20.07.2012 Aufrufe

Fußball-Wm 2006 angeblich gekauft

Fußball-Wm 2006 angeblich gekauft

Fußball-Wm 2006 angeblich gekauft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

26 JETZT.DE<br />

Montag, 16. Juli 2012, Nr. 162 DEFGH<br />

VON MAX SCHARNIGG<br />

Köpfer<br />

Grundsätzlich: Der Köpfer, auch Köpper,<br />

Hecht oder formaljuristisch Kopfsprung<br />

genannt,istnatürlichderKlassikerdeskleinen<br />

Stapellaufs. Er markiert für die meisten<br />

Höhepunkt und auch schon das Ende<br />

der Beckenspringer-Entwicklung.<br />

So geht’s: Meistens beginnt das Herantasten<br />

an den Kopfsprung mit einem in der<br />

BeugeversteinertenEinkippenindieFlachwasserzone<br />

des Beckens. Unabdingbar<br />

wichtig ist dabei, dass die Arme fest vornüber<br />

an den Kopf gepresst sind. Dergestalt<br />

stellt man sich schlotternd ganz dicht an<br />

den Rand, verkleinert in Zeitlupe den Winkel<br />

zur Erdoberfläche und lässt dann die<br />

Schwerkraft den Rest erledigen. Das sieht<br />

letztlich meist aus, als wäre man beim Purzelbaumversteinertwordenundendetbisweilen<br />

in einem halben Salto inkl. Rückenprellung.SpäterwirdderKöpferaktiveran<br />

Pussy Riot nennt sich eine 2011 gegründete<br />

Punk-Performancegruppe, die gegen die<br />

Regierung Putin aufbegehrt. Als sie Anfang<br />

2012 den Song „Mother of God, Cast<br />

Putin Out!"“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale<br />

performte, wurden drei<br />

Mitglieder verhaftet. Vorwurf: Hooliganismus<br />

und Blasphemie. Sowohl das unüblich<br />

schnelle Verfahren als auch die HaftbedingungenwerdenvonAmnestyInternational<br />

kritisiert, viele Unterstützer der Gruppe<br />

versuchen gegen die Verurteilung zu protestieren.<br />

Eine davon ist Elena Vovkova.<br />

Die ehemalige Universitätsdozentin hat im<br />

vergangenen Jahr ihre Laufbahn beendet,<br />

da sie den staatlichen Lehrvorschriften<br />

nicht mehr Folge leisten wollte.<br />

jetzt.de: Elena, wie sind Sie auf Pussy Riot<br />

aufmerksam geworden?<br />

Elena Vovkova: Ich habe ein Video gesehen,<br />

in dem die Mädchen auf dem Dach des Gefängnisses,<br />

in dem Protest-Führer inhaftiert<br />

waren, Musik gemacht haben. Sie beeindruckten<br />

mich durch ihren Mut, ihre<br />

Energie und ihr fantastisches Äußeres. Eine<br />

Mischung aus Kriegern und Engeln, wie<br />

eine himmlische Armee.<br />

Sind Sie Mitglied der Gruppe?<br />

Ich bin kein Teil von Pussy Riot. Ich schätze<br />

sie für das, was sie machen, und tue alles,<br />

wasin meinerMachtsteht,umsiezuverteidigen.<br />

Ich schreibe Artikel im Internet, und<br />

habe, ebenfalls online, die Pussy Riot<br />

School gegründet, in der ich Essaysüber ihre<br />

Aktionen veröffentliche. Außerdem bieteichSeminareüberdieGruppean,protestiere<br />

