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DEFGH Nr. 162, Montag, 16. Juli 2012 POLITIK<br />
HF3 5<br />
Ende<br />
der Alleingänge<br />
Wegen ihres Versagens bei der Aufdeckung der Neonazi-Morde<br />
sollen die Sicherheitsbehörden umgebaut werden – nur wie?<br />
VON TANJEV SCHULTZ<br />
München–EineReformderSicherheitsbehörden<br />
halten alle Parteien für notwendig.<br />
Wie sie aussehen soll, ist jedoch umstritten,<br />
auch innerhalb der Bundesregierung.<br />
Während Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger<br />
(FDP) die Zahl<br />
der Ämter für Verfassungsschutz reduzieren<br />
will, sieht Innenminister Hans-Peter<br />
Friedrich (CSU) das Problem nicht in der<br />
Zahl der Behörden, sondern in der Effizienz,<br />
mit der sie arbeiten. In den vergangenen<br />
Tagen haben drei Behördenleiter ihren<br />
Postenaufgegeben,im BundesamtfürVerfassungsschutz<br />
sind hochrangige Beamte<br />
versetzt worden. Als Nachfolger des scheidendenPräsidentenHeinzFrommistHans-<br />
Georg Maaßen im Gespräch, Leiter der AbteilungTerrorbekämpfungimInnenministerium.Derpersonelle<br />
Umbau kann Strukturreformen<br />
ergänzen. In der Diskussion<br />
sind derzeit eine ganze Reihe von Punkten:<br />
Fusion und Aufgabenbegrenzung der<br />
Landesämter für Verfassungsschutz<br />
Bisher hat jedes Bundesland einen eigenen<br />
Verfassungsschutz. Kleine Ämter, etwa die<br />
derStadtstaaten,könntenmitanderenfusionieren.<br />
Denkbar wäre auch, sie alle dem<br />
Bundesamt zu unterstellen. Kritiker dieser<br />
Idee befürchten, dass dies die Kontrolle<br />
des Geheimdienstes eher noch erschweren<br />
Es spielt auch eine Rolle,<br />
dass viele Beamte ihr Wissen<br />
generell ungern teilen<br />
würde. In der Diskussion ist zudem eine<br />
Aufgabenbegrenzung: Die Landesämter<br />
könnten zum Beispiel die Spionageabwehr<br />
dem Bundesamt in Köln überlassen. Politikern<br />
der Linken und auch etlichen der Grünen<br />
wäre das alles noch zu wenig. Sie halten<br />
den Inlandsgeheimdienst insgesamt<br />
fürüberflüssig.DerBunddeutscherKriminalbeamter<br />
sieht es ähnlich und schlägt<br />
vor, die Aufgaben beim Staatsschutz im<br />
BKAunddenLandeskriminalämternanzusiedeln.DagegensprichtdasTrennungsgebot.<br />
Polizei und Geheimdienst arbeiten in<br />
Deutschland getrennt – eine Lehre aus der<br />
Tyrannei des Nationalsozialismus.<br />
Den MAD abschaffen<br />
Für eine Auflösung des Verfassungsschutzes<br />
gibt es derzeit keine politischen Mehrheiten.WenigersicherkannsichderMilitärische<br />
Abschirmdienst (MAD) sein. Seine<br />
Notwendigkeit wird seit Längerem kritisch<br />
diskutiert, und die FDP fordert, die Aufgaben<br />
des MAD dem Verfassungsschutz zu<br />
übertragen. Der MAD soll extremistischen<br />
Tendenzen in der Bundeswehr entgegentreten.<br />
An der erfolglosen Suche nach dem<br />
untergetauchtenTerrortrioausJena war er<br />
beteiligt. Er führte offenbar eigene V-Leu-<br />
Merkel will Europa<br />
„verbindlicher machen“<br />
Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
hält die Kanzlermehrheit bei der bevorstehenden<br />
