Staatspolitisches Handbuch
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Briefe | Sezession 38 · Oktober 2010<br />
Briefe an Alle und Keinen<br />
Hallo Wolfgang, hallo Lutz,<br />
hallo Markus!<br />
Ihr kennt Euch gar nicht, habt aber als Buchhändler<br />
über die Sarrazin-Debatte im Börsenblatt<br />
zusammengefunden. Euch eint der Ärger<br />
darüber, daß auch in Eure Läden Kunden strömen,<br />
die Sarrazins Buch erwerben möchten. Drei<br />
Antworten habt Ihr gefunden. Du, Lutz, hast<br />
entschieden, »Kunden« (die Anführungszeichen<br />
sind Dein Werk), die das Buch kaufen wollen,<br />
wieder wegzuschicken. Du, Markus, bist kein<br />
»Oberzensor« und würdest das »in Teilen rassistische«<br />
(Deine Worte) Buch auf Wunsch bestellen,<br />
überlegst aber, »für jeden verkauften<br />
Sarrazin einen Beitrag von Euro 8 an eine antirassistische<br />
Initiative« zu überweisen. Und Du,<br />
Wolfgang, verkaufst den Bestseller mit »äußerstem<br />
Unbehagen« und gibst an, Deine Spendenaktion<br />
auch im Schaufenster zu plakatieren: Von<br />
jedem verkauften Exemplar sollen 5 € an »pro<br />
Asyl« gehen. Wolfgang, alter Schluri, das sind<br />
mal eben 3 Euro weniger als bei Markus! Wohin<br />
geht, was Du da einbehältst, hm? Trägst Dus<br />
zum Dönerstand um die Ecke, oder was?<br />
Für uns steht fest: das Goldene Bienchen für<br />
politisch korrekte Buchhändlerei geht eindeutig<br />
an Dich, Markus. Und Dir, Lutz, wünschen wir<br />
hingegen viel Spaß beim Aussondern weiterer<br />
mißliebiger »Kunden« und »Bücher«. Da gibts<br />
wahrlich zu tun,<br />
weiß<br />
Eure Sezession<br />
Und Du, liebes Vertriebsteam von der<br />
Deutschen Verlagsanstalt,<br />
hast es doch schon kommen sehen, daß neben<br />
Allen und Keinem auch Dir ein Briefchen gewidmet<br />
würde in diesem Heft. Wir brechen nämlich<br />
jetzt das Schweigen und verkünden: Über<br />
zwei Wochen lang hast Du uns hingehalten,<br />
hast behauptet, daß Sarrazins Buch nicht lieferbar<br />
sei – bis uns der Kragen platzte und wir uns<br />
penetrant nach oben durchtelefonierten, vorbei<br />
an Die und Deinen subalternen Telefondamen,<br />
hin zu einem, der den Schneid hatte, uns zu<br />
schreiben, »dass wir uns kurz über Ihre Bestellung<br />
gefreut, dann aber ein wenig recherchiert<br />
haben, wer denn hier so viele Bücher bestellen<br />
möchte. Rasch haben wir festgestellt, dass in ihrem<br />
Hause auch Bücher wie ›Nationalrevolutionäre‹,<br />
›Jungkonservative‹, ›Die Völkischen‹ oder<br />
›Landvolkbewegung‹ erscheinen. Bitte haben Sie<br />
Verständnis dafür, dass wir vor diesem Hinter-<br />
56 Briefe<br />
grund entschieden haben, zu Ihnen sowie zu anderen,<br />
politisch ähnlich eingestellten Personen<br />
und Unternehmen keine Geschäftsbeziehungen<br />
zu unterhalten« (ePost von Rainer.Dresen@randomhouse.de).<br />
Nur kurz, Vertriebsteam: Wir haben vollstes<br />
Verständnis für Deine Zivilcourage. Bitte<br />
hab ebenso vollstes Verständnis dafür, daß wir<br />
ein bißchen getrickst und die Bücher doch noch<br />
erhalten haben, zu einem spitzenmäßigen Prozentsatz<br />
übrigens. Du kannst uns mal.<br />
Sezession<br />
Werter Herr Schulte,<br />
um es noch einmal klipp und klar zu sagen: Wir<br />
brauchen keine Kugelschreiber, Bonbons oder<br />
Kondome mit dem Aufdruck »Sezession«, oder,<br />
um es dem Ergebnis Ihrer gründlichen Kundenrecherche<br />
gemäß auszudrücken: »Säzäschen«.<br />
Konservativ!<br />
Sésessiõ<br />
Ach, liebe Doris Stump aus dem wunderschönen<br />
Aargau,<br />
warum so verspannt? »Feminismus ist kein<br />
kurzfristiger Arbeitsauftrag«, stellen Sie ein<br />
wenig angestrengt Ihrer Homepage als Motto<br />
voran, und man möchte ergänzen: »… und mit<br />
Sicherheit auch kein beglückender«, denn Sie<br />
scheinen doch arg in Nöten. Als feministische<br />
und sozialistische Nationalrätin ist es Ihr Anliegen,<br />
die Bezeichnung »Mutter« europaweit getilgt<br />
zu wissen, weil dies »ein sexistischer Begriff«<br />
sei, »der Frauen als passive und minderwertige<br />
Wesen kennzeichne«. Die Verwendung<br />
des Wortes Mutter behindere und widerspreche<br />
den »Gender-Gleichheitsvorgaben«. Frauen<br />
würden durch das Wort Mutter in eine überlieferte<br />
Rolle gedrängt.<br />
Im entsprechenden Vorschlag, den Sie im<br />
Sommer als Berichterstatterin der Parlamentarischen<br />
Versammlung des Europarates vorgetragen<br />
haben, heißt es: »Frauen sind in den Medien<br />
entweder unterrepräsentiert oder nicht wahrnehmbar,<br />
oder sie werden zwangsweise in Rollen<br />
dargestellt, welche man ihnen zuschreibt, als<br />
passive und minderwertige Wesen, Mütter oder<br />
Sexualobjekte.« Wie: Sogar als »Mütter«? Das<br />
ist ja furchtbar! Wir haben gleich mal Ihren Fall<br />
recherchiert und können Entwarnung geben: Sie<br />
sind weder so noch so gemeint.<br />
Mit objektiv-mütterlichem Blick,<br />
Ihre Sezession