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ISS s<strong>ch</strong>icken konnte, verlängerte man die Wartezeit<br />
zum Andocken von 10 auf 25 Tage.<br />
Mit der ersten Annäherung am 29. März<br />
2008 demonstrierte das ATV, dass es seine<br />
Manöver und seine Position in Bezug zur ISS<br />
bere<strong>ch</strong>nen kann. Rund 3500 Meter hinter der<br />
ISS führte das Gefährt ein Auswei<strong>ch</strong>manöver<br />
aus. Zwei Tage später testeten die Fa<strong>ch</strong>leute<br />
das Manövrieren in ISSNähe eins<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
der Auswei<strong>ch</strong>bewegungen. Zuerst näherte<br />
si<strong>ch</strong> dabei das ATV mit Hilfe seiner optis<strong>ch</strong>en<br />
Sensoren auf 20 Meter, stoppte und manövrierte<br />
si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> bis auf zwölf Meter ans<br />
Koppelungsteil des russis<strong>ch</strong>en Moduls heran.<br />
Damit zeigte si<strong>ch</strong> Europas Versorgungsgerät<br />
bereit zum Andocken. Während der dritten<br />
Annäherung stoppte Jules Verne jeweils in<br />
250, 20 und 12 Meter Entfernung, einzig gesteuert<br />
von seinem ho<strong>ch</strong>präzisen optis<strong>ch</strong>en<br />
Navigationssystem.<br />
Am 3. April 2008 um 16.41 Uhr CEST,<br />
341 km über dem Südatlantik, fand dann die<br />
Koppelung statt. Zum ersten Mal navigierte<br />
ein Versorgungss<strong>ch</strong>iff wie auf S<strong>ch</strong>ienen zu<br />
seinem fliegenden Ziel, mit grösserer Präzision<br />
als jeder Astronaut dazu in der Lage wäre. Im<br />
Augenblick des Andockens war das ATV nur<br />
zirka einen bis zwei Zentimeter von der Ideallinie<br />
entfernt.<br />
Fünf Monate ein Teil der ISS<br />
Na<strong>ch</strong> dem Andocken betraten die ISSAstronauten<br />
den druckbelüfteten Teil des ATV und<br />
begannen mit dem Entladen. Sergei Volkov,<br />
Oleg Kononenko und Greg Chamitoff luden<br />
269 Liter Wasser um und transferierten 21<br />
Kilo Sauerstoff direkt in die ISS. Im Juni wurden<br />
811 Kilo Treibstoff automatis<strong>ch</strong> in die ISS<br />
umgefüllt und im August entlud die Crew Dutzende<br />
weisser Nutzlasttas<strong>ch</strong>en. Mitgebra<strong>ch</strong>t<br />
wurden ebenfalls zwei von Jules Verne handges<strong>ch</strong>riebene<br />
Originalmanuskripte sowie eine<br />
illustrierte Ausgabe aus dem 19. Jahrhundert<br />
des Romans «Von der Erde zum Mond.»<br />
Aber die Crew arbeitete au<strong>ch</strong> in umgekehrter<br />
Ri<strong>ch</strong>tung: Abfall und überflüssige Ausrüstung<br />
wurden in die nun leeren Gestelle des ATV<br />
umgeladen, im Ganzen etwa 900 Kilo. Zudem<br />
wurden in faltbaren Plastikcontainern weitere<br />
264 Kilo flüssigen Abfalls hinzugefügt. Insgesamt<br />
für fünf Monate bildete «Jules Verne» mit<br />
seinem Volumen von 48 Kubikmetern einen integralen<br />
druckbelüfteten Teil der ISS. Während<br />
dieser Zeit hob das ATV die Bahnhöhe der ISS<br />
vier Mal an, um die Reibung der Restatmosphäre<br />
zu kompensieren. Für die Besatzung der<br />
ISS bot das ATV während dieser Zeit willkommenen<br />
zusätzli<strong>ch</strong>en Raum als S<strong>ch</strong>lafplatz und<br />
für die Hygiene. Ferner konnte die südkoreanis<strong>ch</strong>e<br />
Astronautin Yi SoYeon während ihres elf<br />
tägigen Aufenthaltes im ATV ihre Experimente<br />
dur<strong>ch</strong>führen.<br />
Am 5. September 2008 löste si<strong>ch</strong> das ATV<br />
