20.07.2012 Aufrufe

Fußball-Wm 2006 angeblich gekauft

Fußball-Wm 2006 angeblich gekauft

Fußball-Wm 2006 angeblich gekauft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SPORT<br />

DEFGH Nr. 162, Montag, 16. Juli 2012 HF3 21<br />

SCHIEDSRICHTERREFORM<br />

Nur noch<br />

Teilzeit-Zahnarzt<br />

VON JOHANNES AUMÜLLER<br />

Es ist gar nicht so einfach, für den<br />

Begriff „Schiedsrichter“ genügendSynonymezufinden.„Unparteiischer“<br />

mag ja noch gehen, aber schon<br />

„Referee“ ist für die Anti-Anglizismen-<br />

Fraktion ein Graus, und vom „Mann in<br />

Schwarz“ kann wirklich keine Rede<br />

mehr sein, seit sich die Spielleiter auch<br />

bunte Trikots anziehen. Doch zum Glück<br />

hat eines Tages jemand entdeckt, dass<br />

diese Schiedsrichter alle noch irgendeinen<br />

Beruf haben und aus irgendeinem<br />

Ort stammen – weshalb sich Konstruktionen<br />

wie der „Zahnarzt aus Kaiserslautern“,<br />

der „Bankkaufmann aus Ergolding“<br />

oder der „Jurist aus München“ einen<br />

hübschen Platz im <strong>Fußball</strong>reportagen-Jargon<br />

erarbeitet haben.<br />

Ein Teil der <strong>Fußball</strong>-Welt hat damit<br />

aber Probleme. Wie kann es sein, dass in<br />

diesem durch und durch professionalisierten<br />

Sportbetrieb an so exponierter<br />

Stelle noch Zahnärzte, Bankkaufleute<br />

und Juristen, mithin also aus sportlicher<br />

Sicht: Amateure, wirken? Müsste dort<br />

nicht ein Profi-Schiedsrichter hin?<br />

Der Deutsche <strong>Fußball</strong>-Bund hat sich<br />

nun zum wiederholten Mal, und gegen<br />

den Wunsch von Fifa-Chef Sepp Blatter,<br />

gegen den Profi-Ansatz entschieden. Er<br />

belässt seine Schiedsrichter formal im<br />

StatusvonAmateuren.Abererbezahltihnen<br />

– zusätzlich zu den Einsätzen pro<br />

Spiel – ab sofort noch ein ansehnliches<br />

Fixgehalt pro Jahr. Spitzenkräfte kommen<br />

so auf bis zu 200 000 Euro pro Jahr.<br />

Von „Halbprofis“ ist jetzt die Rede. Die<br />

Schiedsrichter können nun noch etwas<br />

mehr als bisher als Teilzeit-Zahnärzte<br />

und Teilzeit-Juristen arbeiten und müssen<br />

sich weniger sorgen, wenn sie sich<br />

einmal verletzen. Der DFB wiederum<br />

mussbei einemLeistungseinbrucheines<br />

Schiedsrichters kein Arbeitnehmerverhältnis<br />

berücksichtigen.<br />

InsofernistdieReformokay.Entscheidender<br />

als der formale Status sind aber<br />

die drängenden inhaltlichen Fragen zum<br />

Schiedsrichterwesen. Wie sieht es beispielsweise<br />

mit der technischen Unterstützung<br />

aus? Anders als der HalbprofischiedsrichterkommtdieTorlinientechnologie<br />

in der Bundesliga nämlich nicht<br />

mit dem Start der neuen Saison, sondern<br />

frühestens im Sommer 2013. Das ist den<br />

Verantwortlichen aufgrund des engen<br />

Zeitplanes nicht zwingend anzukreiden<br />

– aber es ist bezeichnend. Zudem ließe<br />

sich über mehr Transparenz in Berufungs-undBeurteilungsfragendebattieren.<br />

Beispielsweise war in den vergangenen<br />

Jahren bisweilen irritierend, welcher<br />

Schiedsrichter den Sprung in die<br />

Erstliga-Gruppe schaffte. Und schließlich<br />

sind weder die Folgen der Amerell/Kempter-Causa<br />

noch die staatsanwaltschaftlichen<br />

Ermittlungen gegen<br />

mehrals20UnparteiischewegenSteuerhinterziehung<br />

vollends aufgearbeitet.<br />

Geld und Technik<br />

Mehr Unterstützung für die Schiedsrichter<br />

Altensteig-Wart – Deutschlands Spitzen-<br />