vor dem Gerichtsgebäude und spreche<br />

in Radio- und Fernsehsendungen.<br />

Kennen Sie Mitglieder von Pussy Riot<br />

persönlich?<br />

MitdenInhaftiertenbinichüberderenVerteidiger<br />

in Kontakt und unterstütze sie, indem<br />

ich ihnen Briefe schreibe. Ich bin Mitglied<br />

des Occupy-Court-Lagers, das sich<br />

vor dem Gerichtsgebäude befindet, und<br />

ich vermute, dass einige Mädchen dort<br />

auch zu Pussy Riot gehören.<br />

Was will die Gruppe mit ihren Aktionen<br />

erreichen?<br />

Demokratie, faire Wahlen, Putins Rücktritt,<br />

Freiheit, die Trennung von Staat und<br />

Kirche, Unabhängigkeit der Frau, Gleichstellung<br />

Homosexueller. Der Feminismus<br />

in Russland steckt noch in den Anfängen<br />

und auch einige Feministen stimmen nicht<br />

mitPussyRiotüberein.Siefindensiezuaggressiv.<br />

Ich denke, dass ihr Stil eine Antwort<br />

auf die Gewalt der neuen Diktatur ist.<br />

Warum reagiert die russische Regierung<br />

so heftig auf die Gruppe?<br />

Putin glaubt wohl,dass er von Gottgesandt<br />

wurde und eine Mission hat. Aus der unabhängigen<br />

Kirche wurde eine Staatskirche,<br />

das hat nur noch wenig mit dem christlichen<br />

Glauben zu tun. Die Mädchen machen<br />

darauf aufmerksam.<br />

Wie denkt die russische Bevölkerung<br />

über die Gruppe?<br />

Der durchschnittliche Russe stimmt nicht<br />

gegangen, das bedeutet, mit Abstoßen und<br />

ansatzweisegekrümmterFlugbahn.Umeinen<br />

Kopfsprung wie in der „Cliff“-Duschgel-Werbung<br />

hinzukriegenbrauchtesaber<br />

schonehereineKlippealsdenBeckenrand.<br />

Der macht’s: Eigentlich jeder, Kinder als<br />

Mutprobe, junge Männer als Pflichtübung,<br />

junge Frauen als sportlicher Nachweis.<br />

Was bleibt: Im Idealfall sollte der Köpfer<br />

gestreckt eintauchen und also wenig spritzen.<br />

Klappt vom Beckenrand aber nicht so<br />

gut, meistens tauchen Hände, Kinnpartie<br />

und Torso gleichzeitig ein. Sieht dann auch<br />

uneleganter aus als eine gute Kerze.<br />

Kerze<br />

Grundsätzlich:DieKerze istderBasic-Einstieg<br />

ins Wasser, für alle, die sonst lieber<br />

TreppeoderRutschenehmen.Sieistdas allerfrühste<br />

Wagnis und ziemlich bald dann<br />

nur noch Objekt des Spotts. Wer als Junge<br />

jenseits des elften Geburtstags noch Kerze<br />

ins Freibadbecken macht, der darf jeden-<br />

mit den Taten der Pussy Riots überein, findet<br />

es aber in Ordnung, wenn sie aus dem<br />

Gefängnis entlassen würden. Die Kirchenfundamentalisten<br />

sähen sie am liebsten<br />

fürimmerimGefängnis.Danngibteswenige,<br />

die sie als Talente sehen. Intellektuelle,<br />

KünstlerundDemonstrantenundunzählige<br />

Menschen unterstützen uns online.<br />

Wie haben Sie auf die Verhaftung der<br />

drei Mitglieder reagiert?<br />

Meine Freunde und ich haben vor dem Gerichtsgebäude<br />

protestiert. Ich habe einen<br />

runden Tisch organisiert, um über Pussy<br />

Riot zu sprechen. Viele bezeichnen sie als<br />

Rowdys und Huren und ich wollte zeigen,<br />

dass sie intellektuell orientiert sind.<br />

Wer sind die drei Frauen, die im Gefängnis<br />

sitzen?<br />

Nadezhda Tolokonnikova hätte in diesem<br />

Jahr eigentlich an derUniversität ihren Abschluss<br />

gemacht. Sie studiert Philosophie<br />

und ist einer der besten Studenten ihres<br />

Jahrgangs. Sie und ihr Mann Petr Verzilov<br />

warenMitgliedervonVoina,einerStraßenkunstgruppe,die<br />

radikale Proteste initiiert<br />

hat. Maria Alekhina ist Dichterin, ihr Gedichtband<br />

ist kürzlich veröffentlicht worden.<br />

Ekaterina ist Fotografin.<br />

Was wissen Sie über die Haftbedingungen?DieBedingungensindschrecklich.DieZimmer<br />

