10.11.2012 Aufrufe

Staatspolitisches Handbuch

Staatspolitisches Handbuch

Staatspolitisches Handbuch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

im großen und ganzen wohltätige,<br />

weil stabilisierende Funktion<br />

ausübten.<br />

Wahrscheinlich ist Leys Tendenz<br />

zu einer gewissen Entschärfung<br />

Gehlens einer bestimmten<br />

Art von theologischem<br />

Liberalismus geschuldet,<br />

den sein Lehrer, der Hallenser<br />

Systematiker Ulrich<br />

Barth, vertritt. In diesem Konzept<br />

geht es um den Versuch,<br />

Kirche und christliche Lehre<br />

neu in der modernen Gesellschaft<br />

zu verankern, indem<br />

man deren religiöse Aufgabe<br />

wieder ernst nimmt, ohne die<br />

Selbstgesetzlichkeit des sozialen<br />

Gefüges und der historischen<br />

Entwicklung zu bestreiten.<br />

Damit verschafft sich etwas<br />

Geltung, was unter dem<br />

Einfluß der Dialektischen wie<br />

der politisierenden Theologie<br />

verpönt war und nun dazu<br />

dienen soll, die Retablierung<br />

auf einem Weg zu erreichen,<br />

der vor dem Ersten Weltkrieg<br />

hoffnungsvoll begonnen hatte,<br />

dann aber wie der politische<br />

Liberalismus durch die großen<br />

Umwälzungen an den Rand<br />

gedrängt oder zerstört wurde.<br />

Man mag zweifeln, daß angesichts<br />

der veränderten Ausgangslage<br />

ein solches Wiederanknüpfen<br />

Aussichten hat.<br />

Immerhin scheint man in dieser<br />

Denkschule eine Unvoreingenommenheit<br />

und intellektuelle<br />

Neugier zu kultivieren, die<br />

sympathisch berührt. Was die<br />

Skepsis angeht, kann man Ley<br />

durchaus folgen, der abschließend<br />

äußert: »Einiges spricht<br />

dafür, daß auch die in jüngster<br />

Zeit prognostizierte ›Wiederkehr<br />

der Religion‹ auf der<br />

nicht eben tragfähigen Prämisse<br />

gründet, das funktional<br />

Notwendige müsse zugleich<br />

normative Gültigkeit und geschichtliche<br />

Wirklichkeit besitzen.<br />

Gerade im Falle der Religion<br />

hat ja die kulturanthropologische<br />

Analyse Gehlens<br />

gezeigt, daß die Religion als<br />

die Institution der Institutionen<br />

per se selbstzwecklich und<br />

mithin unverfügbar ist. Alles<br />

Bemühen um Erkenntnis und<br />

Verstehen der Religion in ihren<br />

individuellen und gesellschaftlichen<br />

Vollzügen ist doch<br />

der Einschränkung unterlegen,<br />

daß der theoretische Zugang<br />

zu ihr die religiöse Praxis als<br />

solche nie ganz erfassen, schon<br />

gar nicht ersetzen kann.«<br />

Karlheinz Weißmann<br />

Nachkriegskino<br />

Robert R. Shandley: Trümmerfilme.<br />

Das deutsche Kino<br />

der Nachkriegszeit, Berlin:<br />

Parthas-Verlag 2010. 312 S.,<br />

16.90 €<br />

In der deutschen Filmgeschichtsschreibungstanden<br />

die sogenannten »Trümmerfilme«<br />

der unmittelbaren<br />

Nachkriegszeit nie besonders<br />

hoch im Kurs. Gedreht in realen<br />

Ruinen, zum Teil vom<br />

italienischen Neorealismus,<br />

zum Teil von Weimarer Traditionen<br />

beeinflußt, waren sie<br />

erste Versuche, die Verheerungen<br />

des Krieges und des<br />

Nationalsozialismus zu erfassen<br />

und zugleich positive moralische<br />

Grundlagen für die<br />

Zukunft zu formulieren. In<br />

der Ostzone drehte Wolfgang<br />

Staudte »Die Mörder sind unter<br />