Bundestagsabstimmung über die<br />
Milliardenhilfe für Spanien nicht für notwendig.<br />
„Wir bekommen immer die Mehrheiten,<br />
die wir brauchen“, sagte die CDU-<br />
Vorsitzende am Sonntagabend im ZDF.<br />
Und bei der Abstimmung am Donnerstag<br />
sei rechtlich nur die einfache Mehrheit der<br />
Stimmen notwendig. Bei der Verabschiedung<br />
des Euro-Rettungsschirms ESM Ende<br />
Juni hatte die Koalition die symbolisch<br />
wichtige Kanzlermehrheit verfehlt. Mit ihrerErklärungwillMerkelnunoffenbarkritischer<br />
Berichterstattung vorbauen. Denn<br />
auch bei der Spanien-Abstimmung scheint<br />
dieschwarz-gelbe Koalitionwegenzahlreicher<br />
Abweichler in den eigenen Reihen die<br />
Kanzlermehrheit zu verpassen.<br />
In dem „Sommer-Interview“ erklärte<br />
die CDU-Chefin die Bundestagswahl 2013<br />
auch zur Abstimmung über den Euro und<br />
Europa. Im nächsten Jahr werde natürlich<br />
überdie Frageabgestimmt,„wostehtEuropa<br />
und welche Vorstellungen haben wir<br />
von Europa“, sagte Merkel. Sie und die<br />
christlich-liberale Koalition stellten sich<br />
Europa als eine Stabilitätsunion vor, „die<br />
sich weltweit auch behaupten kann“. Bei<br />
der europäischen Einigung gebe es allerdings<br />
einen Nachholbedarf. „Wir müssen<br />
Europa verbindlicher machen“, sagte Merkel.<br />
Bei der Einführung des Euro sei es versäumt<br />
worden, eine „politisch engere Zusammenarbeit“<br />
zu vereinbaren.<br />
Der europäische Fiskalpakt zur Begrenzung<br />
der Neuverschuldung sei ein erster<br />
Schritt auf diesem Weg. Die Institutionen<br />
der EU müssten künftig aber auch mehr<br />
Möglichkeiten bekommen, Länder zu bestrafen,<br />
die europäische Vereinbarungen<br />
ignorierten. Als Beispiel nannte Merkel neben<br />
der Haushaltspolitik die EU-weiten<br />
Vorgabenzu AusgabenfürForschungszwecke.<br />
Die Hälfte der Mitgliedsländer halte<br />
sich nicht daran, waszu Lasten derWettbewerbsfähigkeit<br />
der gesamten Union gehe.<br />
Merkel bekräftigte, dass sie die Union<br />
im Wahlkampf als Kanzlerkandidatin anführen<br />
werde. Die Arbeit mache ihr immer<br />
noch „Spaß“. Im Wahlkampf werde man<br />
„damit werben, dass wir weiter auf Wohlstandskurs<br />
bleiben wollen, und dass wir<br />
die Herausforderungen – demografischer<br />
Wandel, Integration von Migrantinnen<br />
und Migranten – entschieden voranbringen<br />
müssen.“ Hier gebe es noch genug Arbeit.<br />
Sie sei aber „ganz optimistisch, dass<br />
uns das gelingt“. ROBERT ROSSMANN<br />
te und war Teil des unübersichtlichen Nebeneinanders<br />
verschiedener Ämter.<br />
Besserer Informationsaustausch zwischen<br />
den Sicherheitsbehörden<br />
Der Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutzämtern<br />
und zwischen diesenundderPolizeiwarimFalldesNeonazi-<br />
Terrorsunzureichend. Beim Geheimdienst<br />
spielt eine Rolle, dass viele Beamte ihrWissengenerellungernteilen.GesetzlicheVorgaben<br />
kommen dazu: So sind die Landesämter<br />
nicht verpflichtet, ihre Operationen<br />
dem Bundesamt zu melden. Und in der Zusammenarbeit<br />
