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Staatspolitisches Handbuch

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Blecherne und klingende<br />

Münzen<br />

Thorsten Polleit, Michael von<br />

Prollius: Geldreform. Vom<br />

schlechten Staatsgeld zum guten<br />

Marktgeld, Grevenbroich:<br />

Lichtschlag Medien 2010.<br />

192 S., 15.90 €<br />

Im Zweiten Weltkrieg<br />

planten die<br />

Deutschen, britische<br />

Pfundnoten zu fälschen<br />

und über England<br />

abzuwerfen. So<br />

sollte die englische<br />

Wirtschaft erschüttert<br />

und die Währung<br />

in Verruf gebracht<br />

werden. Aus<br />

dem Plan ist dann<br />

nichts geworden.<br />

Heutzutage wird der gleiche<br />

Plan in allen westlichen Industrienationen<br />

trotzdem umgesetzt<br />

– auch ohne Dornier-<br />

oder Junkers-Geschwader, die<br />

am Himmel auftauchen und<br />

Geldscheine abwerfen. Das<br />

Zauberwort heißt Geldmengenwachstum<br />

und wird von<br />

staatlichen Notenbanken betrieben,<br />

um den Umverteilungsapparat<br />

der Wohlfahrtsstaaten<br />

in Gang zu halten.<br />

Dieses Geldmengenwachstum<br />

beschert uns immer neue Preissteigerungen<br />

– kalte Enteignung<br />

also.<br />

Die Alternative wäre ein stabiles<br />

Marktgeld, wie Thorsten<br />

Polleit und Michael von Prollius<br />

es fordern. Zugegeben: Die<br />

Abschaffung des staatlichen<br />

Papiergeldmonopols gehört zu<br />

jenen urliberalen Forderungen,<br />

die schwerer vorstellbar sind<br />

als beispielsweise die Privatisierung<br />

von Post und Telekom.<br />

Trotzdem spräche einiges dafür,<br />

es mit Privatgeld zu versuchen.<br />

Wer die Finanzkrise von<br />

2008 ff. nicht mit der linksideologischen<br />

Brille sieht, erkennt<br />

sofort, daß durch immer<br />

neue Geldmengen immer neue<br />

»Blasen« auf den Weltfinanzmärkten<br />

entstehen mußten.<br />

Notenbanken drucken Geld<br />

und bringen damit die Märkte<br />

durcheinander. Sie können dies<br />

tun, weil sie ein staatlich geschütztes<br />

Monopol besitzen.<br />

Es gibt keinen Wettbewerb.<br />

Die Menschen sind gezwun-<br />

46 Rezensionen<br />

gen, das Staatsgeld zu verwenden.<br />

Die beiden Autoren untersuchen<br />

alle theoretischen Aspekte<br />

des Marktgeldes, auch<br />

die Frage, wie der Übergang<br />

vonstatten gehen könnte. Momentan<br />

hört sich ein Satz wie<br />

»Möchten Sie das Flugticket<br />

mit Goldmünzen, Deutsche-<br />

Bank-Dukaten oder Sparkassen-Sesterzenbezahlen?«<br />

noch absurd<br />

an. Es könnte aber<br />

sein, daß schon bald<br />

– früher als viele<br />

denken – der totale<br />

Zusammenbruch des<br />

Dollars und des Euros<br />

erfolgt. Amerika<br />

und Europa brechen<br />

unter ihren Schulden<br />

bald zusammen.<br />

Dann könnte<br />

Geldreform das <strong>Handbuch</strong> für<br />

den Aufbau einer neuen Finanzordnung<br />

sein.<br />

Ronald Gläser<br />

Arnold Gehlens<br />

Wiedererweckung<br />

Friedrich Ley: Arnold Gehlens<br />

Begriff der Religion, (Religion<br />

in Philosophy and Theology,<br />

Bd 43), Tübingen: Mohr Siebeck,<br />

486 S., 79 €<br />

Es gibt wenige konservative<br />