sind zu warm mit viel zu vielen Menschen.<br />

Als die Mädchen in den Hungerstreik<br />

getreten sind, haben sie Einzelzimmerbekommen.Nadezdhahatgesundheitliche<br />

Probleme und hat die benötigten Medikamente<br />

nicht bekommen. Während der<br />

fallsim Schulbus nicht auf einen Platz ganz<br />

hinten hoffen. Andererseits machen Taucher,<br />

die vom Forschungsboot in den Pazifik<br />

springen ja auch immer nur Kerze. Aber<br />

das weiß man eben mit elf noch nicht.<br />

So geht’s: Eine Hand gerade an den Körper<br />

gelegt, die andere hält verkrampft die Nasenspitze<br />

zugepresst, Augen werden ebenfalls<br />

zugehalten, es folgt ein einziger großer<br />

Schritt ins Offene – platsch. Die Anfangskerze<br />

ist kein Sprung, sondern eher<br />

ein Straucheln. Später geht's ohne Nasenklemme<br />

und mit Körperstreckung.<br />

Der macht’s: Alle irgendwann. Denn die<br />

Kerze ist auch das Mittel der Wahl, wenn<br />

man sich sprungtechnisch in die Höhe<br />

wagt. Beim ersten Sprung vom Fünfmeter-<br />

Turm hört der Spaß auf, da macht erstmal<br />

keiner was anderes als eine Kerze. Auch<br />

nicht die aus dem Bus ganz hinten.<br />

Was bleibt: Die Erkenntnis, dass man mit<br />

einer guten Kerze auch im Vier-Meter-Becken<br />

auf den Grund kommt und deswegen:<br />

ein süßsaurer Schauder der Tiefe.<br />

ganzenZeithattensiekeineMöglichkeit,ihre<br />

Familien und ihre Kinder zu sehen.<br />

Wie ist der Status quo?<br />

Die Anklage lautet Blasphemie und Hooliganismus.<br />

Das könnte sieben Jahren Haft<br />

einbringen. Sie haben drei Verteidiger. Der<br />

entscheidende Gerichtstermin wurde verschoben<br />

und sie dürfen wegen Fluchtgefahr<br />

das Gefängnis nicht verlassen. Und<br />

das, obwohl 53 Menschen, inklusive mir,<br />

unterschrieben haben, dasswir für sie bürgen.NadezhdaundMariahabenihrenHungerstreik<br />

beendet, da sie krank wurden.<br />

Ekatarina isst noch immer nichts.<br />

Wieso wurde der Prozess verschoben?<br />

Ich denke, mit einem Prozess im Sommer<br />

versuchtman,allesunterden Tischzu kehren,dennimSommersindvieleRussenunterwegs.<br />

Ich fürchte, sie werden verurteilt,<br />

ohnedasssieBeachtungbekommenund in<br />

ein abgelegenes Gefängnis gebracht. Das<br />

war schon bei Chodorkowski so.<br />

Was machen Sie aktuell, um der Gruppe<br />

zu helfen?<br />

Ich schreibe Briefe, zum Beispiel an den<br />

ErzbischofvonYork,derpolitischerGefangener<br />

war, oder an das Jeston Institut. Gemeinsam<br />

mit anderen organisiere ich Proteste<br />

und es gibt eine Liste, auf der Schauspieler,<br />

Musikerund Künstlerunterschrieben<br />

haben. Wir haben sie gebeten, Bilder<br />

von Pussy Riot auf ihren Konzerten zu zeigen<br />

und wir organisieren PussyRiot-Festivals.<br />

Was fehlt ist Unterstützung aus dem<br />

Westen, die wir dringend brauchen.<br />

INTERVIEW: EVI LEMBERGER<br />

Ins Wasser!<br />

Vom Beckenrand zu springen ist verboten. Trotzdem macht es jeder, es geht nur darum, auf welche Art.<br />

Eine kleine Typologie der wichtigsten Figuren<br />

„Mischung aus Kriegern und Engeln“<br />

Elena kämpft für die in Moskau inhaftierte Band „Pussy Riot“<br />

Am 2.Juli spielten Faith No More ein Konzert in Moskau, dabei durften Mitglieder von<br />

Pussy Riot auf ihre inhaftierten Kolleginnen aufmerksam machen. FOTO: REUTERS<br />

