Fußball-Wm 2006 angeblich gekauft
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WIRTSCHAFT<br />
DEFGH Nr. 162, Montag, 16. Juli 2012 HF3 15<br />
GUTE ZEITEN FÜR REISEVERANSTALTER<br />
Deutschland mit Sonne<br />
VON MICHAEL KUNTZ<br />
Nun reisen sie wieder. Die Ferienzeit<br />
hat begonnen, und auf Autobahnen<br />
mit so vielen Baustellen wie<br />
nie quälen sich die voll beladenen Familien-Kombis<br />
in die <strong>angeblich</strong> schönste<br />
Zeit des Jahres. Auf Reisen suchen viele<br />
Deutsche eigentlich nicht das fremde<br />
Land, sondern Deutschland mit Sonne,<br />
analysierte der Soziologe Erwin Kurt<br />
Scheuch diesen regelmäßig wiederkehrenden<br />
kollektiven Drang. Deutschland<br />
mit Sonne zu finden ist nicht ganz einfach<br />
indiesemSommer,in demvielerortsFerienzeit<br />
gleich Regenzeit ist.<br />
DenntrotzdervielenfarbigenWerbefotosvongertenschlankengebräuntenBikini-Schönheiten<br />
unter Palmen sieht der<br />
normaleUrlaubnichtganzso tollaus.Erstens<br />
machen nur drei Viertel der Bevölkerung<br />
überhaupt eine Urlaubsreise. Zweitens<br />
bleibt von denen, die reisen, ein Drittel<br />
im eigenen Land. Die meisten setzen<br />
sichinihrAutoundfahren,wennsieBerlinersind,<br />
andieOstsee, so wie ihreGroßeltern<br />
das auch schon machten. Der bodenständigeUrlauberistofteinGewohnheitsmensch,<br />
liebt den Bayerischen Wald oder<br />
seine Nordseeinsel.<br />
Urlaubsglück ist, wenn das Büfett<br />
frei von Fliegen ist und nicht<br />
alle Liegen am Pool besetzt sind<br />
Das also ist ein nicht zu unterschätzender<br />
Teil der Menschheit, der zudem für<br />
die Reiseindustrie nicht einfach erreichbarist.FastdieHälftederreisendenBevölkerung<br />
verzichtet völlig auf die Dienste<br />
von Reisebüros und Veranstaltern. Die leben<br />
trotzdem gut, denn sie machen den<br />
Großteil ihrer Geschäfte mit den Menschen,<br />
die tatsächlich Deutschland mit<br />
Sonne suchen.<br />
Das liegt dann meistens am Mittelmeer<br />
und ist normiert wie eine EU-Banane.<br />
Die besondere Leistung von Tui, Thomas<br />
Cook, Rewe und Alltours liegt darin,<br />
möglichst voll besetzte Flugzeuge neben<br />
bereits wartenden Reisebussen landen zu<br />
lassen, die jene erwartungsfrohen Urlauber<br />
unverzüglich in ein Hotel befördern.<br />
Dort sollte das Zimmer sauber sein, mindestensdengebuchtenseitlichenMeeresblick<br />
bieten, das Büfett frei von Fliegen<br />
und nicht alle Liegen am Pool von Engländern<br />
– oder schlimmer noch: blondierten<br />
Russinnen – besetzt sein. Dann gefällt es<br />
dem Pauschalreisenden, und dann bestehteinegewisseAussicht,dassdieReiseindustrie<br />
ihn als einen weiteren Stamm-<br />
kunden gewinnt. Klappt etwas nicht,<br />
weiß sich der Urlauber zu helfen, denn er<br />
hatvonden diversenReiseinspektoren im<br />
Privatfernsehen bereits vor Abflug gelernt,<br />
was er sich keinesfalls bieten lassen<br />
muss und wie er sich wirkungsvoll wehren<br />
kann. Da sind die Einladung zum Gratis-Drink<br />
oder dem kostenfreien Mietwagenausflug,<br />
