Staatspolitisches Handbuch
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türe und durch die abgeschottete Situation an die Zugehörigkeit zu einer<br />
besonderen, gesonderten Gemeinschaft erinnert, an eine Kompanie des<br />
Geistes und der Anstrengungsbereitschaft, und jede Buchseite knüpft das<br />
Band ein bißchen fester.<br />
Wie inkonsequent erscheint vor diesem Bild das Verständnis für solche,<br />
die – etwa auch auf den Akademien des Instituts für Staatspolitik – einem<br />
Referenten lauschen, ohne sich auf ihn und seine Thesen vorbereitet<br />
zu haben. Es gäbe viel zu sagen über den traurigen Mut der ahnungslosen<br />
Wortmeldung, über Sätze, die mit »Ich finde« oder »Für mich ist« beginnen<br />
und aus dem Moment heraus Erkenntnisse gebären, die der Mann am Rednerpult<br />
in seinem längst veröffentlichten Buche glücklich schon zur Welt<br />
gebracht – und entfaltet hat. Den jähen, originellen, von keines Geistes<br />
Blässe angekränkelten Sturm und Drang in Ehren – aber hundert Prozent<br />
Individualismus nebst steilem Auftreten reichen zwar für ein Wortgefecht<br />
aus, nicht jedoch für eine Vergrößerung des Klangraumes einer Tradition.<br />
In der Leinwand Benjamin Steins ist der interessantere Teil des Romans<br />
zweifellos derjenige über die Konversion Jan Wechslers. Warum?<br />
Weil es auch im Falle einer traditionsbewußten, konservativen Gruppe<br />
stets darum geht, mögliche Konvertiten aufzuspüren und ihnen zur »zweiten<br />
Geburt« (Armin Mohler) zu verhelfen. Und dies ist eben nicht billig zu<br />
haben, sondern bedarf jenes Klangraums, in dem Inhalte und Form einer<br />
konservativen Weltanschauung abgestimmt zu Stimmführern werden. Es<br />
mag einen gewissen Prozentsatz an Wechselwilligen und -fähigen geben,<br />
denen das Argument genügt. Der weitaus größere Teil wird sich aber nicht<br />
aus logischen Gründen, sondern aufgrund einer Atmosphäre, eines volltonigen<br />
Wohlklanges anlocken und »taufen« lassen.<br />
Dies gilt ausgeweitet natürlich auch für die Idee der Nation und für<br />
den Gang unseres Volkes durch die Zeit: Wer solche historischen Größen<br />
begrifflich, gar juristisch auffädelt und daraus eine Daseinsberechtigung<br />
ableiten möchte (oder auch nicht), hat von der Wirkungsmacht der »großen<br />
Erzählung« und von Deutschland als einem »Lebewesen, das zweitausend<br />
Jahre alt ist« nichts begriffen. Die Geschichte muß erzählt werden,<br />
und sie muß überwältigend erzählt werden, bruchlos, als Geschichte eben,<br />
Schicht auf Schicht. Im Vorwort zu einem Gesprächsbändchen mit Karlheinz<br />
Weißmann steht etwas über eine solche »große Erzählung«, über ein<br />
gewaltiges Bild, das Gewalt auszuüben imstande ist, das zwingend ist und<br />
Momentaufnahme einer<br />
zweiten, geistigen Geburt<br />
– Ludwig Fahrenkrog,<br />
Quälende Gewalten, 1921<br />
Unsere Zeit kommt. Götz<br />
Kubitschek im Gespräch<br />
mit Karlheinz Weißmann,<br />
Schnellroda 2006.<br />
Kubitschek – Wie etwas bleibt<br />
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