Schiedsrichter dürfen sich neben einer finanziellen<br />

Grundabsicherung auch über<br />

die Einführung technischer Hilfsmittel ab<br />

derSaison 2013/14 freuen. Mit der Zahlung<br />

eines Fixgehaltes von mindestens 15 000<br />

und maximal 40 000 Euro will der Deutsche<br />

<strong>Fußball</strong>-Bund (DFB) die Rahmenbedingungen<br />

für die Referees weiter professionalisieren.<br />

„Profi-Schiedsrichter wird<br />

es aber auch künftig nicht geben“, stellte<br />

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am<br />

SamstagbeiderSchiedsrichtertagunginAltensteig-Wart<br />

klar. Damit bleibt der DFB<br />

auf Konfrontationskurs zu Fifa-Präsident<br />

Sepp Blatter. Nach dem Willen des Schweizers<br />

sollen bei der WM 2014 nur noch<br />

hauptamtliche Schiedsrichter zum Einsatz<br />

kommen. „Das machen wir nicht. Die<br />

Schiedsrichter bleiben in ihren Jobs, haben<br />

jetzt aber mehr Freiräume, die sie für die<br />

Spiele einfach brauchen“, sagte Niersbach.<br />

Insgesamt gibt der DFB pro Saison zusätzlicheineMillionEurofürdieUnparteiischenaus.„Das<br />

isteinwunderbares Signal,<br />

über das wir sehr froh sind“, erklärte<br />

Schiedsrichter-Boss Herbert Fandel. Neben<br />

dem Grundgehalt und den Spielhonoraren,<br />

die in der Bundesliga unverändert<br />

3800 Euro und in der 2. Liga 2000 Euro betragen,<br />

erhalten die Unparteiischen ab sofortaucheinebesseremedizinischeBetreuung.<br />

Künftig steht ihnen bei jedem Einsatz<br />

ein Physiotherapeut zur Verfügung.<br />

Die deutschen Spitzenschiedsrichter –<br />

Wolfgang Stark, Felix Brych, Florian Meyer,<br />

Manuel Gräfe und Deniz Aytekin – kassieren<br />

von nun an die Maximalsumme von<br />

40 000Euro, dieanderenFifa-Referees sowie<br />

die Bundesliga-Schiedsrichter mit<br />

mehralsfünfJahrenErfahrung30000.Alle<br />

anderen Unparteiischen in der Bundesliga<br />

erhalten 20 000 Euro, in der 2. Liga werden15000Eurogezahlt.Nebenderfinanziellen<br />

Unterstützung wird es für die Referees<br />

bald auch technische Hilfe bei kniffligen<br />

Spielsituationen geben. „Der DFB und<br />

der Ligaverband sind für die Einführung<br />

der Torlinientechnologie. Das geht aber<br />

nicht vor der Saison 2013/14“, erklärte<br />

Niersbach. Er rechnet nicht damit, dass die<br />

Technik auch im DFB-Pokal zum Einsatz<br />

kommt, weil sie für die Amateurvereine zu<br />

teuer ist. „Da geht es um die Einheitlichkeit<br />

des Wettbewerbes. Deshalb sehe ich das<br />

nicht“, meinte der DFB-Chef. Torrichter<br />

lehnte Niersbach ab. DPA<br />

VON THOMAS KISTNER<br />

München–UnterDruckgeratendurchDokumente<br />

der Schweizer Justiz, die seine<br />

Mitwisserschaft im Korruptionsgeflecht<br />

um den <strong>Fußball</strong>-Weltverband belegen, hat<br />

Fifa-Präsident Sepp Blatter am Sonntag<br />

um sich geschlagen. Dabei machte er<br />

Schlagzeilen mit kaum verhohlenen Korruptionsvorwürfen<br />

gegen seineKritikerim<br />

deutschen <strong>Fußball</strong> – und offenbar einen<br />

schweren Fehler. Denn in seinem Interview<br />

mit dem Schweizer SonntagsBlick behauptet<br />

Blatter, er habe von SchmiergeldernanbestechlicheFifa-FunktionäreerstnachträglichimJahr2001erfahren.Ermittlungsergebnisse<br />

und Zeugenaussagen zeigen<br />

jedoch anderes.<br />

Das Schweizer Gerichtsdokument zum<br />

Fall der früheren Rechte-Agentur ISL wurdeamvergangenenMittwochpublik.Esbelegt<br />