automatis<strong>ch</strong> von der ISS. Am 29. September<br />
nutzte es seinen verbliebenen Treibstoff für<br />
den Deorbit in zwei Etappen. Das 13,5 Tonnen<br />
s<strong>ch</strong>were Raumfahrzeug fiel in einen steilen<br />
selbstzerstöreris<strong>ch</strong>en Abstieg über einer unbewohnten<br />
Gegend des Südpazifik und verglühte<br />
praktis<strong>ch</strong> vollständig.<br />
Europas autonomer ISS-Zugang<br />
Der äusserst erfolgrei<strong>ch</strong>e Testflug von «Jules<br />
Verne» hat bewiesen, dass Europa wi<strong>ch</strong>tige<br />
Te<strong>ch</strong>nologien für künftige Entwicklungen von<br />
Raumfahrzeugen beherrs<strong>ch</strong>t und den autonomen<br />
Zugang zur ISS besitzt. Mit dem geplanten<br />
Rückzug der ShuttleFlotte im Jahr 2010,<br />
werden die ISSPartner die grösste Transportkapazität<br />
verlieren. Der nä<strong>ch</strong>ste logis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ritt<br />
für das ATV wäre demna<strong>ch</strong> die Entwicklung der<br />
Fähigkeit zur Rückführung von Nutzlasten und<br />
Gütern von der ISS. Das könnte s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> zu<br />
einem neuen Manns<strong>ch</strong>aftstransporter führen,<br />
der auf einer für bemannte Flüge adaptierten<br />
Ariane 5 basiert. Zur Rückführung von Nutzlasten<br />
könnte der Frontteil des ATV dur<strong>ch</strong> eine<br />
SkySpace<br />
Wiedereintrittskapsel mit einem Eintrittss<strong>ch</strong>ild<br />
ersetzt werden. Diese Te<strong>ch</strong>nologie hat die ESA<br />
au<strong>ch</strong> bereits erfolgrei<strong>ch</strong> getestet.<br />
Was bleibt, ist die Entwicklung des Frontteils<br />
des Vehikels in eine neue Wiedereintrittskapsel.<br />
Wenn dann die Rückführung von<br />
Nutzlasten zur Routine wird, wäre ein weiterer<br />
S<strong>ch</strong>ritt denkbar. Er kann zur Flugqualifikation<br />
von wesentli<strong>ch</strong>en Elementen eines bemannten<br />
Transportsystems führen. Der letzte<br />
S<strong>ch</strong>ritt wäre dann eben die Realisierung eines<br />
bemannten Raumfahrzeugs, was jedo<strong>ch</strong> komplexere<br />
Modifikationen erfordert. Der Oberteil<br />
würde in eine bemannte Wiedereintrittskapsel<br />
umgebaut. Diese müsste zusätzli<strong>ch</strong>e Systeme<br />
zum S<strong>ch</strong>utz der Astronauten aufweisen; insbesondere<br />
ein Crew Escape System, das die<br />
Kapsel bei Pannen in si<strong>ch</strong>ere Entfernung von<br />
der Trägerrakete bringt. Diese Variante wäre in<br />
der Lage vier Astronauten zu transportieren.<br />
Tatsa<strong>ch</strong>e ist jedenfalls, dass Europa mit<br />
dem ATV den Transporter mit der grössten<br />
Transportkapazität na<strong>ch</strong> dem Space Shuttle<br />
besitzt und beim Betrieb der ISS eine wi<strong>ch</strong>tige<br />
Rolle spielen wird. Mehr no<strong>ch</strong>: Europa verfügt<br />
damit über beste Voraussetzungen zum Aufbau<br />
einer autonomen bemannten Raumfahrtinfrastruktur.<br />
www.esa.int<br />
Mögli<strong>ch</strong>e Weiterentwicklung des ATV: Der vordere Teil des ATV ist dur<strong>ch</strong> eine wiedereintrittsfähige<br />
kegelförmige Kapsel ersetzt, die vier Astronauten aufnehmen kann. Dazu wären allerdings<br />
mehrere S<strong>ch</strong>ritte und beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Modifikationen nötig.<br />
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Bild ESA