Titelaufsatz <strong>Die</strong>se Verletzungsvariante erfasst die Fälle, wo Dritte die Werbekraft einer bekannten Marke als „Trittbrett-Fahrer“ ausnutzen möchten, um durch eine gedankliche Verknüpfung den Absatz der eigenen Waren oder <strong>Die</strong>nstleistungen zu erhöhen. Eine „gedankliche Verknüpfung“ liegt vor, wenn der Verkehr aufgr<strong>und</strong> eines bestimmten Grades der Ähnlichkeit der Zeichen einen Zusammenhang zwischen ihnen sieht, ohne sie jedoch zu verwechseln. 13 Zum Beispiel kann der Verkehr eine lila farbige Postkarte gedanklich mit dem Schokoladenhersteller gedanklich verknüpfen. 14 <strong>Die</strong> Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung wird unlauter ausgenutzt oder beeinträchtigt, wenn beispielsweise das Zeichen <strong>für</strong> qualitativ minderwertige Produkte genutzt wird. <strong>Die</strong>s wurde bei der Verwendung des Zeichens „Yves Roche“ <strong>für</strong> Billigalkoholika bejaht. 15 D. Schranken des Markenschutzes Im Streitfall stehen einem potentielle Verletzer mitunter die Schrankenregelungen des Markenrechts als Verteidigungseinwand zur Seite. Gem. § 24 MarkenG kann der Inhaber einer Marke einem Dritten nicht untersagen, die Marke <strong>für</strong> Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes in Verkehr gebracht worden sind. Dem Zeicheninhaber steht zwar das Recht des Inverkehrbringens zu, nicht aber die Kontrolle der Vertriebswege. <strong>Die</strong> Erschöpfung betrifft also die Weiterveräußerung der gekennzeichneten Ware. Beispielsweise kann ein Markeninhaber nicht die Einfuhr von unveränderter Originalware verhindern, welche er im EU-Ausland in den Verkehr gebracht hat. 16 Hintergr<strong>und</strong> der Regelung ist der Gedanke, dass der Wirtschaftsverkehr mit erheblicher Rechtsunsicherheit belegt wäre, wenn <strong>für</strong> jeden Weiterverkaufsakt die Zustimmung des Markeninhabers erforderlich wäre. 17 Eine weitere Schrankenregelung bildet § 23 MarkenG. Nach § 23 MarkenG kann der Inhaber einer Marke nicht die Benutzung von Namen <strong>und</strong> beschreibenden Angaben verbieten. Zur Verdeutlichung soll folgender Sachverhalt dienen. 18 V. Fall<strong>stud</strong>ie Eine in Koblenz ansässige Brauerei bewarb im Internet das von ihr hergestellte Koblenzer Radler u. a. mit folgendem Wortlaut: „Probieren Sie das neue Koblenzer Radler in der Stubbi-Flasche.“ <strong>Die</strong> Klägerin als Inhaberin der Wortmarke „STUBBI“ wandte sich gegen die Verwendung des Zeichens seitens der Brauerei als Beklagte <strong>und</strong> verlangte neben Unterlassung auch Schadensersatz. Das Gericht entschied, dass sich die Klägerin, obwohl sie Inhaberin der Marke „STUBBI“ sei nicht gegen die Benutzung des Zeichens durch die Brauerei wehren könne. Inhaltlich stützte das Gericht die Entscheidung auf § 23 MarkenG. <strong>Die</strong>se Vorschrift ist Ausdruck des Freihaltebedürfnisses an beschreibenden Angaben. Durch sie soll ausgeschlossen werden, dass der Markenschutz zu einem Verbot der Verwendung beschreibender Angaben führen kann, die Wettbewerber zur Bezeichnung von Merkmalen ihrer Waren oder <strong>Die</strong>nstleistungen verwenden wollen. Nun könnte der unbedarfte Leser rätseln <strong>für</strong> welches Merkmal „Stubbi“ wohl beschreibend sein soll. Zumindest <strong>für</strong> alle, die nicht aus dem Koblenzer Raum stammen, ist das erklärungsbedürftig. <strong>Die</strong> Abfüllung in einer 0,33 Liter-Flasche mit einer charakteristischen, gedrungenen Form wird in Fachkreisen als „Steinie-Flasche“ bezeichnet. In der Region Koblenz <strong>und</strong> darüber hinaus ist diese Flasche umgangssprachlich als „Stubbi“ bekannt. Folglich hat „Stubbi“ jedenfalls im Verbreitungsgebiet des „Koblenzer Radler“ eine