uns« (1946), im Westen<br />

Helmut Käutner »In jenen Tagen«<br />

(1947), die bezeichnenderweise<br />

beide die Schuldfrage<br />

stellten, dabei aber unterschiedliche<br />

Strategien der<br />

Entlastung einschlugen. Bis<br />

etwa 1949 folgte ein weiteres<br />

Dutzend Filme. Man warf<br />

ihnen später Inkonsequenz,<br />

Geschichtsklitterung, mangelnden<br />

analytischen Durchblick<br />

und vorschnelle Versöhnung<br />

vor, sah sie als bloß gut<br />

gemeint und ästhetisch mißglückt<br />

an. Das hatte auch politische<br />

Gründe, denn die Generation<br />

der Linken der sechziger<br />

und siebziger Jahre hatte ein<br />

Interesse daran, zu behaupten,<br />

daß es vor ihnen so etwas<br />

wie eine ernsthafte »Aufarbeitung«<br />

der NS-Vergangenheit<br />

nicht gegeben hätte. Daß diese<br />

Behauptung nicht mehr als ein<br />

»Mythos« war, zeigt der Amerikaner<br />

Robert Shandley in<br />

seiner Studie Trümmerfilme.<br />

Tatsächlich leisteten diese einen<br />

beachtlichen und zum Teil<br />

recht komplexen Beitrag zur<br />

zu diesem Zeitpunkt noch von<br />

echten moralischen Impulsen<br />

geleiteten »Bewältigung«,<br />

und lieferten die Blaupause für<br />

deren bis heute gängige Muster.<br />

Daß die Ergebnisse nur<br />

vorläufig, improvisiert und<br />

bruchstückhaft sein konnten,<br />

ist leicht aus den historischen,<br />

psychologischen und<br />

materiellen Umständen der<br />

Entstehungsjahre zu erklären.<br />

Shandleys recht spannende<br />

Neubewertung der Leistung<br />

der Filmemacher dieser Zeit<br />

hat den Vorteil dieser historischen<br />

Bodenhaftung, wenn<br />

auch der Autor einen wesentlichen<br />

Aspekt übersieht, der sich<br />

ebenso in der Nachkriegsliteratur<br />

niederschlug: denn auch<br />

die »Trümmerfilme«, gedreht<br />

unter den Augen der Besatzer<br />

in Ost und West, konnten und<br />

durften nur halbe Wahrheiten<br />

erzählen. So gerieten sie in der<br />

Tat zu Kompromißbildungen,<br />

die aber bitter nötig waren,<br />

um eine stabile Neudefinition<br />

möglich zu machen.<br />

Martin Lichtmesz<br />

Festschrift Helmut<br />

Quaritsch<br />

Hans-Christof Kraus, Heinrich<br />

Amadeus Wolff (Hrsg.):<br />

Souveränitätsprobleme der<br />

Neuzeit. Freundesgabe für<br />

Helmut Quaritsch anläßlich<br />

seines 80. Geburtstags (Wissenschaftliche<br />

Abhandlungen<br />

und Reden zur Philosophie,<br />

Politik und Geistesgeschichte,<br />

Bd 58), Berlin: Duncker &<br />

Humblot 2010. 185 S., 58 €<br />

Der Unterschied zwischen<br />

Festschrift und Freundesgabe<br />

liegt wohl nur im Umfang,<br />

nicht in der Qualität der Beiträge,<br />

und ganz klein ist auch<br />

diese Freundesgabe mit mehr<br />

als 180 Seiten nicht. Was hier<br />

zu Ehren Helmut Quaritschs,<br />

des bedeutenden konservativen<br />

Staatsrechtslehrers, zusammengestellt<br />

wurde, unterscheidet<br />

sich jedenfalls deutlich von<br />

den Gelegenheitstexten, die<br />

man sonst in derartigen Veröffentlichungenzusammengestellt<br />

finden kann. Ausdrücklich<br />

hingewiesen sei auf Piet<br />

Tommissens Beitrag zur Entdeckung<br />

Carl Schmitts durch<br />

Julien Freund, dann auf die<br />

sehr erhellenden Bemerkungen<br />

Rezensionen<br />

47

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!