mit der Polizei haben sich<br />
dieVerfassungsschützersogarbeiMordermittlungen<br />
hinter vermeintlichem DatenundQuellenschutzunddemTrennungsgebotverschanzenkönnen.VieleInnenpolitiker<br />
halten gesetzliche Klarstellungen und<br />
ein Kooperationsgebot für notwendig. Kritiker<br />
befürchten, dass die Sicherheitsbehörden<br />
am Ende noch mehr Daten sammeln<br />
und austauschen als bisher, zu Lasten<br />
der Bürgerrechte. Vor Kurzem haben<br />
Bundestag und Bundesrat bereits die Einrichtung<br />
einer Neonazi-Datei beschlossen.<br />
Risiken von V-Leuten begrenzen<br />
Viel Kritik gibt es am Einsatz von V-Leuten<br />
beim Verfassungsschutz. V-Leute sind in<br />
der jeweiligen Szene angeworbene Spitzel,<br />
die für Informationen bezahlt werden. Geheimdienstmitarbeiter<br />
halten einen Einsatz<br />
von V-Leuten für unabdingbar, um<br />
überhaupt einen Zugang zu bestimmten<br />
Gruppenzufinden.Kritikersehen darineine<br />
staatliche Subvention für Extremisten.<br />
Sie verlangen, auf die Spitzel zu verzichten<br />
undsichaufandereMethodenzubeschränken,<br />
wie Observation, Telefonüberwachung<br />
oder den Einsatz verdeckter Ermittler<br />
– also von Beamten, die in die Szene gehen.<br />
Eher mehrheitsfähig dürfte eine stärkere<br />
Kontrolle des V-Leute-Einsatzes sein.<br />
So könnte dieser von der Zustimmung eines<br />
Richters abhängig gemacht werden.<br />
Denkbar wäre auch, die parlamentarischenGremienvertraulich<br />
überV-Leutezu<br />
informieren, auch über deren Identität.<br />
Stärkere Kontrolle durch das Parlament<br />
Die Abgeordneten, die in parlamentarischen<br />
Kontrollgremien die Geheimdienste<br />
überwachen sollen, fühlen sich mit ihrer<br />
Aufgabe oft überfordert. Sie hängen stark<br />
ab von den Informationen, die ihnen die<br />
Dienste und die Regierung liefern. Sie haben<br />
nur wenige eigene Mitarbeiter, um<br />
selbst recherchieren und eine effektive<br />
Kontrolle wahrnehmen zu können. Die Abgeordneten<br />
der Opposition müssen zudem<br />
befürchten, dass die Regierungsfraktion<br />
sie anunangenehmen Recherchen hindert.<br />
Eine Reform könnte die Kontrollbefugnisse<br />
der einzelnen Abgeordneten ausweiten.<br />
Dafürwäreeswohlnotwendig,invielenFällen<br />
den Geheimnisschutz weniger restrik-<br />
München – Der Kauf einer Steuer-CD mit<br />
Daten von etwa 1000 Kunden des Zürcher<br />
AblegersderPrivatbankCouttsdurchnordrhein-westfälische<br />
Finanzbehörden wird<br />
vermutlich politische Konsequenzen haben.<br />
Denn nach diesem Geschäft ist es<br />
noch unwahrscheinlicher geworden, dass<br />
das Steuerabkommen zwischen Deutschland<br />
und der Schweiz wie geplant am 1. Januar<br />
2013 in Kraft treten kann.<br />
Dem im September 2011 unterschriebenen<br />
– aber noch nicht ratifizierten – Abkommen<br />
könne Nordrhein-Westfalen in<br />
der ausgehandelten Form nicht zustimmen,<br />
erklärte der Düsseldorfer Finanzminister<br />
Norbert Walter-Borjahns (SPD) am<br />
Wochenende. „Ohne Zustimmung der rotgrün<br />
geführten Länder im Bundesrat kann<br />