Bauchplatscher<br />

Grundsätzlich: Bauchplatscher verhalten<br />

sich zu Wassersport wie Rülpsen zu Rhetorik.<br />

Sie sind meistens vorher nicht geplant,<br />

sondern Universalergebnis nahezu jeden<br />

missglückten Sprungs.<br />

So geht's: Als Bauchplatscher zählt alles,<br />

wasbreitflächig undunvorbereitetKörperteile<br />

und Wasseroberfläche zusammenbringt<br />

und auch Weichteile nicht ausspart.<br />

Anlass kann ein halbherziger Salto, ein<br />

falsch verstandener Kopfsprung oder,<br />

schlimmster Fall, eine plötzliche Unentschlossenheit<br />

während des Fluges sein.<br />

Dermacht’s:Erstmalkeinerfreiwillig.Ausnahme<br />

sind aufgedrehte Jungs die ihre<br />

Schmerzfreiheit damit unter Beweis stellen<br />

wollen. Zu beobachten sind aber gelegentlich<br />

auch Menschen, die im Besitz eines<br />

stattlichen Bauches sind und diesen<br />

eben nun einmal gewinnbringend einsetzen<br />

möchten<br />

Was bleibt: Hämische Schadenfreude der<br />

Lehrer-Blogs, das klingt nach der späten<br />

Rache für Bewertungsseiten wie spickmich.de.<br />

Auf dem Portal werden Lehrer<br />

von Schülern nach fachlicher Kompetenz<br />

und Beliebtheit bewertet. Dass das nicht<br />

immer nett ausfällt, ist klar. Trotzdem ist<br />

die Rache keine richtige, denn anders als<br />

die Lehrer auf spickmich.de werden die<br />

Schüler in den mittlerweile mehr als 150<br />

Lehrer-Blogs nicht beim Namen genannt.<br />

Dennoch werden die bloggenden Lehrer<br />

immermehr. Vor einem Jahr waren es noch<br />

Ausnahmen, inzwischen ist es fast normal,<br />

wenn Referendare, junge Lehrer und auch<br />

solche, die schon 20 Jahre unterrichten,<br />

über ihre Schüler schreiben, über witzige<br />

bis peinliche Antworten in Schulaufgaben,<br />

freche Sprüche und andere Anekdoten.<br />

Jan-Martin Klinge, 30, ist Mathe-, Physikund<br />

Techniklehrer an einer Gesamtschule<br />

in Siegen. Seit 2009 schreibt er auf „Ein<br />

Halbtagsblog“ über seinen Alltag als Lehrer.<br />

Er bloggt über die Top-Ten-Fragen<br />

beim Elternabend, postet Tortendiagramme<br />

mit den Berufswünschen seiner Schüler<br />

(50 Prozent: „Was mit Computern“, 50<br />

Prozent: „Was mit Menschen“) und Memes<br />

im Stil von „What People Think I Do“. Zwischendurch<br />

erklärt er, ganz der Physiklehrer,<br />

was genau passiert, wenn man in der<br />

Mittagspauseaufden LöffelmitSuppepustet.<br />

Seine Schüler sind oft das Thema seinerEinträge,<br />

aber nie nennter ihre Namen.<br />

„Dasverbietetsichvonselbst“,sagter,„außerdem<br />

geht es mir nicht um das Karikieren<br />

von Schülern.“<br />

Manchmal schreibt Jan-Martin Klinge<br />

dann aber doch über den Ärger im Unterricht:<br />

„In der Klasse 10 ist das mit der<br />

Pünktlichkeit so eine Sache“, schreibt er in<br />

einem Eintrag und erzählt, wie ein Teil der<br />

Klasse nach Unterrichtsbeginn erst nach<br />

und nach eintraf. Die Ausreden, einer<br />

schob eine vorgezogene Pinkelpause vor,<br />

deranderemeintenur,dasssiebeidenTheaterproben<br />

einer anderen Klasse zugeschaut<br />

haben, fand er nicht überzeugend,<br />

und schickte sie aus dem Klassenzimmer:<br />

„Dann guckt euch doch noch den Rest der<br />

Proben auch noch an. In meinem Unterricht<br />

habt ihr nämlich nichts verloren“. Auf<br />

seinem Blog macht sich Jan-Martin Klinge<br />

dann Gedanken, ob er das eigentlich darf.<br />

Ganz schön gewagt, wenn man bedenkt,<br />

dass er mit seinem Klarnamen eine echte<br />

Ausnahme im Lehrer-Blog-Kosmos ist.<br />

Die meisten Lehrer bloggen anonym<br />

und nennen ihre Schule nicht. „Ich schreibe,ummichunddieSchuleweiterzuentwickeln.<br />

