Ihr Kinderlein kommet⦠- VSETH - ETH Zürich
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Polykum 5/05–06<br />
Fruchtbarkeit 11<br />
Wenn Fliegen flirten<br />
Die sexuelle Fortpflanzung bei Tieren birgt noch viele Geheimnisse. Wie erkennen sich fruchtbare Partner<br />
derselben Spezies Welche Gene und Gehirnregionen steuern dieses Verhalten Durch die Forschung mit<br />
Fruchtfliegen an der Universität Zürich können diese und weitere Fragen untersucht werden.<br />
Sabrina Engel > engel@polykum.ethz.ch<br />
Die meisten Nicht-Biologen kennen Drosophila<br />
melanogaster nur als kleine, lästige<br />
Fruchtfliegen, die im Sommer auf unserem<br />
Obst herumschwirren. Die kleinen Tierchen<br />
spielen jedoch in der Wissenschaft eine<br />
wichtige Rolle als Modellorganismus<br />
und eignen<br />
sich besonders zur Analyse<br />
von Genen, da sich ihr<br />
Erbmaterial leicht manipulieren<br />
lässt. Auch ihr<br />
Verhalten lässt sich relativ<br />
einfach studieren. An der<br />
Universität Zürich versucht<br />
man diese zwei Vorteile<br />
miteinander zu kombinieren<br />
und herauszufinden,<br />
welche Gene Einfluss auf<br />
bestimmte Verhaltensweisen<br />
haben.<br />
Ein besonders interessantes<br />
Thema für die Wissenschaftler<br />
ist die Umwerbung<br />
der Weibchen. Wie bei fast<br />
allen Tierarten umwirbt<br />
auch bei den Drosophila-<br />
Fliegen das Männchen seine<br />
Partnerin. Für Drosophila<br />
montana, eine der über fünfzig<br />
verschiedenen Drosophila-Arten,<br />
ist der Gesang<br />
des werbenden Männchens<br />
entscheidend. Weicht er nur<br />
geringfügig von der Norm<br />
ab, verweigert das Weibchen<br />
die Begattung. Damit<br />
stellt es sicher, dass ein<br />
Männchen der richtigen<br />
Drosophila-Spezies als Partner<br />
gewählt wird.<br />
Zerstreute<br />
Männchen<br />
Im Arbeitskreis des Biologen Professor Markus<br />
Noll von der Universität Zürich wird<br />
untersucht, wie sich das Fehlen gewisser<br />
Funktionen eines bestimmten Gens, genannt<br />
Poxn, im Gehirn auf das Werbeverhalten<br />
der Drosophila melanogaster-Fliegen auswirkt.<br />
Fehlt das Gen, sind männliche Fliegen zwar<br />
bei Tageslicht imstande, das Weibchen zu umwerben,<br />
aber, im Gegensatz zu den gesunden<br />
Artgenossen, nicht im Dunkeln. Die Forscher<br />
wollen nun herausfinden, was im Gehirn der<br />
Fliegen nicht mehr stimmt.<br />
Bild: Sabrina Engel<br />
In solchen Gläsern werden die Fruchtfliegen für die<br />
Erforschung des Paarungsverhaltens gezüchtet.<br />
Unveröffentlichte Ergebnisse von Dimitrije<br />
Krstic und Werner Boll aus der Forschungsgruppe<br />
von Professor Noll zeigen,<br />
dass den «defekten» Fliegen eine bestimmte<br />
Hirnregion fehlt. Diese Region ist für die<br />
Verarbeitung verschiedener Sinneseindrücke<br />
und eine entsprechende Antwort im ver-<br />
änderten Paarungsverhalten der Männchen<br />
verantwortlich. Die fehlende Hirnregion<br />
führt offenbar dazu, dass die Männchen die<br />
Weibchen im Dunkeln nicht mehr verfolgen,<br />
wenn der nicht-visuelle Kontakt abbricht<br />
und die entsprechenden<br />
Sinnesimpulse fehlen. Die<br />
Forscher erhoffen sich weitere<br />
Erkenntnisse über die<br />
neuronalen Netzwerke, die<br />
für dieses Verhalten verantwortlich<br />
sind.<br />
Begattung macht<br />
treu<br />
Im Labor von Biologieprofessor<br />
Erich Kubli an der<br />
Universität Zürich wurden<br />
letztes Jahr ähnlich interessante<br />
Ergebnisse erzielt.<br />
Begattete Drosophila-Weibchen<br />
lehnen weitere paarungswillige<br />
Männchen ab.<br />
Warum Bei der Begattung<br />
injizieren die Männchen<br />
nicht nur Samen, sondern<br />
auch andere Substanzen aus<br />
einem der menschlichen Prostata<br />
ähnlichen Organ. Diese<br />
Substanzen führen zusammen<br />
mit weiteren unbekannten<br />
Stofffen aus dem Sperma<br />
zur Zurückweisung anderer<br />
paarungswilliger Männchen<br />
über eine Dauer von mehreren<br />
Tagen.<br />
Wenngleich noch nicht<br />
an einem Stoff gearbeitet<br />
wird, der Frauen treu machen<br />
soll, lassen sich doch<br />
einige Prinzipien der Fliegenforschung<br />
auch auf den<br />
Menschen übertragen. So<br />
wollen Männer ebenfalls instinktiv so viele<br />
gesunde Nachkommen wie möglich zeugen.<br />
Aber die Auswahl der Partnerin ist stark von<br />
kulturellen Einflüssen abhängig. Ein Grund<br />
von vielen, warum sich Fliegen – vorerst<br />
zumindest – besser für die Erforschung der<br />
tierischen Fortpflanzung eignen.