dann die kleineren KompensationenfürerlitteneUnbill,dietrophäengleich<br />
mit dem Reiseleiter vor Ort ausgehandelt<br />
werden. Das Recht ist dabei auf<br />
der Seite des gut unterrichteten Urlaubers,<br />
denn wer eine Pauschalreise als<br />
Kombination aus Flug plus weiteren<br />
Leistungen bucht, der packt sozusagen<br />
das deutsche Rechtssystem mit ins Gepäck.<br />
Der solchermaßen abgesicherte Tourist<br />
darf dann auch bei allfälligen Vulkanwolken,ErdbebenoderÄhnlichemdieNase<br />
rümpfen über jene Individualisten, die<br />
von sich glauben, alles besser zu wissen.<br />
Nur weil sie es geschafft haben, im InterneteinenFlugzubuchen,derdannsovielleicht<br />
gar nicht stattfindet, und die wertvolle<br />
Urlaubszeit mit der Suche nach Unterkünften<br />
verplempern, bei denen eben<br />
kein Reiseveranstalter mit den Hoteliers<br />
harte Preisverhandlungen geführt hat.<br />
Das erledigen Individual-Touristen lieber<br />
selbst.<br />
Das alles erklärt, weshalb Deutschland<br />
nicht nur als Reise-Weltmeister gilt, sondernauchalsfruchtbaresBiotopfürReiseveranstalter<br />
undReisebüros. Warum man<br />
noch in einen Laden gehen soll, um dort<br />
seinen Urlaub zu buchen, obwohl das <strong>angeblich</strong><br />
problemlos im Internet geht – es<br />
leuchtetkaumnochjemandemein,jedenfalls<br />
theoretisch. Dabei heißt Internet<br />
nicht zwangsläufig preisgünstig, schon<br />
gar nicht in einer Branche, in der sich die<br />
großen Player freiwillig verpflichtet haben,ihreLeistungenaufallenVertriebskanälen<br />
zum gleichen Preis anzubieten.<br />
Also informieren sich die meisten inzwischen<br />
im Internet, in der Praxis werdenallerdings95ProzentderPauschalreisen<br />
weiterhin in einem Reisebüro gebucht.<br />
Eigentlich ist das erstaunlich. Ein wesentlicher<br />
Grund, der die Menschen in die<br />
Läden der Reiseverkäufer treibt, dürfte<br />
sein, dass sich niemand einen misslungenenUrlaubleistenkann.DenndasgibtÄrger<br />
mit der Frau, den Kindern, den Freunden.<br />
Es ist das Gegenteil vom Urlaubsglück,<br />
das die Reiseindustrie zu produzieren<br />
verspricht. Man kann, wenn alles<br />
schiefläuft, dann übrigens auch nicht mit<br />
einergelungenenReiseimInternetbeiseinen<br />
Facebook-Freunden angeben.<br />
Es reicht nicht<br />
Spaniens Reformen bringen zu wenig – nun sollen neue Steuern her<br />
München – Weniger Geld und weniger Urlaub<br />
für Staatsbedienstete, höhere Mehrwertsteuer,<br />
weniger Arbeitslosenhilfe und<br />
Mietzuschüsse, höhere Abgaben – Spanien<br />
spart an allen Ecken und Enden, um den<br />
Forderungen aus Brüssel und Berlin zum<br />
Defizitabbau nachzukommen. Doch es<br />
reicht noch immer nicht. Das Wirtschaftsministerium<br />
in Madrid bestätigte am Wochenende<br />
einen Bericht der Zeitung El<br />
País, wonach die anvisierten 65 Milliarden<br />
Euro mit dem jüngst beschlossenen Sparpaket<br />
nicht zusammenkommen, sondern<br />
nur 56 Milliarden. Um die Lücke zu füllen,<br />
will die Regierung neue Energie- und Umweltsteuern<br />
