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Staatspolitisches Handbuch

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nen, die an die Verheißungen der natürlichen Güte und Gleichheit des<br />

Menschen Glauben machten. Gerade in der technischen Gesellschaft<br />

seien Hierarchie, Institution und Elite unverzichtbar.<br />

Mit solchen Vorstellungen stand Mohler jenen Etatisten nahe, die<br />

sich am Ende der Ära Adenauer neu zu sammeln begannen. Es handelte<br />

sich vor allem um Universitätslehrer wie Arnold Gehlen und seinen<br />

Schüler Hanno Kesting, und dann um Carl Schmitt und dessen<br />

Anhänger, die sich gerade in der Zeitschrift Der Staat ein renommiertes<br />

Organ geschaffen hatten, und mit Ernst Forsthoff oder Werner<br />

Weber über einflußreiche akademische Sprecher, mit Roman Schnur<br />

oder Helmut Quaritsch über Begabungen im Nachwuchs verfügten.<br />

Allerdings war man hier an praktisch-politischer Wirksamkeit weniger<br />

interessiert und auch nicht an der Frage, wie unter den Bedingungen<br />

der Bundesrepublik eine Umsetzung der eigenen Ideen zu denken<br />

sei. Auf diese Frage konzentrierte sich die Aufmerksamkeit Mohlers<br />

und Schrenck-Notzings. Von letzterem stammt die Feststellung, daß<br />

man dem wachsenden Einfluß der Linken entgegentreten und den Kulturkampf<br />

aufnehmen müsse: Der »Prozeß der zunehmenden Manipulierbarkeit<br />

der politischen Sphäre ist irreversibel«. Man könne darüber<br />

klagen und von einer organischen Gesellschaft träumen, aber das<br />

führe zu nichts, die Konservativen müßten ihrerseits lernen, das »psycho-technische<br />

Schaltbrett« zu bedienen.<br />

Schrenck-Notzing und Mohler sahen im Gaullismus ein denkbares<br />

Modell, um diese Aufgabe zu bewältigen. Man muß sich allerdings<br />

darüber klar sein, daß ein »deutscher Gaullismus« nicht einfach als Kopie<br />

des französischen gedacht war – schon deshalb nicht, weil Mohler,<br />

der damals als einer der führenden Frankreichexperten galt, eine durchaus<br />

kritische Haltung zur Person des General-Präsidenten einnahm. Die<br />

hatte auch mit dessen Politik bei Kriegsende zu tun, der Deckung, die<br />

er den Kommunisten und den Massakern der épuration geboten hatte,<br />

seiner verfehlten Wirtschaftspolitik; kaum eine Rolle spielte dagegen<br />

die Doppelzüngigkeit im Fall der Algerien-Franzosen, aber die Verfassung<br />

der Fünften Republik erschien Mohler in fataler Weise zugeschnitten<br />

auf die Person des ersten Mannes, nur an einem technokratischen<br />

Staatsverständnis ausgerichtet, ohne Rücksicht auf die Kollektivseele<br />

der Nation. Wie die anzusprechen und anzuregen sei, interessierte<br />

Mohler außerordentlich, und bei seiner Rückkehr aus Paris, im Sommer<br />

1960, war für ihn noch nicht abgemacht, daß de Gaulle es tatsächlich<br />

verstehen würde, die Franzosen aus ihrer Lethargie und Nostalgie<br />

zu reißen und jenes »nationaljakobinische« Erbe wiederzubeleben, das<br />

Frankreich in den Krisen des 19. und 20. Jahrhunderts gerettet hatte.<br />

Jedenfalls blieb ein Ungenügen grundsätzlicher Art. Ein Ungenügen,<br />

das auch erklärt, warum Mohler dem zeitgleich entwickelten Projekt<br />

einer »Formierten Gesellschaft« so skeptisch gegenüberstand. Er<br />

glaubte eben nicht, daß es möglich sei, eine Retortenidee, auch wenn<br />

sie von spin doctors aus den Reihen der »Schmittisten« erdacht war<br />

und unter dem Schutz eines Wirtschaftsfachmanns – Ludwig Erhard<br />

– stand, als politische Leitlinie durchzusetzen und in den Massen zu<br />

verankern. Es mag diese Feststellung überraschen, aber Mohler teilte<br />

mit Schrenck-Notzing im Kern den demokratischen Vorbehalt gegenüber<br />

einer Elitenherrschaft. Die Entwicklung der beiden Nachkriegsjahrzehnte<br />

hatte ihrer Meinung nach deutlich werden lassen, wie wenig<br />

Vertrauen man in die bessere Einsicht der tonangebenden Kreise setzen<br />

durfte, und die Entwicklungen, die sich seit dem Mauerbau und dem<br />

Aufstieg der »Neuen Linken« anbahnten, ließen Übles ahnen, während<br />

der »einfache Mann« mindestens gesunde Skepsis gegenüber vollmundigen<br />

Versprechungen und utopischen Entwürfen an den Tag legte.<br />

Dementsprechend hielt Schrenck-Notzing 1965 fest: »In einem Briefe<br />

bemerkt der amerikanische Präsident Jefferson (1743–1826) einmal,<br />

daß die Menschen von Natur aus in zwei Parteien zerfielen, in 1. diejenige,<br />

die dem Volke miß traue und es fürchte, die alle Gewalt aus seinen<br />

Händen neh men und sie den höheren Klassen anvertrauen wolle; und<br />

in 2. diejenige, die sich mit dem Volke identifiziere, die in das Volk Vertrauen<br />

setze und es als den redlichsten und sicher sten, wenn auch nicht<br />

gerade klügsten Verwalter des Ge meinwohls betrachte. Bis vor wenigen<br />

Jahren noch griff man im allgemeinen nicht fehl, wenn man die er-<br />

Weißmann – Gaullisten<br />

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