es nicht in Kraft treten. Da ist es nur folgerichtig,dasswirunsnichtschonjetztsoverhalten,<br />
als ob das Abkommen bereits gelten<br />
würde.“ Parallel zum Kauf der Coutts-<br />
CDprüfenNRW-ErmittlerweitereAngebote<br />
von Datenlieferanten. Schweizer Regierungskreise<br />
zeigten sich verärgert über<br />
Berlin – Dass es für Kristina Schröder besonders<br />
gut läuft, würde sich vermutlich<br />
nicht einmal ihr Sprecher zu behaupten<br />
trauen. Die Bundesfamilienministerin hat<br />
sich mit ihrem Einsatz für das Betreuungsgeld<br />
und gegen eine feste Frauenquote viele<br />
Feindinnen gemacht. Mit dem Buch<br />
„Danke, emanzipiert sind wir selber!“ verprellte<br />
sie dann auch noch die wohlmeinendsten<br />
Geschlechtsgenossinnen.<br />
Schlimmer geht’s nimmer, dachten ihre<br />
Kritikerinnen. Doch Kristina Schröder hat<br />
sie jetzt eines besseren belehrt.<br />
Die Christdemokratin hat die Spitze ihres<br />
Ministeriums an zwei wichtigen Stellen<br />
umgebaut – und damit einen neuen Proteststurm<br />
bis hinein in die eigenen Reihen<br />
ausgelöst. Zum Staatssekretär ernannte<br />
Schröder keine engagierte Frau, sondern<br />
den Niedersachsen Lutz Stroppe. Der<br />
MannwarjahrelangBüroleitervonAltkanzler<br />
Helmut Kohl. Gleichzeitig versetzte<br />
SchröderihrewichtigsteExpertinfürFrauenpolitik<br />
mit sofortiger Wirkung in den<br />
einstweiligen Ruhestand. Die 53-jährige<br />
Eva Maria Welskop-Deffaa leitete bisher<br />
Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm musste gehen – aber das allein reicht nicht für einen Neuanfang. FOTO: PETER/REUTERS<br />
tiv zu handhaben als heute. Derzeit haben<br />
die Parlamentarier wenig Möglichkeiten,<br />
Einblick in laufende Operationen der Geheimdienste<br />
zu gewinnen. Auch die Aktenführung<br />
in den Ämtern bedarf, wie die<br />
jüngsten Schredder-Aktionen gezeigt haben,<br />
einer strengeren Aufsicht.<br />
Einfluss des BKA ausweiten<br />
Bei den erfolglosen Ermittlungen zu der<br />
Mordserie, die nun der Zwickauer Zelle angelastet<br />
wird, hat das BKA zunächst nur<br />
„amKatzentisch“gesessen.SohabenesAbgeordnete<br />
im Untersuchungsausschuss<br />
des Bundestags formuliert. Eine Übernahme<br />
durch das BKA wäre keine Garantie dafür<br />
gewesen, die richtige Spur zu finden.<br />
Doch man hätte sich viele Reibereien zwischen<br />
den diversen Sonderkommissionen<br />
erspart. Deshalb plädieren manche Politi-<br />
den weiteren Kauf einer Steuer-CD. In dem<br />
Abkommen verzichten beide Länder auf<br />
den Erwerb solcher Datenträger. „Beide<br />
VertragspartnersindandasAbkommengebunden,<br />
solange der Ratifizierungsprozess<br />
läuft“, sagte der Sprecher des zuständigen<br />
Staatssekretariats für internationale Finanzfragen<br />
(SIF) der in Zürich erscheinenden<br />
Sonntagszeitung. Bundesfinanz-<br />
Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU)<br />
sagtederZeitungNeueWestfälische:„Zwielichtige<br />
CD-Käufe sind kein dauerhaftes<br />
rechtsstaatliches Prinzip.“ Es könne nicht<br />
sein,dassNRWdasAbkommenimBundesrat<br />
blockiere und sich andererseits „als Robin<br />