erheben.<br />
In der Bevölkerung formiert sich immer<br />
stärkererWiderstand.DieGewerkschaften<br />
rufen für 19. Juli zu Massendemonstrationen<br />
auf, sie schließen einen Generalstreik<br />
nichtaus.DieAnleger,diespanischeStaatsanleihen<br />
kaufen, kümmert das alles nicht;<br />
die Renditen sind trotz aller Kürzungen<br />
und Reformen weiterhin untragbar hoch.<br />
Unmut in weiten Teilen der Bevölkerung<br />
rufen nicht nur die Kürzungen selbst<br />
hervor,dievermutlichdie Bankenkriseverschärfen<br />
werden, weil noch weniger Menschen<br />
ihre Hypothekenkredite werden bedienen<br />
können. Auf blankes Entsetzen<br />
stößt die von vielen als zynisch empfundene<br />
Art und Weise, mit der Vertreter der regierenden<br />
Volkspartei die Einschnitte präsentieren.<br />
In sozialen Netzwerken kursieren<br />
Bilder der PP-Fraktion im Parlament,<br />
wiesieMinisterpräsidentMarianoRajoytosenden<br />
Applaus spendet – und daneben<br />
das Bild der italienischen Arbeitsministerin,<br />
die bei der Ankündigung vergleichbarer<br />
Reformen in ihrem Land in Tränen aus-<br />
brach. Ein Video zeigt die PP-Abgeordnete<br />
Andrea Fabra,diebei derAnkündigungder<br />
Kürzung des Geldes für Arbeitslose ein<br />
hör-undsichtbares„Quese jodan“,(diesollen<br />
zum Teufel gehen) fahren lässt. Fabra<br />
behauptete danach zwar, das sei an die oppositionellen<br />
Sozialisten gerichtet gewesen,<br />
doch Rücktrittsforderungen an sie im<br />
Internet sind bis Sonntag trotzdem<br />
150 000-mal geklickt wurden.<br />
FürvieleistFabraderInbegriffeinesgrößenwahnsinnigenundkorruptenParteiapparates,sieistTochterdesPP-ProvinzfürstenCarlosFabra,derzurMehrungdeseigenen<br />
Ruhms einen Flughafen in Castellón<br />
bauen ließ, der nie in Dienst gestellt wurde.<br />
Vielfach werden der konservativen Regierungspartei<br />
vergangene Äußerungen vorgehalten,<br />
wie die von Finanzminister Cristóbal<br />
Montoro, der eine Erhöhung der<br />
Mehrwertsteuer „rundweg“ ausgeschlossen<br />
hatte. Rajoy hat unter Druck von außen<br />
bislang praktisch alle finanzpolitischen<br />
Wahlversprechen gebrochen, betont aber<br />
stets, er müsse sich für nichts schämen.<br />
Umso erleichterter dürfte der Regierungschef<br />
ungewohnt positive Nachrichten<br />
aus Deutschland aufgenommen haben, wo<br />
Rettungsfonds-Chefs Klaus Regling der<br />
Welt am Sonntag sagte, Bankenhilfe würde<br />
nichtdiebetroffenenStaatenbelasten.AllerdingshatFinanzministerWolfgangSchäuble<br />
bisher das Gegenteil behauptet. Der Spiegel<br />
meldete, das Hilfsprogramm für spanische<br />
Banken solle bis 2028 laufen und in<br />
vier Tranchen ausgezahlt werden, die ersten<br />
30 Milliarden Ende Juli. Der Bundestag<br />
stimmt am Donnerstag über den Hilfsantrag<br />
Spaniens ab. SEBASTIAN SCHOEPP<br />
R Seite Zwei<br />
Die Spanier protestieren gegen den Sparkurs ihrer Regierung. Doch sie müssen sich auf<br />
Schlimmeres gefasst machen. Die Reformen reichen nicht. FOTO: ANDRES KUDACKI/AP<br />