Ich will einen transparenten Einblick<br />

geben und zeigen, wie Schule heute<br />

seinkann,mitAppsimUnterricht,Lerntheken<br />

und Rätseln. Das geht ehrlich und mit<br />

Namen deutlich besser“, sagt Klinge. Der<br />

Grund für die Anonymität seiner Kollegen<br />

sind nicht Richtlinien des Kultusministeriums,<br />

die gibt es weder auf Bundes- noch<br />

auf Landesebene, sondern ganz einfach<br />

der Datenschutz. Um den zu verletzen,<br />

muss nicht einmal der Name des Schülers<br />

genannt werden, es reicht schon, wenn<br />

man auf der Website erfährt, an welcher<br />

Schule der Lehrer unterrichtet und er über<br />

einen Jungen mit roten Haaren schreibt.<br />

Anders als die Schüler haben die Beamten<br />

Umstehenden und viel Spritzwasser am<br />

Rand, das nur langsam und schmachvoll in<br />

der Sonne verdunstet.<br />

Hebebühne<br />

Grundsätzlich: Kein Sprung, sondern der<br />

Übergang vom Sitzen am Beckenrand zu<br />

Stehen im Wasser.<br />

So geht’s: Verkünden, dass das Wasser<br />

doch ganz schön kalt ist, dann wie bei einer<br />

kompliziertenReckübungdenKörperlangsam<br />

und mit Zehenspitzen voran ins Wasser<br />

ablassen, Atem anhalten oder fröstelnd<br />

rumzischen.<br />

Der macht’s: Alle, denen das Wasser zu<br />

kaltistoderdie AngstvorHerzstillstandhaben.<br />

Außerdem besonders elegante Mädchen,<br />

sonnenmüde Swimmingpool-Beaus<br />

und ja, auch die Badehauben-Omas.<br />

Was bleibt: Die abgelegte Uhr am Beckenrand<br />

und kleine Wasserspritzer, mit denen<br />

sich vorher ordentlich abgefrischt<br />

wurde.<br />

Die Rache, die keine ist<br />

etwas zu verlieren, wenn sie Grenzen überschreiten.<br />

Auch die Referendarin, die seit Juli 2011<br />

unter dem Titel „Paprika goes school“<br />

bloggt, bleibt anonym. Sie bezeichnet sich<br />

nur als „Lehrerin für Kunst & Deutsch in<br />

spe“. Außer, dass sie in Leipzig wohnt, erfährt<br />

man nichts über ihre Person. Dafür<br />

schreibt sie sehr unterhaltsam über die Fotolovestoryausder„Bravo“,diesiezurkritischen<br />

Analyse für ihre siebte Klasse kopiert,<br />

die Panik vor den Unterrichtsbesuchen<br />

ihresSeminarleitersund darüber, wie<br />

sie von einem ihrer Siebtklässler Tipps bekommt,<br />

wie sie sich bei der Planung des<br />

Schulfestes besser durchsetzt („Na, sie<br />

sind noch ziemlich jung, dadurch haben sie<br />

es wahrscheinlich schon mal schwerer. Ich<br />

mein den Respekt und so.“). Manchmal<br />

schreibt sie einfach wütend drauf los:<br />

„Nächste Woche werd ich die Klasse eigenhändig<br />

erwürgen *grrrrr*“, steht in einem<br />

Eintrag, ein anderes Mal erzählt sie, wie sie<br />

ein paar Schülerinnen im Unterricht beim<br />

Nägellackieren erwischt, ihnen in dennoch<br />

nicht trockenen Lack fasst und „Glitzerblau<br />

ist ’ne Scheiß-Farbe“ bescheinigt.<br />

Wie der „Halbtagsblog“ mit seinen physikalisch-technischen<br />

Ausflügen geht<br />

auch „Paprika goes school“ über den Lehrer-AlltagunddasJammernüberdieSchüler<br />

hinaus, und macht damit deutlich, wie<br />

sich Lehrer-Blogs gerade verändern. Sie<br />

postet zum Beispiel Fotos von Klebestreifen,<br />

Fusseln und Blumen, die sie unter ein<br />

Mikroskop gelegt hat, oder Aufnahmen<br />

von Luminographie-Experimenten in ihrer<br />

siebten Klasse mit Taschenlampen,<br />

Farbfolien und Kameras. Auch die angehendeKunst-undGeografie-LehrerinJanina<br />