Hood der Steuerzahler“ darstelle.<br />
Aber auch in der Schweiz ist das Abkommen<br />
nicht unumstritten. Verschiedene Organisationen<br />
haben ein Referendum auf<br />
den Weg gebracht. Falls die notwendigen<br />
50 000 Unterschriften zusammenkommen,<br />
wird die Schweiz im November über<br />
das Steuerabkommen mit Deutschland<br />
und über Abkommen mit Großbritannien<br />
und Österreich abstimmen.<br />
die Abteilung „Gleichstellung und Chancengleichheit“.SiewarfürvieleFrauenverbände<br />
so etwas wie die letzte Hoffnung im<br />
Schröder-Ministerium – entsprechend<br />
groß ist jetzt der Aufschrei.<br />
Die Sprecherinnen der 1600 kommunalenFrauenbeauftragteninDeutschlandbeklagen<br />
in einem gemeinsamen Brief an die<br />
Bundeskanzlerin das „bestürzende Signal“.<br />
Wegen des Rauswurfs der „äußerst<br />
kompetenten,gut informiertenundstrategischklugenAnsprechpartnerin“Welskop-<br />
Deffaa habe man „die Gewissheit verloren“,<br />
zusammen mit dem Ministerium an<br />
einem Ziel zu arbeiten. Die Gruppe der<br />
FraueninderUnionsfraktion(GdF)reagiertenichtminderentsetzt.OffenäußernwolltesichaberkeinederAbgeordneten,siestehen<br />
im Streit um Frauenquote und Betreuungsgeld<br />
schon jetzt unter erheblichem<br />
Druck.UndsosagteGdF-ChefinRitaPawelski<br />
lediglich: „Wir haben die Abteilungsleiterin<br />
als sehr kompetent erlebt.“ Über Kristina<br />
Schröder hat die GdF noch keine derartigen<br />
Komplimente verloren. Eine offizielle<br />
Begründung für den Rauswurf der Ab-<br />
ker dafür, die Ermittlungen routinemäßig<br />
dem BKA zu überlassen, wenn in einem<br />
Fall mehrere Bundesländer betroffen sind.<br />
Wie beim Verfassungsschutz könnten die<br />
Gewichte zwischen Bundesamt und Landeskriminalämtern<br />
neu verteilt werden.<br />
Ende des Jahres wird BKA-Chef Jörg Ziercke<br />
aus dem Amt scheiden. Sein Nachfolger<br />
soll Helmut Teichmann werden, meldetdieBild.EristderzeitChefdesLeitungsstabes<br />
im Verteidigungsministerium. Das<br />
Innenministerium teilte mit, es beteilige<br />
sich nicht an Personalspekulationen.<br />
Mehr Rechte für Generalbundesanwalt<br />
Bisher hat der Generalbundesanwalt (GBA)<br />
wenig Spielraum, um Fälle an sich zu ziehen.<br />
Neue Vorgaben könnten ihm klare Initiativrechte<br />
geben. Er dürfte dann selbst<br />
prüfenundbeurteilen,obeineTatetwawe-<br />
Nordrhein-Westfalen hat seit 2007 fünf<br />
CDs erworben mit Angaben über deutsche<br />
Steuerhinterzieher,dieihrGeldinLiechtenstein,<br />
der Schweiz oder Luxemburg gebunkert<br />
hatten. Das Land bezahlte dafür zwischen<br />
2,5 Millionen Euro und 4,6 Millionen<br />
Euro. In einem der Fälle bat der Lieferant<br />
um eine Spende an eine gemeinnützige Organisation;<br />
er wollte kein Geld für sich.<br />
Dem Kauf der neuen CD gingen nach Informationen<br />
der SZ zähe Preisverhandlungenvoraus.Der<br />
Unbekanntesoll3,5 Millionen<br />
Euro gefordert, aber am Ende weniger<br />
als drei Millionen Euro erhalten haben.<br />
„Auch für Steuersünder-CDs gibt es einen<br />
Markt“, sagt ein mit dem Sachverhalt vertrauter<br />