Wolfgang Heni war einer der einflussreichen Männer beim Energieversorger EnBW. Er reiste gern und oft nach Russland, um Geschäfte zu machen. Heni gilt neben dem<br />
Lobbyisten Andrej Bykow als Schlüsselfigur in der Russland-Affäre. FOTO:BENNO KRAEHAHN/PHOTOSELECTION<br />
VON MARKUS BALSER UND UWE RITZER<br />
München – Der „Autonome Kreis der Jamal-Nenzen“<br />
gehört nicht wirklich zu den<br />
behaglichen Gegenden dieser Erde. Obwohl<br />
doppelt so groß wie Deutschland plus<br />
einmal Bayern obendrauf, leben nur eine<br />
halbe Million Menschen in dem Landstrich<br />
am Polarkreis 3600 Kilometer nordöstlich<br />
von Moskau. Der Winter dauert hier bis zu<br />
neun Monate, und die Temperaturen sinken<br />
weit unter minus 40 Grad. Am 8. Juli<br />
2008 ist der Himmel jedoch blau, und die<br />
Sonne scheint.<br />
Der Besucher aus Deutschland trägt<br />
trotzdem eine gefütterte Jacke, um den<br />
KopfhatersicheinweißesNetzwieein Piratentuchgebunden.FröhlichwieeinTourist<br />
lacht er in die Kamera. Es ist Wolfgang Heni,<br />
der wichtigste Atommanager des deutschen<br />
Energiekonzerns EnBW. Er besichtigt<br />
an diesem Tag die Gasfelder von Urengoj.<br />
Mit dabei: Andrej Bykow, 49.<br />
Vier Jahre später ist Wolfgang Heni, 66,<br />
neben dem schillernden Moskauer LobbyistenBykowdieSchlüsselfigurindermerkwürdigen<br />
Russland-Affäre der EnBW. Sie<br />
dreht sich um womöglich krumme Geschäfte<br />
in dreistelliger Millionenhöhe (sieheKasten).NunhatdasUnternehmenWolfgang<br />
Heni auf 93 Millionen Euro Schadenersatz<br />
verklagt.<br />
Bis zu seiner Pensionierung 2009 ist der<br />
Schwabemitdemgemütlichem Leibesumfang<br />
jahrzehntelang das Gesicht der EnBW<br />
und ihrer Vorgängerfirmen in Russland.<br />
1973, mitten im Kalten Krieg, begann Heni<br />
damit, dort Uran für deutsche Kernkraftwerke<br />
einzukaufen. Unzählige Male bereist<br />
er das Land. Er spricht kein Russisch,<br />
kennt vor Ort aber Gott und die Welt. An jenem<br />
Julitag 2008 in Urengoj besichtigt Heni<br />
Gasfelder, die zu den größten dieser Erde<br />
gehören. Erdgas für zig Milliarden Euro<br />
schlummerthier imBoden.DochsolcheDimensionen<br />
bereiten ihm kein Kopfzerbrechen.WennerGeschäftemacht,gehtesimmer<br />
um sehr viel Geld.<br />
Es ist ein Strudel von Affären, der Deutschlands<br />
drittgrößten Energieversorger EnBW ins Trudeln<br />
gebracht hat. Zum einen sind da die fragwürdigenUmstände,unterdenenBaden-Württemberg<br />
im Dezember 2010 für 4,7 Milliarden<br />
Euro Anteile an EnBW vom französischen Energiekonzern<br />
EdF <strong>gekauft</strong> hat. Gutachter sagen,<br />
derKaufpreis seium 840 Millionen Euro zu hoch<br />
gewesen. Der Deal beschäftigt inzwischen einen<br />
Landtags-Untersuchungsausschuss; der<br />
Rechnungshof übte schwere Kritik. Unter BeschussstehtderbeidemGeschäftfederführende,<br />
damalige Ministerpräsident Stefan Mappus.<br />
Gegen ihn, Ex-Finanzminister Willi Stächele<br />
und den früheren Staatsminister Helmut Rau<br />
(alle CDU) ermittelt die Staatsanwaltschaft<br />