Scheidmann, 29, postet auf ihrem Blog<br />

Arschbombe<br />

Grundsätzlich: Auch einfach Bombe oder<br />

Paket genannt, ist sie das ironische Ausdrucksmittel<br />

aller Beckenrandcowboys,<br />

die ewige Furcht derjenigen, die sich gerade<br />

abgetrocknet haben und steter Anlass<br />

für Geschimpfe und Gejohle.<br />

So geht’s: Abspringen, Beine anziehen<br />

oder im besten Fall sogar mit beiden Armen<br />

an den Körper binden, das anvisierte<br />

Publikum noch mal breit angrinsen.<br />

Wenn die Arschbombe als Grundlage für<br />

Flirts herhalten muss, besteht eine gewisse<br />

Herausforderung noch darin, sie so nah<br />

wie möglich am Beckenrand zu platzieren.<br />

Dermacht’s: PubertierendeJungsallerAltersklassen.<br />

Wasbleibt:VieleNachahmer beidenJungs<br />

und viele verdrehte Augen bei den Mädchen.<br />

Und natürlich die Schilderung der<br />

kleinenKinder,wiehochdiesmaldieSpritzfontäne<br />

war.<br />

Wenn Lehrer bloggen, wird nicht über Schüler gelästert. Zumindest nicht nur<br />

Vom Pult zum Blog, das ist mittlerweile durchaus üblich für Lehrer – auch inklusive<br />

ironischer Annäherungen an ihren Beruf. FOTO: OH<br />

ILLUSTRATION: KATHARINA BITZL<br />

„kunstkrempel“ neben Hefteinträgen und<br />

Schulaufgaben eigene Illustrationen, Fotos<br />

und Ergebnisse einer Diskussion mit<br />

Schülern über die Definition von „Kunst“.<br />

Vor einiger Zeit waren eher ältere die<br />

StarsderSzene,wiedieMittvierziger „Herr<br />

Rau“, „Frl. Rot“ oder „Frau Freitag“, die<br />

eben das zweite Buch herausgebracht hat,<br />

das auf ihrem Blog basiert. Am Anfang<br />

überwogen bei ihnen noch Anekdoten und<br />

das Jammern über die Schüler, Geschichten<br />

vom Spicken mit MP3-Player unterm<br />

Kopftuch,von68Klausuren,dienochkorrigiert<br />

werden müssen, und der Klassenfahrt,<br />

für die sie noch keine Begleitperson<br />

haben. Das Auskotzen und Abschließen<br />

mit einem Schultag ist nach wie vor ein<br />

Grund für Lehrer zu bloggen, aber nur<br />

nocheinTeilaspekt,vielleichtweildieBlogger<br />

jünger werden und neben Referendaren<br />

schon Lehramtsstudenten von ihrem<br />

Weg zum Beruf berichten.<br />

Immer mehr Lehrer schreiben im Netz<br />

auch über Dinge jenseits des Klassenzimmers.<br />

Die Lehramtsanwärterin für die<br />

Grundschule „Frau A.“, 24, postet auf ihrem<br />

Referendar-Blog „Der steinige Weg“<br />

Fotos von Tafelbildern, Hefteinträgen und<br />

dererstenMathe-Schulaufgabe,sieberichtet<br />

aberauch über Apps, diesieals Lehrerin<br />

gut findet, oder über bildungspolitische<br />

Themen wie den Lehrermangel in manchen<br />

Bundesländern.<br />

Warum man Lehrerblogs liest? Weil man<br />

sich doch gerne an Schulaufgaben und an<br />

Linolschnitte erinnert – vor allem wenn<br />

man sie nicht mehr selbst machen muss.<br />

KATHRIN HOLLMER<br />

VERANTWORTLICH: M. SCHARNIGG (I.V.)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!