Schmiergelder in Millionenhöhe an<br />

Blatters Vorgänger João Havelange und<br />

dessen Ex-Schwiegersohn Ricardo Teixeira.<br />

Und vor allem: dass Blatter davon wusste,<br />

in mindestens einem Fall sogar konkret<br />

von einer Millionenzahlung an Havelange,<br />

die irrtümlich auf einem Fifa-Konto gelandet<br />

war. Der Vorgang fand nach Aktenlage<br />

und Zeugenaussagen im März 1997 statt –<br />

vier Jahre vor dem Konkurs der ISL 2001.<br />

Dessen ungeachtet unterschrieb Blatter<br />

Monate später, am 12. Dezember 1997, mit<br />

Havelange für die Fifa einen neuen MarketingvertragmitderISLfürdieWM-Turniere<br />

2002 und <strong>2006</strong>. Schon damals, bei den<br />

Bieterverfahren umdieTV-und dieMarketingrechte,warvonkonkurrierendenAgenturen<br />

Blatters Prozedere als parteiisch gerügtworden;derwardamalsFifa-Generalsekretär.<br />

Eric Drossart, Topmanager der<br />

Sportagentur IMG, beklagte sich, das Bieterverfahren<br />

laufe auf zwei Ebenen ab, „eine<br />

für die ISL und eine für alle anderen“. Er<br />

bezeichneteBlatters nebulöseZwischenbescheide<br />

auf seine Offerten als „kosmetische<br />

Übungen“, um die Fifa gegen „künftige<br />

Vorwürfe der unfairen und unsauberen<br />

Wettbewerbsführung zu schützen“.<br />

Die DiskrepanzzwischeneinerSchmiergeldüberweisunganno1997mitBlattersoffenkundiger<br />

Kenntnisnahme einerseits<br />

und andererseits den jüngsten Beteuerungen,<br />

erst 2001 von ISL-Zahlungen erfahren<br />

zuhaben,bedarfdringend derAufklärung.<br />

Fehler sieht Blatter in seiner gesamten<br />

Verhaltensweise vorläufig nicht. Per Fifa-<br />

Erklärung am Donnerstag bezeichnete er<br />

SchmiergelderalsProvisionen,diemandamals<br />

„als Geschäftsaufwand sogar von den<br />

Steuern“ habe abziehen können. Man könne<br />

nicht heutige Maßstäbe anlegen: „Ich<br />

kann also nicht von einem Delikt gewusst<br />

haben, welches keines war.“ Sätze wie diese<br />

fliegen ihm international um die Ohren.<br />

München – Auf einmal hatte Charles<br />

Dempsey genug. Der Neuseeländer erhob<br />

sich,murmelte etwasvon persönlichen Bedrohungen<br />

und verließ den Raum, in dem<br />

sich das 24-köpfige Exekutivkomitee des<br />

Weltfußballverbandes Fifa versammelt<br />

hatte, um den Ausrichter der WM <strong>2006</strong> zu<br />

küren.EnglandundMarokkowarenausgeschieden.<br />

Alles war auf ein Unentschieden<br />

zwischen Deutschland und Südafrika hinausgelaufen,<br />

was für Deutschland dennoch<br />

gleichbedeutend mit einer Niederlage<br />

gewesen wäre: Denn Fifa-Chef Sepp<br />

Blatter unterstützte den Gegner, und bei<br />

Pattsituationen entscheidet die Stimme<br />

des Vorsitzenden. Es stand zwar nicht zehn<br />

zu zehn, wie sich Blatter im SonntagsBlick<br />

kurioserweise erinnert, aber es stand zwölf<br />

zu zwölf. Doch wegen Dempseys mysteriösem<br />

Verhalten hatten sich die Mehrheitsverhältnisse<br />

in dem Gremium verschoben.<br />

EineEnthaltung,elfStimmenfürSüdafrika,<br />

zwölf Stimmen für Deutschland. Die<br />

vonBundeskanzlerGerhardSchröderange-<br />

Ein Angriff – und ein Fehler<br />

Der unter Druck geratene Fifa-Chef Sepp Blatter geht mit seinem Korruptionsvorwurf gegen die deutschen WM-Bewerber von <strong>2006</strong> in die Offensive.<br />

In der aktuellen Fifa-Schmiergeldaffäre behauptet er unterdessen, erst 2001 Details erfahren zu haben – was der Aktenlage widerspricht<br />