Stuttgart wegen Verdachts der Untreue.<br />
Die Skandale<br />
Spielkameraden<br />
Der schillernde Lobbyist Bykow machte gemeinsame Sache mit Wolfgang Heni, dem Atommanager von EnBW. Dieser beschaffte<br />
in Russland diskret Uran und suchte nach Gas. Nun hat ihn der Energiekonzern auf 93 Millionen Euro Schadenersatz verklagt<br />
EnBW wirft Heni vor, seine<br />
Kompetenzen maßlos<br />
überschritten zu haben<br />
Es sind diskrete Geschäfte ineinem sensiblen<br />
Umfeld. Heni ist einer von drei ehemaligen<br />
Topmanagern, die der drittgrößte<br />
deutscheEnergieversorgerEnBWaufSchadenersatz<br />
verklagt hat. Ein vierter ist noch<br />
in Amt und Würden: Hans-Josef Zimmer,<br />
54, Vorstandsmitglied der EnBW AG. 2010<br />
trat er von seinem Posten in Zusammenhang<br />
mit den Russlandgeschäften zurück.<br />
Anfang 2012 holte man ihn überraschend<br />
zurück. Die Schadenersatzklage gegen ihn<br />
verfolgtEnBWdennoch weiter–eineebenso<br />
skurrile, wie einmalige Konstellation.<br />
Bei alledem geht es um fragwürdige GeschäftemitAndrejBykow.Im<br />
großen Energie-Monopoly<br />
um Uran und Gas war Wolfgang<br />
Heni – wenn man so will – Bykows<br />
wichtigster Spielkamerad.<br />
Als 2009 Prüfer im Auftrag des EnBW-<br />
Vorstands das Beziehungsgeflecht zwischen<br />
dem Konzern und Bykow untersuchen,stoßen<br />
sie ständigaufdenNamen Heni.<br />
Sie werfen ihm vor, als Geschäftsführer<br />
derEnBW-AtomsparteEnKKseineKompetenzen<br />
maßlos überschritten zu haben. Es<br />
geht um Lieferungen von Uran aus russischen<br />
Militärbeständen, den Rückbau des<br />
Kernkraftwerks Obrigheim, Beratungsund<br />
Darlehensverträge, sowie ein geplantes<br />
Überwachungssystem für Atomtransporte<br />
in Russland namens „Easy-Toll“.<br />
Heni, so der Vorwurf, soll mit Bykow eigenmächtigMillionenverträgeabgeschlossen<br />
und das Geld nicht selten noch am selben<br />
Tag überwiesen haben. Von „Vorauszahlungen<br />
ohne angemessene Sicherheiten“<br />
ist die Rede. Heni und Co. hätten „gegen<br />
ihre Sorgfaltspflichten verstoßen“, so<br />
die Prüfer. Das Schadenersatzverfahren<br />
vor dem Landgericht Heilbronn steht noch<br />
ganzamAnfang.Ob dieEnBW amEnde obsiegen<br />
wird, ist allerdings fraglich.<br />
Es gibt zahlreiche interne Unterlagen –<br />
Sitzungsprotokolle, Aktenvermerke, Mailverkehr<br />
– die gehörig Zweifel nähren an<br />
derVersionvomAlleingängerWolfgangHeni.Vielmehrdeutensiedaraufhin,dassviele<br />
Top-Manager bis hinein in den Vorstand<br />
der EnBW AG ganz gut über die Russlandaktivitäten<br />
ihres Atommanagers und die<br />
Bykow-Connection Bescheid wussten.<br />
Schon die Struktur des EnBW-Konzerns<br />
scheintderVersionvomAlleingängerzuwidersprechen.<br />
Die Atomtochter EnKK ver-<br />
Der zweite große Komplex ist die sogenannte„Russland-Affäre“.Esgeht<br />
umGeschäfte mit<br />
dem russischen Lobbyisten Andrej Bykow und<br />
dessenSchweizerFirmen.Er hatfürdieEnBWin<br />
Russland Geschäfte im Volumen von mehr als<br />
400Millionen Euroeingefädelt. EnBWsoll dabei<br />