Experte. Zwar gehe es nun um teils<br />
große Vermögen im zweistelligen Millionenbereich,<br />
aber „jetzt ist möglicherweise<br />
gen des Verdachts eines terroristischen<br />
Hintergrunds in seine Zuständigkeit fiele.<br />
Derzeit ermittelt der GBA im Fall der Zwickauer<br />
Zelle. Bei den früheren Ermittlungen<br />
in der Mordserie blieb er außen vor.<br />
Die Ausbildung der Beamten verbessern<br />
Die Borniertheit, mit der manche Polizisten<br />
und Geheimdienstler in den Untersuchungsausschüssen<br />
auftreten, erschreckt<br />
Abgeordnete und Zuhörer. Für die Opfer<br />
rassistischer Übergriffe fehlt es manchen<br />
Beamtenoffenbar ander nötigenSensibilität<br />
und Vertrautheit im Umgang mit Einwanderern.<br />
Hilfreich könnte eine bessere<br />
Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter sein.<br />
DieterSchenk,Autor undeinstKriminaldirektor<br />
im BKA, spricht von einer „Ausbildungsinzucht“.<br />
Er fordert ein normales<br />
Universitätsstudium für die Beamten.<br />
die Zeit des Schlussverkaufs gekommen“.<br />
Falls das Abkommen doch ratifiziert würde,<br />
gebe es keinen Markt mehr.<br />
Das Bundesfinanzministerium war<br />
nicht in den Kauf eingebunden, wird aber<br />
die Hälfte der Kosten tragen. Den Rest teilen<br />
sich die Länder. Die betroffene Privatbank<br />
Coutts, eine Tochter der vor 320 Jahren<br />
gegründeten britischen Royal Bank of<br />
Scotland, ist die Hausbank derQueen. Ausgerechnet<br />
dieses Geldhaus soll bei der Prävention<br />
von Geldwäsche geschludert haben.<br />
Im Frühjahr beschuldigte die britische<br />
Finanzaufsicht die Bank, sie habe es<br />
versäumt,Vorsorge zutreffen,dassausländische<br />
Kunden schmutziges Geld über ihre<br />
Konten waschen konnten.<br />
Bemerkenswert an dem Kauf ist auch,<br />
dass seit Mitte November 2011 verschiedene<br />
deutsche Medien immer wieder über<br />
den geplanten Erwerb der CD berichtet haben,<br />
aber es – anders als in früheren Fällen<br />
– keine Welle von Selbstanzeigen gab. OffenbarspekuliertenAnlegerschwarzerVermögen,<br />
das Abkommen werde in Kraft tre-<br />
Rauswurf der letzten Hoffnung<br />
Familienministerin Kristina Schröder entlässt ihre wichtigste Gleichstellungsexpertin – Frauenverbände und Parteifreundinnen protestieren<br />
Ministerin Kristina Schröder soll die Entlassung<br />
im Bundestag erklären. FOTO: DAPD<br />
teilungsleiterin gibt es nicht, deshalb wird<br />
auchinderUnionmunterspekuliert:Dieeinen<br />
weisen darauf hin, dass Welskop-Deffaa<br />
von Schröders Vorgängerin Ursula von<br />
der Leyen zur Abteilungsleiterin ernannt<br />
worden sei und als deren Ziehkind gelte.<br />
Schröder und von der Leyen seien sich jedoch<br />
genauso innig verbunden wie Ségolène<br />
Royal und Valérie Trierweiler. Schröder<br />
habe Welskop-Deffaa deshalb nicht mehr<br />
in ihrer Nähe haben wollen.<br />
Andere sagen, Schröder habe in der Abteilungsleiterin<br />
ein U-Boot der Frauenunion<br />
in ihrem Ministerium gesehen. FrauenunionschefinMariaBöhmer<br />
undihre Stellvertreterin<br />
Annegret Kramp-Karrenbauer<br />