Dass ihn auch DFB-Chef<br />

Niersbach angreift, ließ Blatter<br />

wohl die Contenance verlieren<br />

Ein schöner Schreibtisch ist das, im Fifa-Hauptquartier. Doch die Zahl derer, die wollen, dass Sepp Blatter dort nicht mehr lange sitzt, wächst. FOTO: SONNTAGSBLICK / GORAN BASIC<br />

Besonders in Deutschland. Wie Blatter nun<br />

selbstbestätigt,hatihnLigapräsidentReinhardRauballpersönlichzumRücktrittaufgefordert.„RauballhatmichamFreitagangerufenund<br />

mirgesagt,ich sollezurücktreten.“<br />

Er habe Rauball gesagt, das sei nicht<br />

so einfach – die bizarre Begründung:<br />

„Schließlich bin ich vom Kongress gewählt.“<br />

Ist es Fifa-Präsidenten etwa verboten,auseigenemAntriebihrAmtzurVerfügung<br />

zu stellen?<br />

Als wendig „wie ein Aal“ beschrieb unlängst<br />

Bayern Münchens Vorstandschef<br />

Karl-Heinz Rummenigge den Fifa-Boss,<br />

und so schlängelt er sich auch diesmal<br />

durch das Minenfeld. Dass ihn allerdings<br />

neben Rauball auch Wolfgang Niersbach<br />

angreift, ließ Blatter nun womöglich die<br />

Contenanceverlieren.Niersbach,derPräsi-<br />

führte deutsche Delegation jubelte, das<br />

Sommermärchen nahm Gestalt an.<br />

Seitjenem6. Juli2000istnichtabschließend<br />

geklärt, was den greisen Neuseeländer<br />

zu diesem Schritt veranlasste. Das berühmtgewordeneJux-FaxdesSatiremagazins<br />

Titanic, das Dempsey in der Nacht vor<br />

der Abstimmung im Grand Hotel Dolder in<br />

Zürich erhielt und das ihm als Gegenleis-<br />

tung für eine Stimme für Deutschland einenPräsentkorbmitSchwarzwälderSpezialitäten<br />

sowie eine Kuckucksuhr versprach,<br />

war eher nicht der Grund. Es verstellt<br />

vielmehr den Blick auf jene Gerüchte,<br />

die sich in fußballerischen und politischen<br />

Kreisen seitdem halten – dass nämlich in<br />

den Stunden vor der Wahl ein Koffer mit<br />

250 000 Dollar durchs feine Züricher Hotel<br />

transportiert worden sei. Fedor Radmann,<br />

damals Vizepräsident des deutschen WM-<br />

dent des Deutschen <strong>Fußball</strong>-Bundes<br />

(DFB), attackierte Blatter am Samstag<br />

scharf in der ISL-Affäre: „Die Reaktion des<br />

Fifa-Präsidenten hat mich geschockt.<br />

Wenn nicht unbedeutende PersönlichkeitenderFifa<br />

Geldkassierthabenund dieReaktiondaraufist,dassdasdamalsnichtverbotenwar,dannkönnenwirunsalsDFBdavon<br />

nur klar distanzieren.“<br />

Blatters offenkundige Retourkutsche<br />

folgte im SonntagsBlick, wo er ohne Not die<br />

Vergabe derWM <strong>2006</strong> an Deutschland thematisiert:<br />

„Gekaufte WM – da erinnere ich<br />

mich an die WM-Vergabe für <strong>2006</strong>, wo im<br />

letzten Moment jemand den Raum verließ.<br />

Und man so statt 10 zu 10 bei der Abstimmung<br />

ein 10 zu 9 für Deutschland hatte. Ich<br />

bin froh, musste ich keinen Stichentscheid<br />

fällen. Aber, na ja, es steht plötzlich einer<br />

Organisationskomitees, sagte am Sonntag<br />

dem Tagesspiegel, auf den Neuseeländer<br />

sei es gar nicht angekommen: „Dempsey<br />

hattedemDFBzugesichert,zuerstfür EnglandzustimmenundnacheinemAusscheiden<br />

Englands für Deutschland.“ Das darf<br />

man allerdings bezweifeln: Vom ozeanischenKontinentalverbandhatteerdieWeisung<br />

