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32 MOBILES LEBEN Montag, 16. Juli 2012, Nr. 162 DEFGH<br />

Transalp. Traumpfad. Alpencross. So heißen die Routen von München<br />

nach Venedig, von Oberstdorf nach Meran, von Deutschland<br />

nachItalien.Manmöchtemeinen,das Gebirgemuss baldflachgetreten,<br />

plattgeradelt, eingeebnet sein, so viele Menschen streben jeden Sommer<br />

– und immer öfter auch im Winter – über seine Gipfel, von Norden<br />

nach Süden oder Süden nach Norden. Warum? Es muss ein Zauber liegen<br />

über jenen Wegen und Gipfeln, über den Kämmen und Scharten, den<br />

Jöchln und Satteln. Es muss einen Grund geben, warum dieser Querungsboom<br />

in den Alpen entstand und nicht im Fichtelgebirge, warum kaum jemand<br />

quer durch die Pyrenäen läuft und schon gar nicht über die Abruzzen.EtlicheVeranstalterbietenTourenan,innahezujederFortbewegungsart,<br />

die man sich vorstellen kann, sogar mit Pferden, Eseln oder längst<br />

Wandern<br />

Freiheit. Weite. Glück. Italien! So fühlt sich<br />

der Moment an, in dem man endlich oben<br />

steht am Timmelsjoch. Stundenlang stieg<br />

manauf,anfangsdurchrotblühendeAlpenrosenhänge.<br />

Man durchwatete den Timmelsbach<br />

mangels Brücke, vom Schmelzwasser<br />

weggerissen und so früh im Jahr<br />

noch nicht erneuert. Und folgte dann immer<br />

weiter dem engen Pfad über die kargen<br />

Schafweiden, auf die die Sonne brennt.<br />

Der Blick nach vorne zeigte nur, dass die<br />

Weide noch lange, und ein Schatten nicht<br />

vorhanden war. An ihrem Ende aber wird<br />

mit einem Mal der Blick weit. Diese letzten<br />

Schritte vor dem Augenblick, in dem die<br />

Schafweide endlich durchschritten ist, sie<br />

brennen sich in ein Wandergehirn ein, bekommen<br />

in der Galerie der BergerinnerungenumgehendeinenBarockrahmen<br />

und hängen fortan an einem Ehrenplatz.<br />

Der Moment, in dem sich vor den Augen<br />

die italienischen Alpen aufbauen, in<br />

dem mit jedem Schritt noch ein paar<br />

schneebedeckte, gleißende Gipfel mehr<br />

vor einem hellblauen Himmel auftauchen,<br />

der Moment, in dem man auf einmal<br />

200 Kilometer weit sehen kann und nicht<br />

wie die Stunden zuvor nur die nicht endenwollende<br />

Schafweide anstarren musste –<br />

dieser Moment ist es wert, er ist alles wert,<br />

die Mühe, den Schweiß, die Blasen. Oben.<br />

Es liegt in der Natur der Sache, dass es<br />

dann genauso wieder bergab geht, das Wesen<br />

einer Alpenüberquerung liegt im hinauf<br />

und hinunter, ein bisschen wie das Leben<br />

ist so eine Querung, und so geht man<br />

hier nichtnureinen äußeren,sondernauch<br />

einen inneren Weg. Der äußere ist bezaubernd,<br />

aus dem verregneten Oberstdorf<br />

über die nördlichen Voralpen hoch hinauf<br />

über den noch tief verschneiten Alpenhauptkammbisaufdiesummenden,brummenden,<br />