130 Millionen Euro Schaden entstanden sein.<br />
Insgesamthat derKonzernBykow mehrals 200<br />
Millionen Euro an Honoraren gezahlt. Für die<br />
Vermittlung von Nukleargeschäften und damit<br />
verbundene Dienstleistungen, heißt es. Bykow<br />
behauptet jedoch, er habe das Geld auch zur<br />
„Klimapflege“ in Russland ausgegeben, damit<br />
EnBW dort an dringend benötigtes Erdgaskam.<br />
DarübergebeesGeheimverträge mitEnBW.Bewiesen<br />
ist das nicht; die Mannheimer Staatsanwaltschaft<br />
ermittelt. MBAL/URIT<br />
fügtekaumübereigeneMittel.IhrChefHeni war bei größeren Ausgaben auf Zuwendungen<br />
anderer Konzernableger angewiesen.<br />
Woher kamen die vielen Millionen Euro,<br />
die er an Bykows vorwiegend in der<br />
Schweiz angesiedelte Firmen überwies?<br />
Zudem war der EnKK-Aufsichtsrat gespickt<br />
mit Vorstandsmitgliedern der MuttergesellschaftKWGundderdarüberangesiedelten<br />
EnBW AG. Sollten alle diese Top-<br />
Manager ahnungslos gewesen sein? KonnteHenianihnenvorbeiriesigeMillionengeschäfte<br />
abwickeln? Und vor allem: Wie<br />
kauft man Hunderttausende Kilogramm<br />
Uran ein, ohne dass es im Konzern auffällt?<br />
Scheinbar mühelos öffnet<br />
Bykow die Türen in Ministerien<br />
und zu Medwedjew<br />
Als Wolfgang Heni im Frühjahr 2001<br />
nach Moskau fliegt, begleiten ihn gleich<br />
mehrere EnBW-Manager. Man will die<br />
Schlagkraft eines russischen Lobbyisten<br />
testen. Und tatsächlich: Scheinbar mühelos<br />
öffnet dieser Andrej Bykow die Türen in<br />
Ministerien und zu einem gewissen Dmitrij<br />
Medwedjew, damals enger Mitarbeiter<br />
des Präsidenten Wladimir Putin und später<br />
dessen Nachfolger. Die Gäste aus<br />
Deutschland sind schwer beeindruckt. Bykow,<br />
so ist man sich einig, sei der richtige<br />
Mann, um EnBW auch Zugang zu russischem<br />
Gas zu verschaffen.<br />
DerdamaligeEnBW-VorstandschefGerhard<br />
Goll persönlich habe ihm den Auftrag<br />
erteilt, seine guten und langen BeziehungeninRussland<br />
zunutzen,„umeinen möglichenGasbezuganGazpromvorbeiauszuloten“.<br />
So trägt es Heni Jahre später, am 22.<br />
Juni 2004, ausweislich des Protokolls im<br />
Vorstand der EnBW AG vor. Da war Goll<br />
schon nicht mehr im Amt. Auf SZ-Anfrage<br />
wollten Heni und sein Anwalt sich zu dem<br />
gesamten Komplex nicht äußern.<br />
Wolfgang Heni und Andrej Bykow liefen<br />
sich Mitte der Neunzigerjahre erstmals<br />
über den Weg. Zwei sehr unterschiedliche<br />
Männer: Unscheinbarer Kaufmann der eine,<br />
schillernder Selbstdarsteller mit Hang<br />
zum Religiösen der andere. Ab 2001 werden<br />
die Beziehungen immer enger. Bykow<br />
nimmt Heni zu einem Besuch bei SüdafrikasPräsidentNelsonMandelanachJohannesburg<br />
mit. Heni wird Kuratoriumsmitglied<br />
in einer Stiftung Bykows, und der hält<br />
eineRede,alsdasrussischeAtomministerium<br />
Heni eine Urkunde verleiht.<br />
Mitte der Neunzigerjahre besorgt Wolfgang<br />
Heni der EnBW Nuklearmaterial aus<br />
BeständenderRotenArmee.DieRussenhaben<br />
