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Fo - UniversitätsVerlagWebler

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<strong>Fo</strong>rschungsgespräche<br />

<strong>Fo</strong><br />

allermeisten Anträge in englischer Sprache. Langfristig wird<br />

sich die internationale Begutachtung wohl noch weiter<br />

durchsetzen. Auch in der Förderinitiative „Deutsch plus“<br />

haben wir auf Vorschlag des Antragstellers schon einen auf<br />

Englisch abgefassten Antrag entgegengenommen, weil es<br />

sich um ein Kooperationsprojekt zwischen England und<br />

Deutschland gehandelt hat. Ein englischsprachiger Antrag<br />

in dieser Förderinitiative ist also kein Widerspruch in sich.<br />

Dennoch muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob das<br />

Prüfverfahren wirklich nur auf Englisch stattfinden kann<br />

oder ob es nicht auch Alternativen gibt.<br />

<strong>Fo</strong>: Es wird in Deutschland seit längerem gefordert, dass<br />

Europa ein mehrsprachiges System der Zitationsindizes aufbaut,<br />

das europäische, also auch deutschsprachige Zeitschriften<br />

und andere Publikationskontexte sowie Lehrbücher,<br />

mit erfasst. Kann die VW-Stiftung hier nicht gezielt<br />

(evtl. zusammen mit anderen Förderern) die entsprechende<br />

Entwicklung anregen und fördern, z.B. zu Einzelprojekten<br />

einladen oder die Förderinitiative um eine solche Förderlinie<br />

ergänzen?<br />

TB: Das Thema ist wichtig, fällt aber nicht in den genuinen<br />

Förderbereich der VolkswagenStiftung, die Infrastrukturprojekte<br />

dieser Größenordnung nicht finanziell tragen, sondern<br />

allenfalls Anstöße liefern kann. Vertreter der Stiftung<br />

bringen sich aber durchaus wirksam in Diskussionen zu diesem<br />

Thema ein.<br />

<strong>Fo</strong>: Wir haben den Eindruck, dass viele Akteure mehr das<br />

bloße Phänomen des Rückgangs sehen und dieses entweder<br />

für einen unwiderstehlichen Vorgang wie eine Naturgewalt<br />

halten oder zwar aufhalten wollen, aber nur eine<br />

höchst unvollständige Ursachenanalyse stattfindet. Manchmal<br />

wird der Rückgang auf die <strong>Fo</strong>lgen des 2. Weltkrieges<br />

zurückgeführt, in deren Kontext viele glänzende deutsche<br />

Wissenschaftler jüdischer Herkunft vertrieben oder umgebracht<br />

wurden und die deutsche Wissenschaft oder sogar<br />

alles Deutsche moralisch verurteilt wurde. Viele Länder, die<br />

vorher aufmerksam die (wissenschaftlichen) Entwicklungen<br />

in Deutschland verfolgt hatten, wandten sich der Entwicklung<br />

in den USA zu. Das geschah aber nicht von alleine<br />

oder weil die USA plötzlich als einzige auf der Welt wissenschaftlich<br />

faszinieren konnten. Das geschah auch durch ein<br />

Bündel von Strategien, u.a. Publikationsstrategien. Mit<br />

ihnen sind bestimmte Zeitschriften zu den führenden Zeitschriften<br />

ihrer Disziplinen aufgestiegen, mit ihnen sind Systeme<br />

wie die Wirkungsanalysen (Impactfaktoren) errichtet<br />

worden. Und die Wissenschaftler in aller Welt haben sich<br />

freiwillig diesen Vorgaben gebeugt.<br />

Wäre von einer Politik zur Stärkung des Deutschen als Wissenschaftssprache<br />

(neben anderen Sprachen) nicht zu erwarten,<br />

dass hier Gegenstrategien entwickelt und umgesetzt<br />

werden, die diese Trends stoppen und umkehren?<br />

Und als zweite Frage in diesem Block: Wäre es der VW-Stiftung<br />

nicht möglich gewesen, der Entwicklung von aussichtsreichen<br />

Gegenstrategien eine weitere Förderkomponente<br />

zu widmen?<br />

TB: Die von Ihnen wiedergegebene Analyse des Phänomens<br />

des „Rückgangs“ des Deutschen als Wissenschaftssprache<br />

halte ich für durchaus zutreffend. Sicher hat dieser Rückgang<br />