Autoren, die heute eine Renaissance<br />

erfahren wie Arnold<br />

Gehlen. Die positive Bezugnahme<br />

auf seine Gedanken,<br />

Formulierungen und Werke,<br />

die bis vor kurzem verpönt<br />

war, ist mittlerweile fast zur<br />

Selbstverständlichkeit geworden.<br />

Kaum jemand hält es länger<br />

für nötig, von einem »belasteten«<br />

Denker zu sprechen<br />

oder an seiner »Entlarvung«<br />

zu arbeiten. Dazu paßt auch<br />

die wachsende Zahl von Neuerscheinungen,<br />

die sich systematisch<br />

mit Gehlen befassen.<br />

Hervorzuheben ist in dem Zusammenhang<br />

die Arbeit eines<br />

jungen evangelischen Theologen,<br />

Friedrich Ley, der sich<br />

mit Gehlens Religionsbegriff<br />

beschäftigt. Man fragt sich<br />

nach der Lektüre, warum das<br />

Thema nicht längst mit einer<br />

so sorgfältigen Untersuchung<br />

gewürdigt wurde! Ohne<br />

Zweifel spielte die Religion für<br />

Gehlen sowohl in bezug auf<br />

die anthropologische Grundverfassung<br />

als auch auf die<br />

Ordnung des Zusammenlebens<br />

eine entscheidende Rolle.<br />

Ley gliedert seine Arbeit in<br />

fünf Kapitel: Religion und<br />

Kultur, Religion und Institution,<br />

Religion und Technik,<br />

Religion und Ethos, Religion<br />

und Kunst. Im Zentrum<br />

steht jeweils die Interpretation<br />

eines Hauptwerks –<br />

»Der Mensch I« (Der Mensch,<br />

1940), »Der Mensch II« (Urmensch<br />

und Spätkultur, 1956),<br />

»Der Mensch III« (Moral und<br />

Hypermoral, 1969) –, der Aufsätze<br />

zu Anthropologie und<br />

Soziologie aus den vierziger<br />

und fünfziger Jahren sowie der<br />

Zeit-Bilder (1960). Dieser Zugriff<br />

hat den Vorzug der Systematik<br />

– allerdings wird die<br />

Chronologie für die Deutung<br />

immer wieder durchbrochen,<br />

was mißlich ist, weil Gehlens<br />

Auffassungen in der letzten<br />

Phase seines Lebens eine Zuspitzung<br />

erfuhren, die er in der<br />

Zwischenzeit vermieden hatte,<br />

und deren Richtung sich auch<br />

vom Radikalismus der Anfänge<br />

unterschied.<br />

So liest man etwas unbefriedigt<br />

die Darstellung Leys zur<br />

Religions- und insbesondere<br />

zur Christentumskritik in Moral<br />

und Hypermoral, denn<br />

der Subtext von Gehlens Argumentation<br />

war doch, daß<br />

nicht erst durch die Aufklärung,<br />

sondern schon durch die<br />

kirchliche Lehre beziehungsweise<br />

deren Ursprungsgestalt<br />

im Evangelium eine Institutionenethik<br />

tendenziell unmöglich<br />

gemacht wurde. Das war<br />

keine oberflächliche heidnische<br />

Polemik, auch keine Position<br />

des athée mais catholique,<br />

aber ein schwer bezähmbarer<br />

nietzscheanischer Rest<br />

und eine Kritik, deren Stoßrichtung<br />

gegen das Christentum<br />

gerichtet war, gerade weil<br />

es die zentrale Entlastungsfunktion<br />

der Religion nicht<br />

mehr erfüllte (und im Grunde<br />

nie ohne Vorbehalt erfüllt<br />

hatte). Jedenfalls hatte sich<br />

Gehlen von seiner Vorstellung<br />

aus Schriften der Nachkriegsjahrzehnte<br />

verabschiedet, daß<br />

auch die Kirchen, wenngleich<br />

geschwächt und ermüdet, eine

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