saftig reichen Blumenwiesen mit<br />

den gesunden Kühen und Haflingern Südtirols.<br />

Der innere ist nicht weniger bereichernd,<br />

mit jeder Etappe wird der Hunger<br />

größer, der Schlaf tiefer, die Seele seliger.<br />

Die Tage bekommen ihren eigenen Rhythmus,<br />

und irgendwann schaut man auf die<br />

zurückliegenden Gipfel und sieht den Weg<br />

sich in der Ferne verlieren und denkt sich,<br />

wie schönesdochwäre,gäbeeskeine Grenzen,<br />

nirgends, nur Natur. BIRGIT LUTZ<br />

Der Alpenquerer gleicht<br />

Sisyphus, denn er erklimmt Höhen<br />

nur, um alsbald wieder hinabzusteigen<br />

und einen neuen Anstieg zu beginnen.<br />

Und doch erfüllt ihn das Meistern dieses<br />

Wegs, nicht sinnlos scheint es ihm, sondern<br />

einen ganz neuen Sinn stiftend.<br />

ILLUSTRATIONEN: KATHARINA BITZL<br />

Der Wirt der Zufallhütte setzte einen ernsten<br />

Blick auf. „Das hat mit Radln fei nix<br />

zum tun“, sagte er und stellte die zwei Teller<br />

Erbsensuppe mit Wursteinlage auf den<br />

Tisch. In der Tourbeschreibung für den Alpencross<br />

per Mountainbike klang das diplomatischer.<br />

Der Autor schreibt da nur<br />

von „Schiebe- und Tragestrecke“ – und<br />

das ist nichts Besonders. Auf dem Weg von<br />

Oberstdorf zum Gardasee und anderen<br />

RoutenwartenständigSchiebe-undTragestrecken<br />

auf den Bergradler. Die BeschreibungderSchleppstreckefürdiesenTagverbrämte<br />

der Autor unseres Führers zwar als<br />

Heldengeschichte. Blitze zucken darin<br />

vom Himmel, es ist die Rede von Kampf,<br />

Kraft und Entbehrungen sowie Orientierung<br />

per Kompass im Nebel. Doch an diesem<br />

Tag war der Himmel über dem Ortlermassiv<br />

blau, die Sonne strahlte, und wir<br />

hatten das Gefühl, dass dieses gewittrige<br />

Heldenepos vom Weg über den Fürkeleferner<br />

zur Fürkelescharte nichts mit unserer<br />

Tagesetappe zu tun hatte.<br />

„Habts wenigstensGrödelnfürdenGletscherdabei?“,fragtederWirtderZufallhütte.<br />

