Ihr Kinderlein kommet⦠- VSETH - ETH Zürich
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Polykum 5/05–06<br />
Arbeitsleben<br />
Boreout – der neue Burnout<br />
Eine neue Theorie warnt vor Langeweile, Unterforderung und Desinteresse am Arbeitsplatz – und vor entsprechendem<br />
Verhalten, dies zu verstecken. Der Boreout – so der neue Begriff – sei das Gegenteil des<br />
Burnout. Gibt’s den Boreout auch an der <strong>ETH</strong> Pia G. Guggenbühl > guggenbuehl@polykum.ethz.ch<br />
Bild: Tom Denham<br />
Zu Tode gelangweilt am Arbeitsplatz<br />
Es kommt einem Tabu-Bruch gleich: Nicht<br />
mehr der Burnout sei das Hauptproblem<br />
der Arbeitswelt, sondern der Boreout. Das<br />
sagen die zwei Zürcher Autoren der Theorie,<br />
Philippe Rothlin und Peter R. Werder. Im<br />
zweiten Halbjahr ist die Veröffentlichung<br />
ihres Buches geplant, in dem sie ausführen,<br />
wie immer mehr Arbeitnehmer mit Strategien<br />
vertuschen, dass sie eigentlich nicht ausgelastet<br />
sind und ihre Arbeit sie langweilt. Ist dieses<br />
Phänomen auch an der <strong>ETH</strong> zu beobachten<br />
Die Antwort vorweg: Der Boreout kann<br />
auch an der <strong>ETH</strong> entstehen.<br />
Arbeitszeit als Freizeit<br />
Der Boreout ist kurz gesagt das Gegenteil des<br />
Burnouts. Eine – gemäss den Autoren – ungeheure<br />
Anzahl von Arbeitnehmern, die in ihrem<br />
Job nicht ausgelastet sei, verfüge über eine<br />
Art Freizeit während der Arbeit. Das Alternativangebot<br />
am Arbeitsplatz ist seit einigen<br />
Jahren bekanntlich enorm: Internet, E-Mail<br />
und Handies nennen die Autoren dabei als<br />
Beispiele. Ferien buchen, auf Ebay handeln,<br />
Fotos versenden, Online-Games spielen oder<br />
die auswärtigen Sitzungen so planen, dass<br />
es sich am frühen Abend nicht mehr lohnt,<br />
ins Büro zurückzukehren – das alles tue man<br />
intensiv, wenn man an einem Boreout leide.<br />
Die Arbeit interessiere nicht, man langweile<br />
sich und sei unterfordert und rutsche so<br />
in einen Teufelskreis der Unzufriedenheit,<br />
den man, paradoxerweise, mit Strategien am<br />
Leben erhalte. Arbeitnehmer<br />
verhielten sich über eine lange<br />
Zeit so, ohne dass es jemand<br />
merke. Sie «tun» gestresst, weil<br />
es zum guten Ton gehöre – so<br />
die beiden Autoren.<br />
Die Entstehung des<br />
Boreout wird an zwei Stellen<br />
einer Arbeits-Biografie erklärt,<br />
und hier wird’s bereits auch<br />
aus Sicht der Studierenden<br />
interessant: Entweder wählt<br />
man eine Ausbildung, die<br />
einen nicht interessiert, oder<br />
man nimmt eine Stelle an, die<br />
nichts Spannendes verspricht.<br />
Den Grundstein für einen späteren<br />
Boreout legt man also unter Umständen<br />
bereits im Studium.<br />
Boreout im Studium<br />
Eine Blitzumfrage unter Studierenden unterschiedlicher<br />
Hochschulen hat gezeigt: Nur<br />
wenige sagen, dass sie völlig unterfordert<br />
seien, doch viele sind der Meinung, dass das<br />
Studium auch schneller ginge. Einige studieren<br />
nicht ihr Traumfach – sind also leicht<br />
desinteressiert – und begründen die Studienwahl<br />
mit äusserem Druck oder der Tatsache,<br />
dass ihr Studium später mehr Berufsoptionen<br />
offen lasse als andere.<br />
Eine gewisse Gefahr oder Weichenstellung<br />
für einen Boreout kann sich auch durch<br />
den Nebenjob ergeben (siehe Box), der meist<br />
nur die Funktion hat, das nötige Geld fürs<br />
Studium zusammenzubringen, und nicht,<br />
auch geistig eine Herausforderung zu sein.<br />
Im Idealfall lässt sich der Nebenjob aber mit<br />
wertvollen Berufserfahrungen kombinieren.<br />
In diesem Fall – wenn also der Job eine Verbindung<br />
mit dem hoffentlich interessanten<br />
Studium hat und auf das spätere Berufsleben<br />
vorbereitet – ist die Gefahr für einen Boreout<br />
massiv kleiner.<br />
Ausweg aus der Krise<br />
Allgemein gesprochen sehen die beiden<br />
Autoren Rothlin und Werder die Lösung in<br />
einer scheinbar simplen, aber wichtigen Kombination<br />
von drei Elementen: Sinn, Zeit und<br />
Geld. Erstens müsse es Ziel sein, eine Arbeit<br />
zu erledigen (oder eben eine Fächerkombination<br />
zu wählen), die sinnstiftend sei und<br />
einen wirklich interessiere. Zweitens müsse<br />
die Arbeitszeit mit Arbeit angemessen ausgefüllt<br />
sein, damit keine Langeweile entstehe:<br />
Nicht zu viel, nicht zu wenig. Schliesslich sei<br />
– als drittes Element – der Geld-Lohn die<br />
Kernentschädigung für die geleistete Arbeit.<br />
Wenn man in allen drei Bereichen zufrieden<br />
sei, dann sei es nicht möglich, an einem<br />
Boreout zu leiden. Dann verfüge man über<br />
einen hohen «Qualitativen Lohn» – so nennen<br />
Rothlin und Werder ihren Lösungsansatz.<br />
Dies ist als imaginäre und nicht als quantifizierbare<br />
Grösse zu verstehen. Der Qualitative<br />
Lohn ist der Gesamtnutzen aus der Arbeit –<br />
und den sollten bereits Studierende im Auge<br />
haben, um sich vor einem (späteren) Boreout<br />
zu schützen.<br />
Boreout bei Studierenden mit Nebenjobs<br />
Es gibt Studierende, die bereits während der Studienzeit vom Boreout<br />
betroffen oder davon gefährdet sind – wenn sie einer Nebenbeschäftigung<br />
nachgehen. Denn oft sind sie überqualifiziert für ihre<br />
Tätigkeit und arbeiten unter ihren Fähigkeiten. Gemäss dem Bundesamt<br />
für Statistik liegt die Zahl der Studierenden, die einem Nebenerwerb<br />
nachgehen, bei rund 80 Prozent. Bei mehr als der Hälfte<br />
der <strong>ETH</strong>- und Uni-Studierenden haben die Nebenjobs keinen Bezug<br />
zur Studienrichtung – dabei werden gerade hier häufig Weichen<br />
fürs spätere Arbeitsleben gestellt.