5<br />

Frankreich<br />

Internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit<br />

spielen in der französischen Außenpolitik<br />

seit Längerem eine große Rolle. Frankreichs Wissenschaft<br />

hat sich stark internationalisiert und mehr als 40 Prozent<br />

der Publikationen entstehen in Kooperation mit ausländischen<br />

Partnern, zuvorderst aus den USA. Die Regie für<br />

Frankreichs AWP liegt beim Außenministerium (MAEE).<br />

Das Drehbuch dafür schreibt es allerdings nicht allein. Vielmehr<br />

versteht es sich dabei als Moderator und Makler („federateur<br />

de volontés et créateur de synergies“) zwischen<br />

den Interessen und Anliegen anderer Ministerien wie dem<br />

für <strong>Fo</strong>rschung (MIRES) oder für Entwicklungszusammenarbeit<br />

und einer großen Zahl staatlicher Projektträger oder<br />

<strong>Fo</strong>rschungsorganisationen. Für die programmatische wie<br />

operative Koordination der französischen AWP ist seit<br />

Mitte der 1980er Jahre das Direktorat <strong>Fo</strong>rschung in der Generaldirektion<br />

für internationale Kooperation und Entwicklungszusammenarbeit<br />

des MAEE zuständig; der Conseil<br />

d’Administration (Ministerrat) wird regelmäßig über das<br />

ganze Spektrum der Aktivitäten informiert. MIRES und<br />

MAEE stimmen sich über die Besetzung der F&T-Referate in<br />

den Außenvertretungen ab, doch das Gehalt der Attachés<br />

bezahlt im Regelfall das MAEE allein; selbst dann, wenn<br />

diese im Gastland hauptsächlich für eine <strong>Fo</strong>rschungsorganisation<br />

tätig sind, trägt es einen Teil der Personalkosten.<br />

Für ihre AWP definieren MAEE und <strong>Fo</strong>rschungsministerium<br />

MIRES zwei Ziele: Erstens soll die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der französischen F&T gestärkt werden. Allerdings verspricht<br />