viel mit dem Bild zu tun, das die Deutschen mit dem<br />

Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg von sich in der<br />

Welt hinterlassen haben. Zum Teil ist die Abwertung des<br />

Deutschen in der Welt damit sicher auch selbst verschuldet.<br />

Umso mehr stellt sich die Frage, ob „Gegenstrategien“,<br />

so wie Sie sie sich vorstellen, hier angebracht sind. Warum<br />

abermals diese Kriegsmetaphorik? Gibt es gerade vor diesem<br />

Hintergrund nicht leisere, angemessenere Wege, auf<br />

sich aufmerksam zu machen und für die eigene Sprache und<br />

Kultur und natürlich die eigene Wissenschaft zu werben als<br />

mit groß angelegten „Gegenstrategien“? Eine Förderinitiative<br />

zur Stärkung des Deutschen als Wissenschaftssprache<br />

gehört meines Erachtens wohl wie keine andere in die<br />

Hände eines impulsgebenden Förderers.<br />

Bei all dem darf man auch nicht vergessen, dass die Internationalisierung<br />

der Wissenschaft auch Vorteile mit sich gebracht<br />

hat. Die Verwendung einer Sprache, die möglichst<br />

viele verstehen, erhöht die Verständlichkeit – zumindest<br />

quantitativ. Die Idee einer weltweit verständlichen Wissenschaft<br />

über die Grenzen der Länder und Köpfe hinweg hat<br />

von daher etwas Bestechendes, für das es sich einzusetzen<br />

lohnt. Nationalisierungstendenzen sind auch Abschottungsprozess.<br />

Solche Entwicklungen kann und will die<br />

VolkswagenStiftung nicht fördern. Schließlich ist unser Leitgedanke<br />

auch nicht die bloße Propagierung des Deutschen,<br />

sondern die Idee der wissenschaftlichen Mehrsprachigkeit!<br />

<strong>Fo</strong>: Na ja, der Begriff „Förderstrategie" ist mir wohl vertraut.<br />

Ich spreche nicht in „Kriegsmetaphorik”; der Strategiebegriff<br />

ist längst ganz zivil in die Wirtschaftswissenschaften<br />

in vielen Kombinationen eingegangen (Unternehmenstrategie)<br />

oder in die Psychologie (Werbestrategie, Lernstrategie)<br />

und findet sich in Konkurrenzverhältnissen (z.B.<br />

Erfolgsstrategie), mit denen wir es hier vielfach zu tun<br />

haben. Immerhin, es gibt Vorgänge in diesem Zusammenhang,<br />

die hier nicht ausgebreitet werden können, die aber<br />

wenig mit edlem Ideenwettbewerb zu tun haben. Das Instrumentarium<br />

ist auch von außen, von Interessenträgern,<br />

für eigene Interessen instrumentalisiert worden. Auch ohne<br />

alle Verschwörungstheorien und Verdächtigungen des wissenschaftlichen<br />

Imperialismus passen die von den USA ausgehenden<br />

Strategien und Einzelmaßnahmen erstaunlich gut<br />

zusammen und passen auch gut zu der Debatte um brain<br />

gain, der dann doch in die Nähe eines wissenschaftlichen<br />

Imperialismus gerückt wird. Halten wir uns nicht mit der<br />

Erörterung von vermuteter Absicht auf, sondern konzentrieren<br />

uns auf die <strong>Fo</strong>lgen. Diese <strong>Fo</strong>lgen sind nicht im deutschen<br />

Interesse, weder kulturell, wissenschaftlich noch<br />

wirtschaftlich, also müssten Gegenstrategien entwickelt<br />

werden, um den Trend wieder umzukehren. Damit ist nicht<br />

gemeint, Deutsch nun seinerseits zur lingua franca der Wissenschaft<br />

zu machen (was ohnehin vergeblich wäre). Aber<br />

ihr den ihr gebührenden Platz nach Quantität und vor allem<br />

Qualität im deutschsprachigen Raum erzielter wissenschaftlicher<br />

Ergebnisse zu verschaffen, wäre ein plausibles Ziel.<br />

TB: Mir ist nicht ganz klar, was die Pfründe sind, die Sie hier<br />

sichern wollen. Natürlich ist die Qualität deutscher Wissenschaft<br />

ganz entscheidend für deren internationale Bedeutung.<br />

Das ist aber noch lange kein Grund dafür, dass sie<br />

110<br />

<strong>Fo</strong> 3+4/2009

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