erhalten, Südafrika zu unterstützen.<br />

Doch nicht nur wegen des Verhaltens<br />

des vor vier Jahren verstorbenen Charles<br />

Dempsey war das Zustandekommen des<br />

Entscheids pro Deutschland dubios. Ende<br />

der neunziger Jahre hatte die entscheidendePhase<br />

fürdieBewerbung begonnen –eine<br />

Bewerbung, die nicht nur der Deutsche<br />

<strong>Fußball</strong>-Bund (DFB) unterstützte, sondern<br />

auch die Politik und der Fernsehrechteinhaber<br />

Leo Kirch, der sich von einem Turnier<br />

in Deutschland mehr Einnahmen versprach<br />

als von einem am Kap. So ging also<br />

Franz Beckenbauer für die Fotografen und<br />

Fernsehkameras auf Weltwerbetournee,<br />

die ihn bis in die Südsee führte. Nette Bil-<br />

auf und geht. Vielleicht war ich da auch zu<br />

gutmütig und zu naiv.“ Auf Nachfrage, ob<br />

er vermute, die WM <strong>2006</strong> in Deutschland<br />

sei <strong>gekauft</strong> gewesen, antwortet Blatter:<br />

„Nein, ich vermute nichts. Ich stelle fest.“<br />

Wie sicher sich Blatter auf dem Fifa-<br />

Thron fühlt, den er 1998 unter affärenreichen<br />

Umständen eroberte, lässt er wiederholt<br />

anklingen. So schließt er eine fünfte<br />

Amtszeit ab 2015 nicht aus, auch hält er<br />

sich die – kaum erkennbare – interne Reform<br />

unter Mark Pieth zugute. Wobei sich<br />

der Basler Compliance-Experten durch<br />

Blatters nun angekündigte Lust auf eine<br />

fünfte Amtszeit massiv düpiert fühlen<br />

müsste.ZudenVorschlägenseinerReform-<br />

Gruppe zählt ja auch der, die Amtszeit des<br />

Präsidenten auf zwei Laufzeiten zu beschränken.<br />

Pieth hatte bereits am Samstag<br />

der, die faktisch aber nur wenig einbrachten.DennwährendBeckenbaueröffentlichkeitswirksam<br />

um die Welt jettete, bastelten<br />

die Strippenzieher zu Hause an einer<br />

Mehrheitinjenem 24-Mann-Gremium namensExekutivkomitee,indemesvonskandalumranktenMitgliedernnursowimmelte.DieachtStimmendeseuropäischenBlockes<br />

durften sie schnell als sicher erachten:<br />

vor allem als Revanche für den Ausgang<br />

der Fifa-Präsidentenwahl 1998, als der europäischen<br />

Kandidat Lennart Johansson<br />

überraschend Blatter unterlegen war.<br />

Dochwosollten dieübrigenVoten herkommen?<br />

Von den afrikanischen Mitgliedern<br />

des Gremiums wegen des Gegenkandidaten<br />

Südafrika ehernicht. Vonden amerikanischen<br />

eher auch nicht, weil deren einflussreichstenLeutedamalsenganderSeite<br />

von Blatter standen.<br />

Das soll nicht heißen, dass die deutschen<br />

Strategen bei den Funktionären aus<br />

diesen Kontinenten gleich aufgaben. Als<br />

wenigeWochenvorderAbstimmungMitarbeiter<br />

von Kirch in vier ausgesuchten VerbändendieVerwertungsrechtefürFreundschaftsspiele<br />

mit Beteiligung des Beckenbauer-Klubs<br />

FC Bayern erwarben, zählten<br />

dazu auch die von Tunesien und Trinidad<br />

&Tobago,woherdiebeidenFifa-Wahlmänner<br />

Slim Chiboub und Jack Warner kamen.<br />

Doch in erster Linie richtete sich der Blick<br />

der Strippenzieher auf eine andere Gruppe:<br />

den asiatischen Block.<br />

Vier Asiaten saßen damals im Exekutivkomitee:<br />

Mohammed Bin Hammam (Katar),<br />

Abdullah Al-Dabal (Saudi-Arabien),<br />

Chung Mong-joon (Südkorea) und Worawi<br />

Makudi (Thailand). Einerseits war dieses<br />

Quartett noch sauer, weil Fifa-Chef Blatter<br />

demasiatischenVerbandeinenversprochenen<br />

zusätzlichen WM-Startplatz verwehrte.<br />

Doch zugleich war merkwürdig, was<br />

sich in den Wochen vor der Züricher Entscheidung<br />

auf dem politischen und wirtschaftlichenTerrainabspielte.DastiegbeispielsweiseDaimlerChrysler,dasüberMercedes-Benz<br />