plädieren – anders als die Ministerin – für<br />
eine feste Frauenquote in Aufsichtsräten,<br />
das Betreuungsgeld sehen sie skeptisch.<br />
Was Schröder genau bewogen hat, weiß<br />
aber niemand aus erster Hand. Sicher ist<br />
nur, dass sich Welskop-Deffaa bei ihren<br />
Auftritten immer loyal gegenüber der Ministerin<br />
verhalten hat.<br />
Die Mutter dreier erwachsener Kinder<br />
hat zwar eine katholische Biografie. Vor ih-<br />
Dresden/Erfurt–Miteinemeher halbherzigen<br />
Dementi hat der sächsische VerfassungsschutzamWochenendeVorwürfezurückgewiesen,wonachderLandesgeheimdienst<br />
noch in jüngerer Zeit Unterlagen mit<br />
Bezug zum rechtsterroristischen Trio „Nationalsozialistischer<br />
Untergrund“ (NSU)<br />
vernichtet haben soll. Entsprechendes war<br />
ineinem Zeitungsberichtvom Samstag behauptetworden.<br />
Unterdessenhatnunauch<br />
ThüringeneineAktenaffäreimZusammenhang<br />
mit dem NSU-Komplex. So bestätigte<br />
die Landespolizeidirektion des Freistaats<br />
einen Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks,<br />
wonach in den vergangenen Tagen<br />
noch etwa 20 Aktenordner, die den NSU-<br />
Komplex betreffen, in Thüringer Polizeistellen<br />
aufgefunden worden seien, von derenExistenz<br />
diePolizeileitungzuvor offenbar<br />
keine Ahnung hatte.<br />
Bei den Unterlagen, insgesamt sollen es<br />
etwa1000Blatt sein, handelt essichum Ermittlungsmaterial,<br />
das die Staatsschützer<br />
im Zusammenhang mit dem „Thüringer<br />
Heimatschutz“ gesammelt hatten – jener<br />
rechtsextremistischen Organisation, der<br />
auchUweMundlos,UweBöhnhardtundBeate<br />
Zschäpe angehört hatten, bevor sie<br />
1998indenUntergrundabtauchten.Inwiefern<br />
die Akten wichtige Erkenntnisse zu<br />
den aktuellen Ermittlungen liefern können,<br />
ist unklar. Bemerkenswert an dem<br />
Fund ist, dass der Auftrag zur Aktensuche<br />
offensichtlich erst Anfang Juli im Rahmen<br />
einerUmstrukturierung der Thüringer Polizei<br />
ergangen war – zuvor hatte offenbar<br />
niemanddarangedacht,dassindenPolizeistellennochUnterlagenschlummernkönnten.<br />
Die Akten wurden entsprechend auch<br />
nicht der Schäfer-Kommission vorgelegt,<br />
die im Auftrag des Thüringer Innenministers<br />
in den vergangenen Monaten mögliche<br />
Pannen bei der Fahndung nach den<br />
drei Rechtsterroristen untersucht hatte.<br />
Auch die Aktenaffäre in Sachsen, als deren<br />
Folge vergangene Woche der Dresdner<br />
Verfassungschef Reinhard Boos seinen<br />
Rücktritt eingereicht hatte, bleibt unübersichtlich.Soistweiterhinunklar,welcheRelevanzzwei<br />
in dervergangenenWoche aufgefundeneAktenmitAbhörprotokollenhabenkönnten:DasichbislangkeineAuswertung<br />
zu den SMS- und Telefonprotokollen<br />
fand, die einen mutmaßlichen Unterstützer<br />
des Trios betrafen, wollen sich die Mitglieder<br />
der Parlamentarischen Kontrollkommission<br />
im Landtag am kommenden<br />
Freitag erneut mit dem Fund befassen.<br />
Unklar ist auch, ob beim sächsischen<br />
Verfassungsschutz möglicherweise doch<br />
wichtigeUnterlagen vernichtetwordenwaren.<br />
