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Staatspolitisches Handbuch

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Thema | Sezession 38 · Oktober 2010<br />

Konservative Christen<br />

von Harald Seubert<br />

Kurze Zeit nur dauerte die Blüte der Zeitschrift Neues Abendland, einer<br />

der zentralen publizistischen Orte des christlichen Konservatismus nach<br />

1945. In diesem Revival des Abendland aus den zwanziger Jahren sollte<br />

es nach den Worten ihres ersten Herausgebers, des rheinisch-katholischen<br />

Föderalisten Johann Wilhelm Naumann, um eine »Erneuerung Deutschlands<br />

aus christlich-universalistischem Geist, im Sinne echter europäischer<br />

Geisteshaltung« gehen. Deutschland müsse zur »Mater occidentalis«<br />

zurückfinden. Eine rheinische antipreußische Tendenz war bei den<br />

neuen Abendländern fast durchgehend die Grundstimmung.<br />

Damit standen sie keineswegs isoliert, sondern konnten sie an einen<br />

europäischen Diskurs anschließen: Anglo-Katholiken wie der späte T. S.<br />

Eliot waren Inspiratoren. Politisch formierend war allerdings in erster Linie<br />

eine antibolschewistische Zielrichtung. Neues Abendland verstand<br />

sich als die alteuropäische, ultramontan auf Rom hin orientierte Antwort<br />

auf den Bolschewismus als die »radikalste Form der Aufklärung«<br />

und der Französischen Revolution. Das »Dogma der Offenbarung« stellte<br />

man dem aufklärerisch-säkularen »Dogma der Erfahrung« entgegen, um<br />

sichtbar zu machen, daß die vermeintliche Vorurteilsfreiheit der säkularen<br />

Welt selbst nur Illusion sei. Die politische Strategie, wie sie etwa Emil<br />

Franzel entwarf, zielte dabei auf eine transatlantische Abwehr des Bolschewismus.<br />

Einen antidemokratischen, antiparlamentarischen Affekt<br />

und die Westoption zusammenzuführen, mußte sich aber als ein kaum zu<br />

leistender Spagat erweisen.<br />

Immer wieder kreisten die Beiträge auf den Jahrestagungen der<br />

»Abendländischen Akademie« um das Ziel, die sittliche Substanz gegen<br />

die Degeneration der Massengesellschaft zu stärken. Die Auseinandersetzung<br />

mit der säkularen Welt und dem »Verlust der Mitte« (Hans<br />

Sedlmayr) nahm, lange vor dem aggiornamento des 2. Vaticanums, eher<br />

die Form einer Abwehrfront gegen die moderne Welt an. Vereinzelt indes<br />

gelang es der »Abendländischen Akademie«, auch konservative Kreise<br />

der evangelischen Kirche, wie sie sich um den Bischof von Oldenburg,<br />

20<br />

Seubert – Konservative Christen<br />

Thomas S. Eliot:<br />

Ausgewählte Essays.<br />

1917–1947, Berlin 1950.

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