zu den wichtigsten Sponsoren<br />

desDFBzählt,beimsüdkoreanischenAutohersteller<br />

Hyundai ein – Fifa-Wahlmann<br />

Chung ist der sechste Sohn des Hyundai-<br />

Gründers. Da verkaufte eine Firma des<br />

im Deutschlandfunk erklärt, dass er weiter<br />

auf Blatter setze. Nur dieser könne auf die<br />

Mitglieder des Fifa-Vorstands einwirken<br />

und seine Vorschläge durchfechten.<br />

Auch eine Amtszeitbeschränkung? Es<br />

wirdabsurd,inderinternationalen Compliance-Branche<br />

wächst das Unverständnis,<br />

Pieth scheint seinen guten Ruf zu verspielen.Kritisiertwirdetwa,dassPiethbehauptet,erbraucheBlatterunbedingtfürdieReform.<br />

Warum eigentlich? Blatter habe doch<br />

gerade mit seinen verharmlosenden Äußerungen<br />

über Schmiergelder alle Prinzipien<br />

vonNull-ToleranzundguterGeschäftsführung<br />

„ad absurdum geführt“, sagt Sylvia<br />

Schenk von Transparency International,<br />

„jetzt kann auch jeder Wettbetrüger sagen,<br />

gewisse Dinge seien in seinem Land nicht<br />

direkt verboten.“<br />

Der dreizehnte Mann<br />

Freundschaftsspiele, Panzerfäuste und ein plötzlicher Abschied: Dem Mehrheits-Votum für Deutschland bei der WM-Vergabe <strong>2006</strong> gingen zahlreiche Merkwürdigkeiten voraus<br />

War es ein Titanic-Fax? Oder doch<br />

ein Koffer mit 250 000 Dollar?<br />

Natürlich gewinnt Deutschland, wer denn sonst? Bundeskanzler Gerhard Schröder, Franz Beckenbauer, Claudia Schiffer und Boris<br />

Becker (von rechts nach links) gaben sich kurz vor der Abstimmung im Jahr 2000 zuversichtlich. FOTO: DPA<br />

Entscheidend ist<br />

der asiatische Block<br />

Thailänders Makudi plötzlich deutsche<br />

Edelkarossen – wobei: Es war gar nicht seine<br />

Firma, wie er später erklärte, sondern<br />

die Firma seiner Frau. Da kam es zu diversen<br />

Investitionen deutscher Dax-KonzerneinAsien.UnddafälltederBundessicherheitsratunterKanzlerSchröderniedementierten<br />

Berichten zufolge den Beschluss,<br />

1200 Panzerfäuste nach Saudi-Arabien zu<br />

liefern,zudessenKönigshausauchderFifa-<br />

Vorstand Al-Dabal zählt. Ein Zusammenhang<br />

wird von allen Beteiligten bestritten,<br />

und doch stimmte das asiatische Quartett<br />

inderentscheidenden Sitzunggeschlossen<br />

für Deutschland, wie Bin Hammam später<br />

selbst zugab.<br />

Das Problem: Selbst die Voten der acht<br />

Europäer und der vier Asiaten reichten<br />

noch nicht. Nun stand es ja erst zwölf zu<br />

zwölf,beieinerPattsituationwürdediePräsidentenstimme<br />

Sepp Blatters entscheiden.<br />

Noch sprach immer alles für eine WM<br />

<strong>2006</strong> in Südafrika. Musste nun noch einer<br />

dervorherumgarntenKandidatenausAfrika<br />

oder Amerika umkippen, um die Mehrheit<br />

für Deutschland zu sichern?<br />

Nein. Dennplötzlich verließder Neuseeländer<br />

Charles Dempsey das Fifa-Hauptquartier.<br />

JOHANNES AUMÜLLER<br />

Wie man nicht auftritt<br />

Investor Michael Kühne setzt<br />

die HSV-Führung weiter<br />

unter Druck 22<br />

Mit Badehose und Flipflops<br />

Der stille Rad-Sprinter André Greipel<br />

gewinnt zum dritten Mal<br />

eine Tour-Etappe 23<br />

Nachricht an Vitali<br />

Boxer David Haye demonstriert,<br />

dass er den Klitschkos auf<br />

Augenhöhe begegnen kann 24<br />

Ergebnisse 24<br />

R www.sz.de/sport<br />

HEUTE

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!