die Kontrolle über ihre in dem riesigen<br />
LandverstreutenatomarenWaffenbestände<br />
zum Teil verloren. Die Angst geht um,<br />
waffenfähiges Plutonium könnte in terroristische<br />
Hände gelangen. Es ist ein von<br />
den höchsten politischen Ebenen beider<br />
Staaten gewollter Deal, den Heni und Bykowabwickeln:EnBWerhältrelativgünstiges<br />
Material für seine Kernkraftwerke –<br />
Russlandhatein Sicherheitsproblemweniger<br />
und verdient auch noch daran.<br />
EnBW-internistHenisengeZusammenarbeit<br />
mit Andrej Bykow kein Geheimnis.<br />
Am 24. Juni 2004 schreibt Heni eine<br />
E-Mailan EnBW-VorständeundAufsichtsräte.<br />
Es geht um ein bevorstehendes Geheimtreffen<br />
in Berlinzum Thema NuklearsicherheitinRussland.ErfügteinachtseitigesDossierzumThemaan.Esgehtum„Easy-Toll“,<br />
ein geplantes Überwachungssystem<br />
für Atomtransporte in Russland ähnlichdemMautsystemToll-Collectaufdeutschen<br />
Autobahnen.<br />
In der Schweiz wird die Firma Easy Toll<br />
SystemsSAgegründet;BykowwirdihrPräsident.<br />
Im Verwaltungsrat sitzt von Januar<br />
<strong>2006</strong> bis März 2008 EnBW-Vorstand Zimmer,<br />
anschließend bis Oktober 2009 Wolfgang<br />
Heni. Easy-Toll, eines der Projekte,<br />
die Heni eigenmächtig betrieben haben<br />
soll,wirdsogarThema imEnBW-Vorstand.<br />
BeieinerSitzungam20.Mai2005stelltHeni<br />
das Projekt mit einer 14-seitigen Power-<br />
Point-Präsentation vor. Der Vorstandsvorsitzende<br />
Utz Claassen nennt den Plan laut<br />
Protokoll „hervorragend“, lobt „den hohen<br />
Einsatz und das große Engagement“ aller<br />
Beteiligten und dankt Zimmer und Heni<br />
für deren „sehr gute Arbeit“.<br />
AuchinpunctoGasistHeni weiterunterwegs<br />
– mit Bykow. Ein von beiden eingefädelter<br />
Einstieg der EnBW bei der Erschließung<br />
von Gasfeldern im russischen Kharampour<br />
scheitert 2002. Als Wolfgang HenisechsJahrespäterinUrengojwieeinTourist<br />
in die Kamera lächelt, ist eine EnBW-<br />
Beteiligung dort im Gespräch. Am Ende<br />
kommt alles ganz anders.<br />
Vorigen Donnerstag gab EnBW stolz bekannt,<br />
man habe einen Zehn-Jahresvertrag<br />
mit einem ausländischen Gaslieferantenabgeschlossen.Gesamtvolumen:<br />
Sechs<br />
Milliarden Euro. Um den Lieferanten<br />
macht die EnBW ein großes Geheimnis. Es<br />
soll sich um Novatek handeln, nach Gazprom<br />
die Nummer zwei in Russland. Wer<br />
das Geschäft eingefädelt hat, wollte EnBW<br />
auch auf zwei Nachfragen nicht mitteilen.<br />
Es soll Wolfgang Heni gewesen sein.<br />
HEUTE<br />
Montagsinterview<br />
Bundestagspräsident Lammert<br />
kritisiert die „gigantischen<br />
Einkommensunterschiede“. 16<br />
Politik und Markt<br />
Die Serie von Umweltsünden<br />
ausländischer Multis in<br />
Schwellenländern hält an. 17<br />
Unternehmen<br />
Der Aufsichtsrat sucht einen Chef<br />
für Opel. Er soll die Geschäfte<br />
nur kommissarisch führen. 18<br />
Geld<br />
Visa und Mastercard beenden<br />
Streit mit dem Einzelhandel<br />
über illegale Absprachen. 20<br />
R www.sz.de/wirtschaft