Wir schüttelten den Kopf, schwiegen<br />

und glotzten in die Erbsensuppe. Der Wirt<br />

zog zischend Luft zwischen seine Zähnen<br />

durch. Sein grauer Vollbart wippte, während<br />

er bedächtig den Kopf schüttelte.<br />

Die ersten paar hundert Höhenmeter<br />

nach der Erbsensuppe trugen wir die Räder<br />

über einen engen Pfad. Bis zur Martellerhütte<br />

begleitete uns das Meckern eines<br />

pubertierenden Schwaben, der seiner Familie<br />

mitteilte, dass der nächste Urlaub in<br />

den Bergen ohne ihn stattfinden müsse.<br />

Dann trugen und schoben wir die Räder in<br />

Ruhe über die Rückschmelzhalde vor dem<br />

Fürkeleferner, bis wir den Rand des Gletschers<br />

erreichten. Auf das Eis zu gelangen,<br />

erwies sich als Demütigung: Ein Holländer<br />

beobachtete,wiewir imMatsch einsanken,<br />

mehrmals vom Eis abrutschten und dann<br />

wiejämmerlicheKäfermit zweiRädern auf<br />

den Gletscher krabbelten. Er schüttelte<br />

den Kopf, rief nach seiner Frau und zeigte<br />

ihr die zwei Idioten auf dem Eis. Am Ende<br />

des Gletschers mussten wir die Räder als<br />

AufstieghilfedurchdieSchrofenanderFürkelescharte<br />

nutzen: Wir rammten sie quer<br />

ins Geröll und stiegen hinterher.<br />

Endlich oben, knapp über 3000 Meter<br />

Höhe, jetzt sollte uns die Abfahrt ins Val di<br />

Sole belohnen. Nur war der Weg zu steil, zu<br />

ausgesetzt–Schiebe-Tragestreckestattgeschmeidiger<br />

Downhill. Mit Radeln hatte<br />

das nichts zu tun, aber zum Heldenepos<br />

taugte der Tag. SEBASTIAN HERRMANN<br />

Höhenrausch<br />

Wer als Bergsportler etwas auf sich hält, muss sich mindestens einmal in seinem Leben, am besten einmal pro Jahr, aufmachen<br />

und die Alpen überwinden. Der Gebirgscross ist so beliebt wie nie. Sechs Betrachtungen<br />