Einem Bericht der Leipziger Volkszeitung<br />
zufolge sollen noch im November 2011<br />
zweiOrdner geschreddertworden sein.Dazu<br />
bestätigte das Landesamt in einer Stellungnahme,<br />
dass aufgrund der gesetzlichen<br />
Pflichten personenbezogene Daten<br />
gelöscht wordenseien.Jedochgebees„keine<br />
Anhaltspunkte“, dass davon „auch AktenmitBezugzumFallkomplexNSUbetroffen<br />
sind“. CHRISTIANE KOHL<br />
Deals kurz vor Ladenschluss<br />
Nordrhein-Westfalen kauft eine CD mit Daten von Kunden einer Zürcher Bank. Viele hatten wohl vergeblich auf das mit der Schweiz ausgehandelte Steuerabkommen gehofft<br />
Düsseldorf will dem Abkommen<br />
mit der Schweiz in der jetzigen<br />
Fassung nicht mehr zustimmen<br />
Akten, von denen<br />
sie nichts ahnten<br />
Nach Sachsen offenbart Thüringen<br />
Pannen bei der NSU-Aufklärung<br />
ten, bevor die Fahnder ihre Ermittlungen<br />
einleitenkönnten.Dieneuen Ermittlungen<br />
werden erneut von der Steuerfahndung<br />
Wuppertalkoordiniert.DieSchweizerBundesanwaltschaft<br />
hatte im Frühjahr gegen<br />
zwei derWuppertalerFahnder sowiegegen<br />
einen Düsseldorfer Ermittler Haftbefehle<br />
erlassen. Die Fahnder sollen im Steuerfall<br />
der Credit Suisse <strong>angeblich</strong> „Gehilfenschaft“<br />
zum Datendiebstahl geleistet haben.<br />
Schweizer Behörden behaupten, die<br />
Fahnder hätten Unterlagen nachbestellt.<br />
Die Wuppertaler erklärten dagegen in internen<br />
Vermerken, sie hätten bei der Beschaffung<br />
keine aktive Rolle gespielt. Das<br />
Material sei ihnen angeboten worden. Die<br />
Anstiftung zum Beschaffen solcher Daten<br />
ist auch in Deutschland eine Straftat.<br />
Die Wuppertaler Ermittler haben bundesweit<br />
die größte Erfahrung mit diesem<br />
Metier. Sie koordinieren derzeit die Überprüfungen<br />
im Fall von etwa 1800 Kunden<br />
der Credit Suisse, die mit Hilfe von fingiertenLebensversicherungenSchwarzgeldgetarnt<br />
haben sollen. HANS LEYENDECKER<br />
rer Zeit im Ministerium war sie Grundsatzreferentin<br />
des Katholischen FrauenbundesundReferatsleiterinbeimZentralkomitee<br />
der Katholiken. Trotzdem genießt sie<br />
auch bei SPD und Grünen hohes Ansehen.<br />
Dank ihres Einsatzes für die Frauenpolitik<br />
sitzt sie in einer Vielzahl nationaler und internationaler<br />
Gremien. Unter anderem ist<br />
Welskop-Deffaa Verwaltungsratschefin<br />
des Europäischen Gleichstellungsinstituts<br />
in Vilnius.<br />
„Sie ist eine der am besten vernetzten<br />
Frauenpolitikerinnen“, sagt auch die stellvertretende<br />
Fraktionschefin der Grünen,<br />
Ekin Deligöz. Der Rauswurf zeige, „wie unsouverän<br />
Ministerin Schröder ist“. Die frühereFamilienausschuss-VorsitzendeKerstin<br />
Griese (SPD) hält es „für einen Skandal,<br />
dass eine kompetente Abteilungsleiterin<br />
ein Jahr vor der Wahl rausgeworfen wird“.<br />
GriesehatdeshalbeineAnfrageimBundestag<br />
gestellt. Bis Mitte der Woche muss das<br />
Ministerium jetzt erklären, „aus welchen<br />
politischen oder fachlichen Gründen“ es<br />
Welskop-Deffaa in den Ruhestand versetzt<br />
hat. ROBERT ROSSMANN