Frankreichs Regierung, F&E auch in Zukunft stärker<br />

für die Entwicklungszusammenarbeit zu nutzen. Konzentrierte<br />

sich Frankreich in seiner WTZ bis vor kurzem stark<br />

auf seine reichen, hoch industrialisierten Konkurrenten wie<br />

die USA und einzelne Länder der EU, sind somit auch<br />

Schwellenländer („pays émergents“) in das Blickfeld<br />

gerückt. Das Wissenschaftsreferentennetzwerk soll auch<br />

vordringlich dort ausgebaut werden.<br />

Frankreichs Außenministerium definiert drei vordringliche<br />

Aufgaben und Handlungsfelder für seine AWP: Erstens hoch<br />

qualifizierte Arbeitskräfte und Nachwuchswissenschaftler zu<br />

gewinnen, die die wissenschaftlichtechnische Kompetenzbasis<br />

Frankreichs bereichern und sichern können, zweitens<br />

die Leistungsfähigkeit der französischen Wissenschaft durch<br />

die Zusammenarbeit mit den weltweit Besten und durch internationale<br />

Netzwerke zu stärken sowie drittens F&T für<br />

eine nachhaltige Strukturförderung in den „pays du Sud“,<br />

den Entwicklungsländern, zu nutzen.<br />

In der französischen AWP wird eine starke Orientierung an<br />

den Interessenlagen der organisierten Wissenschaft und<br />

eine Präferenz für Bottom-Up Prozesse ersichtlich – offenbar<br />

der kleinste gemeinsame Nenner für die diffuse Interessenlage<br />

der verschiedenen Akteure, Förder- und Trägerorganisationen<br />

im französischen Wissenschaftssystem. Neben<br />

thematisch nicht fokussierten „etablissements d’enseignements<br />

supérieur et de recherche“ wie dem Centre National<br />

de la Recherche Scientifique (CNRS), den Hochschulen und<br />

Grandes Ecoles umfasst das System weitere 30 verschiedene<br />

Programmforschungseinrichtungen. Letztere agieren oft<br />

in enger Projektträgerschaft bzw. sind sie mit einem Ministerium<br />

eng verknüpft. Diese große institutionelle Vielfalt<br />

reflektieren auch die Wissenschaftsreferenten an Frankreichs<br />

Außenstellen. Häufig gehören letzteren Mitarbeiter<br />

verschiedener <strong>Fo</strong>rschungseinrichtungen an, die besondere<br />

Interessen am jeweiligen Gastland haben und dort selber<br />

vertreten wollen. Einige F&T-Referenten „tragen zwei<br />

Hüte“, nämlich den eines Botschaftsangehörigen und den<br />

eines Delegierten ihres F&T-Mutterhauses. Einige Organisationen<br />

wie das CNRS, das INRA oder das Centre de<br />

coopération Internationale en Recherche Agronomique<br />

pour le Développement (CIRAD) unterhalten eigene Verbindungsbüros<br />

oder ständige Repräsentanzen im Ausland,<br />

gelegentlich auch in <strong>Fo</strong>rm organisatorischer „joint ventures“:<br />

So teilen sich beispielsweise INRA und CIRAD sowohl<br />

in Brasilien als auch in China ein Büro.<br />

Aufgrund dieses komplexen institutionellen Arrangements<br />

erscheint Frankreichs AWP auf den ersten Blick nicht nur als<br />

ziemlich intransparent, sondern auch wenig prägnant. Die<br />

Anliegen und Aktivitäten der F&T-Referate variieren dementsprechend<br />

von Land zu Land in Abhängigkeit der Interessen<br />

ihrer Mütterhäuser. Darüber hinaus pflegen etliche<br />

Ministerien und Institute eine oft schon lange Tradition direkter<br />

<strong>Fo</strong>rschungskooperation mit ausländischen Partnereinrichtungen;<br />

so umfasst das „résau des instituts français<br />

de rechereche à l’étranger“ (IFRE) allein in den Sozialwissenschaften<br />

27 Institute mit weltweit 37 Standorten und<br />

rund 250 Wissenschaftlern, während das CNRS mit verschiedenen<br />

ausländischen Partnern außerhalb Frankreichs<br />

insgesamt 60 „Zwillingslabore“ betreibt.<br />

Die wichtigste Aufgabe der F&T-Referate liegt vor diesem<br />

Hintergrund in der wissenschaftspolitischen Berichterstattung,<br />

der allgemeinen Kontaktpflege, dem Monitoring wissenschaftlicher<br />

und technologischer Entwicklungen im Zielland<br />

sowie in der Anbahnung und administrativen Pflege<br />

von WTZ-Abkommen. Im Unterschied zu den meisten anderen<br />

Referenzländern engagieren sich die Botschaften allerdings<br />

auch sehr direkt im <strong>Fo</strong>rschungs- und Hochschul-<br />

5 Die dargestellten Ergebnisse sind ein Auszug aus einer von Flink und<br />

Schreiterer (2009) erstellten Studie, die sich methodisch auf einen qualitativen<br />

Vergleich der sechs Staaten stützt. Hierzu erfolgte eine Dokumentenanalyse<br />

von staatlichen und intermediären AWP-Initiativen und -Programmen,<br />

die wir durch eine Inhaltsanalyse aus 80 Leitfadeninterviews<br />

verglichen. Diese Experteninterviews wurden im Zeitraum von September<br />

2008 bis Januar 2009 „face-to-face“ in Ministerien, Außenvertretungen,<br />

sowie in F&T-Büros intermediärer Organisationen in den Städten Beijing,<br />

Berlin, Bonn, Boston, Brasilia, New Delhi, New York, Seoul, São Paulo und<br />

Washington geführt. Zudem wurden die Ergebnisse im Rahmen eines<br />

Workshops am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung validiert.<br />

<strong>Fo</strong> 3+4/2009<br />

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