Mountainbike<br />

schon in Heißluftballons kann man sich mittlerweile aufden Weg machen,<br />

mantrifftRückwärts-,Barfuß-undWinterbarfußalpenquerer,nurElefanten<br />

gibt es keine mehr, die gab es nur ein einziges Mal. Warum also dieses<br />

Streben über alle Berge?<br />

„Es sind keine Worte für die Größe und Schöne dieses Anblicks“, sagte<br />

Johann Wolfgang von Goethe, der doch sonst so viele Worte kannte. Aber<br />

zu den Alpen fielen ihm nicht gleich die richtigen ein, um zu beschreiben,<br />

was ersah undnochmehrempfand–unddabeifuhrGoethe aufseinenitalienischen<br />

Reisen in seiner bequemen Kutsche nur durch die Täler der Alpen,<br />

auf zahmen Wegen. Auszusteigen und auf einen Gipfel hinaufzuschwitzen,<br />

das kam dem Geistesmenschen nicht in den Sinn. In Klettereien<br />

in dieser Landschaft meinte er sogar etwas Barbarisches, Gottloses zu<br />

Laufen<br />

EsgibteinHandy-Fotovom„4Trails“-Rennen<br />

über die Alpen, das bringt die Sache<br />

auf den Punkt. Darauf ist eine rotweiß karierte<br />

Tischdecke zu sehen und schön darauf<br />

drapiert drei Gläser: ein Humpen Eiskaffee<br />

links, mit Vanilleeis und einem Gebirgszug<br />

aus Sahne drüber; ein eimergroßer<br />

„Coppa con tutto“ rechts, mit allem,<br />

was die Auslage der Eisdiele hergegeben<br />

hat;und in derMitteeine Art Fingerhut voll<br />

mit Tomatensaft. Den hat dann der Holger<br />

zu sich genommen. Das war am Vorabend<br />

der letzten Etappe.<br />

Holger ist Hamburger, und deshalb haben<br />

wir ihn ziemlich aufgezogen. Als Muschelschubser<br />

bei einem Rennen mitmachen,<br />

in dem es in vier Tagen über 160Kilometer<br />

und 9300 Höhenmeter allein im Anstieg<br />

von Garmisch-Partenkirchen nach<br />

Samnaun in der Schweiz geht? Na, dann<br />

lauf doch schon mal den nächsten Deich<br />

hoch, damit du ein paar Trainings-Höhenmeter<br />

sammelst und wenigstens halbwegs<br />

eine Chance hast gegen dickwadige Berganrainer<br />

aus Bayern und Österreich, ne.<br />

Jeden Morgen um 4.30 Uhr klingelte der<br />

Wecker. Wir waren noch am Stöhnen, da<br />

hatte sich Holger bereits die Beine mit wärmendem<br />

Muskelgel eingerieben. Beim<br />

Frühstück schaufelten wir Schwarzbrot,<br />

Wurst und Eier rein, schließlich verbrennt<br />

man beim Berglauf ja Kalorien wie ein<br />

StahlarbeiteraufDoppelschicht.Holgerbestrich<br />

eine Scheibe Toast –mit Honig, nicht<br />

mit Butter. Das war dann auch jeweils die<br />

letzte Gelegenheit des Tages, den Mann<br />

von vorne zu sehen. Berauscht von der für<br />

ihn ungewohnten Höhenluft flog er durch<br />

duftende Kiefernwälder, über ausgesetzte<br />

Grate und glitschige Schneefelder, über<br />

Bachläufe und schmale Kuhsteige. Nicht<br />

einmal unsere psychologischen Tricks<br />

konnten ihn demotivieren: Als wir ihm rieten,<br />

für den höchsten Punkt des Rennens,<br />

dieOchsenscharteauf2800 Höhenmetern,<br />

Steigeisen in den Rucksack zu packen, war<br />

er kurz verunsichert, fiel schließlich aber<br />

doch nicht auf uns herein. Er hat es dann<br />

insgesamt zehn Stunden schneller geschafft<br />

als wir Berganrainer. Das hat er<br />

dannauchanständiggefeiert.Miteinemalkoholfreien<br />

Weißbier. JOCHEN TEMSCH<br />

Gleitschirm<br />

Wer am Übungshang steht, um mit einem<br />

Puls von gut 180 zum allerersten Mal mit<br />

dem Gleitschirm abzuheben, hat, wenn es<br />

gut geht, vielleicht 30 Sekunden Flug vor<br />

sich–unddanach30 Tagelang einHochgefühl,<br />

als hätte er in Champagner gebadet.<br />

Vom Gedanken aber, mit dem Gleitschirm<br />

die Alpen zu überqueren ist er weiter entfernt<br />

als je zuvor, hat er doch eben erst lernen<br />

müssen, wie schwierig es ist, so einen<br />

Fetzen überhaupt in die Luft zu kriegen.<br />

Und selbst nach den ersten hundert richtigenHöhenflügenzeigtderdannschonausgebildete<br />

Pilot höchsten Respekt vor jenen<br />

Kollegen, denen es gelingt, gezielt von A<br />

nach B zu fliegen – wozu man übrigens eine<br />

entsprechende Lizenz braucht.<br />

Es war, wie so oft in diesem Sport, dem<br />

Garmischer Profi Toni Bender vorbehalten,<br />

mit einem Flug vom Brauneck bis zum<br />

Monte Grappa bei Bassano Geschichte zu<br />

schreiben. Er war zwar nicht der erste, der<br />

mit dem Gleitschirm von den nördlichen in<br />

die südlichen Voralpen geflogen ist, aber er<br />

war der erste, der sich dabei hat filmen lassen<br />

und so ein eindrucksvolles Dokument<br />

für diesen so faszinierenden wie einsamen<br />

Sporterstellthat.Denn bisaufeinpaarquäkende<br />

Funksprüche ist man allein in der<br />

Luft, und dass sich die bewegt, spürt man<br />

auch in Benders Film „Glücklicher Ikarus“<br />

(auch auf DVD). „Mir wird schlecht“, jammert<br />

er in die unter dem Flügel installierte<br />

Kamera,nachdemerdieschwierigsteHürde,denAlpenhauptkammbeiHintertuxgeschafft<br />

hat und von der Thermik durchgeschüttelt<br />

wird.<br />

Für den Laien mag das eine der dramatischsten<br />

Szenen der Dokumentation (bei<br />

der die Besten der Szene als Tandempiloten<br />

für die Kameraleute mitwirkten) sein.<br />

Wer selber fliegt, weiß, dass Benders Toplandung<br />

auf der Marmolada und vor allem<br />

der anschließende Start bei Rückenwind in<br />

3300 Meter Höhe nahe an der Grenze zum<br />

Wahnsinn war. Wer also über die Alpen<br />

fliegt,solltediesenAbstecher meiden.BendersendgültigeLandungaberamsüdöstlichen<br />