beschreibende Bedeutung. Mit der beanstandeten Werbung sollen die potentiellen Käufer über die Abfüllmenge <strong>und</strong> Flaschenform („Stubbi-Flasche“) informiert werden, was einer Merkmalsangabe entspricht. Deshalb hatte die Einwendung gegen die Verletzungstatbestände nach § 23 MarkenG Erfolg. Was also auf den ersten Blick kennzeichnungskräftig erscheint, kann <strong>für</strong> die angesprochen Verkehrskreise ein beschreibender Hinweis sein. Ein beschreibender Hinweis kann dabei aufgr<strong>und</strong> der originären Bedeutung gegeben sein, oder auch im Laufe der Jahre durch überragende Verkehrsdurchsetzung entstehen. So werden die wenigsten wissen, dass „Fön“ eine eingetragene Marke <strong>für</strong> Haartrockner ist. Bei der markenrechtlichen Prüfung kommt es immer auf die angesprochenen Verkehrskreise an. Entscheidend ist, wer der potentielle Abnehmerkreis ist, <strong>und</strong> was <strong>für</strong> eine Bedeutung aus dessen Perspektive dem Zeichen zugemessen wird. Dabei muss zwischen Fachpublikum, Verbrauchern oder wie die Entscheidung belegt, auf regionale Besonderheiten geachtet werden. Im Koblenzer Fall befanden sich die Richter als Bier- <strong>und</strong> Biermischgetränkkonsumenten selbst als Teil der angesprochenen Verkehrskreise. Zudem belegt die Entscheidung, dass ein Marke, auch wenn sie vordergründig unterscheidungskräftig ist, bei der Durchsetzung auf nicht immer vorhersehbare Einwände treffen kann. E. Fazit Der rezensierte Fall zeigt, dass das Markenrecht stets eine ausgewogene Balance zwischen den Interessen des Markenrechtsinhabers <strong>und</strong> der Allgemeinheit herzustellen ersucht. <strong>Die</strong>s ist auch die vornehmliche Aufgabe eines Anwalts der im Markenrecht tätig ist. Er muss einen Mandanten dahingehend beraten können, ob ein Zeichen als Marke eingetragen werden kann <strong>und</strong> prüfen ob ggf. Schutzrechte Dritter einem Eintragungsgesuch entgegenstehen. Er überwacht, ob Dritte genügend Abstand zu geschützten Zeichen halten, um einer Verwechslungsgefahr oder Rufausbeutung präventiv entgegenzuwirken <strong>und</strong> muss im Verletzungsfall geeignete Maßnahmen ergreifen, indem er eine außergerichtliche Einigung erzielt oder Ansprüche von Schutzrechtsberechtigten vor Gericht durchsetzen. Zudem ist das Markenrecht kein statisches, sondern ein dynamisches Rechtsgebiet, welches aufgr<strong>und</strong> vieler auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe von der Konkretisierung durch die Rechtsprechung lebt. <strong>Die</strong>s impliziert <strong>für</strong> den <strong>Juristen</strong> als Rechtsanwender die ständige Evaluierung der Rechtskenntnisse anhand der gegenwärtigen Rechtsprechung, um eine aktuelle Beratungspraxis zu garantieren. Neben der nationalen Jurisdiktion, gilt es vor allem auch die Rechtsprechung des EuGH zu kennen <strong>und</strong> entsprechende Urteile als Referenz in die Argumentation zu inkorporieren. Wer als Anwalt im Markenrecht tätig ist, ist kein reiner Vertragsjurist, der Deals nach wiederkehrendem Muster abwickelt, sondern streitbarer Anwalt mit immer neuen Sachverhalten, welche die Ausarbeitung neuer <strong>und</strong> individueller Argumentationsstrukturen erfordern. 13 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010, § 14, Rn. 1167. 14 BGH, Urt. vom 03. 02. 2005 – I ZR 159/02 (OLG Hamm) - Lila-Postkarte. 15 OLG Hamburg, Urt. vom 04.06.1998 – 3 U 151/97 – Yves Roche. 16 BGH, Urt. vom 22.01.1964 – Ib ZR 92/62 – Maja. 17 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010, § 24, Rn. 8. 18 OLG Koblenz, Urt. vom 20. 12. 2012 – 6 W 615/12 – Stubbi. Anmerkung der Redaktion: Das Titelthema der Ausgabe 4/2013 wird „Markenrecht“ sein. 114 <strong>Iurratio</strong> Ausgabe 3 / 2013