Fuß des Monte Grappa kann man<br />

auch mit dem Wohnmobil nachvollziehen.<br />

Dashier heimischeRestaurant L’Antica Abbazia<br />

hat die besten Spaghetti der Welt.<br />

Auch für Nichtflieger. KARL FORSTER<br />

erkennen. Vielleicht liegt es an unserer Zeit, in der wir uns, anders als Goethe,<br />

nicht mehr in eine simple Kutsche setzen können und schon zu Entdeckern<br />

werden. In einer Welt, in der wir so viel und so wenig Zeit wie nie hatten,<br />

in der wir uns in Arbeitshamsterrädern befinden, die unsere Seelen<br />

auch nach Feierabend nicht ruhen lassen. In einer Welt also, in der es nicht<br />

mehr reicht, nur auf einen Berg zu steigen und hinunter zu blicken, sondern<br />

auch hier wieder eine Leistung vollbracht, ein Ziel erreicht, ein Abenteuer<br />

erlebt werden muss, um dem eigenen Dasein einen Sinn zu geben.<br />

Vielleicht aber ist der Grund auch ein ganz einfacher, vielleicht steckt gar<br />

nicht viel dahinter. Und die Menschen gehen über diese Berge einfach nur<br />

deshalb, weil sie wunderschön sind. Oder, um mit dem Alpinisten George<br />

Mallory zu sprechen: Weil sie da sind. BIRGIT LUTZ<br />

Tourenski<br />

EsgibtvieleobjektiveParameter,diebeijeder<br />

Skitour wichtig sind. Niederschläge,<br />

Wind, Lawinengefahr. Und es gibt mindestens<br />

genauso viele moderne Hilfsmittel für<br />

deren Überwachung. Peter Schlickenrieder<br />

zog bei seiner Skitransalp in sieben<br />

Tagen von Madonna di Campiglio nach<br />

Oberstdorf aber eine ganz andere, viel archaischere<br />

Orientierungshilfe hinzu.<br />

Der Silbermedaillengewinner im LanglaufSprint<br />

von Salt Lake City ist mit Freunden<br />

den vierten Tag unterwegs, vom<br />

schweizerischen Scuol zur Heidelbergerhütte<br />

bei Ischgl. 30 Kilometer, 2000 Höhenmeter,<br />

eine der kürzeren Etappen.<br />

Nach zwei Stunden wird die Sicht schlechter,<br />

der Wind schärfer, die Orientierung<br />

schwieriger. Irgendwann: White out. Alles<br />

weiß, keine Konturen mehr. Daraus ergeben<br />

sich hitzige Orientierungsdiskussionen<br />

über der Karte. Vier Teammitglieder<br />

vertreten vier Meinungen. Die weitere<br />

Marschrichtung bestimmt der siegreiche<br />

Diskussionsteilnehmer, der Bergführer<br />

wird immer genervter.<br />

Als die Hütte längst erreicht sein sollte,<br />

kann der Guide seine Missstimmung über<br />

die neuerliche Debatte nicht mehr verbergen.<br />

Und zieht seinen letzten Trumpf aus<br />

der Jacke, ein GPS-Gerät, dessen Anzeige<br />

nicht mehr wegdiskutiert werden kann, so<br />

hofft er. Noch während das Gerät einen Satelliten<br />

sucht, schnuppert Schlickenrieder<br />

indieNebelsuppehinein.Nachkonzentriertem<br />

Nachriechen kann er den Geruch zuordnen.<br />

Es ist eine Gulaschsuppe. Genauer:eineHüttengulaschsuppe.Derzugehörige<br />

Kochtopf, der, so kombiniert Schlickenrieder<br />

messerscharf, nur in einer Hütte,<br />

und damit in der gesuchten Heidelbergerhütte<br />

stehen kann, muss nah sein. Und so<br />

folgt er einfach seiner Nase. Die hungrigen<br />

Skifahrer ebenso, nur der verdutzte Guide<br />

muss sich noch sammeln. Es zeigt sich: Bei<br />

der letzten Diskussion war die Gruppe<br />

nicht einmal 50 Meter von der Hütte entfernt,<br />

ohne sie zu sehen. Die erfolgreiche<br />

Gulaschgeruchsorientierung wird gefeiert.<br />

Später aber auch beschämt der Beschluss<br />

gefasst, nie mehr einfach der Nase<br />

nach zu fahren. Fortan hat die Gruppe ein<br />

GPS-Gerät dabei. BIRGIT LUTZ<br />

Rennrad<br />

Mit dem Rennrad über die Alpen. Großglockner,Dolomiten,KehreumKehre,kleinerGang,großeSchmerzen,dasganzeProgramm.<br />

Auch im Kopf spielt sich der übliche<br />

Kram ab. In Bruck am Fuße des Großglockners<br />

ist es regnerisch. Zweifel steigen<br />

auf, muss das wirklich sein, fast 2000 Höhenmeter<br />

rauf in die Wolkensuppe? An der<br />

Mautstation verstärken sich die Bedenken,<br />

dort sammelt sich der natürliche Feind des<br />

Radlers: Motorradfahrer.<br />

Zwei Stunden lang kurbeln wir mit stetig<br />

wachsenden Schmerzen in den Beinen,<br />

Kehre für Kehre die Großglockner Hochalpenstraße<br />

in Richtung Fuscher Törl und<br />

Hochtor, dem mit 2576 Meter über dem<br />

MeeresspiegelhöchstenPunktdieserPassstraße.<br />

Autos und Wohnmobile passieren<br />

die Rennradler, ohne dass wir es registrieren.<br />

Die Motorradrudel jagen hingegen<br />

den Adrenalinspiegel in den Radlern auf<br />

Höhen, die das Hochtörl weit übertreffen.<br />

Die Motoren sind so laut, dass wir mehrmals<br />

vor Schreck fast von der Straße kippen.<br />

Manche Motorräder rasen so knapp<br />

vorbei, als wollten sie sicher gehen, dass<br />

man auch wirklich im Graben landet.<br />

Im monotonen Tritt nach oben entspinnen<br />

sich Hassphantasien: „Wartet nur,<br />

oben am Pass werdet ihr euer wahres Gesicht<br />

zeigen, wenn eure Wampen aus dem<br />

Motorradoverall purzeln und nikotinbleiche<br />

Gesichter unter den Helmen zum Vorscheinkommen,ihrSeniorenrüpel!“Solassensich<br />

dieFlüchesinngemäß zusammenfassen,<br />

die beim Kurbeln auf der PassstraßedurchdenKopfspuken.Selbstverständlich<br />

handelt es sich eigentlich um Selbsthass,<br />

der auf ein externes Opfer gerichtet<br />

wird – schließlich bereitet es große Pein,<br />

stundenlang bei Steigungen um die zwölf<br />

Prozent bergauf zu radeln.<br />

AnderPasshöheistderGrantaufdieMotorradfahrer<br />

auf einen Schlag verflogen.<br />

Fast überall in den Alpen geht es dort zu<br />

wie in einer Einkaufsstraße am Samstag.<br />

Busse transportieren Rentnerladungen<br />

dort hinauf, Familien fotografieren sich<br />

vor den Schildern, auf denen die Passhöhe<br />

angezeigt wird, Cafés verkaufen Kuchen<br />

und Getränke. Vor allem wartet dort dankbares<br />

Publikum: Irgendjemand fragt immer,<br />

ob man gerade wirklich diesen Pass<br />

hinaufgeradelt ist, ob das nicht anstrengendwarundbestaunteinenaufrichtig.Alle<br />

Qualen sind vergessen. Und nun wartet<br />

die Abfahrt, auf der man so schnell wird,<br />

dass die Motorräder nicht mehr überholen<br />

können. SEBASTIAN HERRMANN

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