Pressespiegel_14_13 vom 30.03. bis 05.04.2013.pdf - Evangelisch ...
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Südostschweiz IntervIew: <strong>vom</strong> Hans <strong>30.03.</strong>20<strong>13</strong>, Küng Seite 19.pdf<br />
«Wenn sich Franziskus fragt:<br />
‘Was würde Jesus tun’ …»<br />
Der Schweizer Theologe Hans<br />
Küng hofft auf einen ökume -<br />
nischen Frühling. Der neue<br />
Papst Franziskus habe auf<br />
dem Weg zur Abkehr von<br />
der «Macht- und Prachtkirche»<br />
bereits einige Pflöcke eingeschlagen,<br />
sagt der 85-Jährige.<br />
Mit Hans Küng<br />
sprach Wolf Südbeck-Baur<br />
Herr Küng, mit dem letzten Papst, Benedikt<br />
XVI., standen die ökumenischen<br />
Beziehungen unter einem schlechten<br />
Stern. Wie ist es allgemein um die Ökumene<br />
derzeit bestellt<br />
Hans Küng: Ich hoffe, dass wir am Ende<br />
eines ökumenischen Winters stehen.<br />
Mit dem neuen Pontifikat zeichnen<br />
sich bereits einige Frühlingslüfte<br />
ab. Mit Papst Franziskus ist die Ökumene<br />
mit neuen Hoffnungen erfüllt,<br />
weil er bereits einige Pflöcke eingeschlagen<br />
hat, wie das unter seinem<br />
Vorgänger Benedikt XVI. nicht der<br />
Fall war.<br />
«Das Konzil will<br />
die Erneuerung»<br />
Noch im Dezember forderte der Schweizer<br />
Kardinal Kurt Koch als Chef des<br />
päpstlichen Rates für die Einheit der<br />
Kirchen, die «volle, sichtbare Einheit»<br />
müsse das Ziel des ökumenischen Gesprächs<br />
zwischen Katholiken und Protestanten<br />
sein. Was muss Ihrer Meinung<br />
nach das Ziel des ökumenischen Gesprächs<br />
sein<br />
Die «volle, sichtbare Einheit» meint<br />
im Sprachgebrauch der römischen<br />
Kurie, dass die Christenheit die Einheit<br />
nur findet, wenn auch die anderen<br />
Kirchen das Papsttum als solches<br />
anerkennen. Das war das Programm<br />
von Benedikt XVI. Diese Rückkehrstrategie<br />
ist gescheitert. Die <strong>Evangelisch</strong>en<br />
Kirchen hat er zurückgestossen<br />
durch seine Erklärung, dass sie überhaupt<br />
keine Kirchen seien. Mit den<br />
Orthodoxen, mit denen Papst Ratzinger<br />
ein besonderes Arrangement erreichen<br />
wollte, kam es auch zu keiner<br />
weiteren ökumenischen Annäherung,<br />
und anstatt sich um die Christkatholiken<br />
zu kümmern, hat er sich um die<br />
Piusbrüder bemüht. Ich kann mir vorstellen,<br />
dass ein so kluger Kopf wie<br />
Kurt Koch dies eingesehen hat und<br />
nun die Chance ergreift, um wieder<br />
auf die Intentionen des Zweiten Vatikanischen<br />
Konzils von 1962 <strong>bis</strong> 1965<br />
zurückzukommen. Das Konzil wollte<br />
und will die Erneuerung der Kirche<br />
vorantreiben, um zu neuen ökumenischen<br />
Perspektiven zu kommen.<br />
«Allen Grund, zusammenzustehen»: Hans Küng fordert, dass die Katholische und<br />
die <strong>Evangelisch</strong>e Kirche gemeinsam in die Zukunft gehen. Bild Urs Flüeler/Keystone<br />
Gottfried Locher, Präsident des Schweizerischen<br />
<strong>Evangelisch</strong>en Kirchenbunds<br />
SEK, hat kürzlich zur Konzentration auf<br />
die interne Ökumene der vielfältigen<br />
Reformierten Kirchen in der Schweiz<br />
aufgerufen. Hat diese Abschottungsstrategie<br />
eine Zukunft<br />
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich<br />
Gottfried Locher, der eine eigene klare<br />
Sicht hat, durch die neue Situation<br />
orientieren lässt. Es reicht nicht, sich<br />
auf die interne Ökumene zu konzentrieren<br />
–übrigens eine Strategie, zu<br />
der man sehr oft aus Verzweiflung<br />
über die Unbeweglichkeit des römischen<br />
Zentrums geradezu genötigt<br />
wurde. Eine Abschottungsstrategie<br />
hat keine Zukunft. Wir müssen unbedingt<br />
dazu kommen, dass wir wieder<br />
gemeinsam Tritt fassen können. Dies<br />
gilt sowohl im Blick auf die Gläubigen,<br />
die sich kritisch von beiden Kirchen<br />
abgewendet haben, als auch im<br />
Blick auf die Welt, wo beide Kirchen<br />
Einfluss verloren haben. Katholische<br />
und <strong>Evangelisch</strong>e Kirche haben allen<br />
Grund, zusammenzustehen und gemeinsam<br />
in die Zukunft zu gehen.<br />
Bereits eine Woche nach seiner Wahl<br />
hat Papst Franziskus bei einem Empfang<br />
der Repräsentanten der anderen<br />
Kirchen erklärt, er wolle die Ökumene<br />
unter den Christen und «die Freundschaft<br />
und den Respekt» unter den Religionen<br />
fördern. Welche Chancen sehen<br />
Sie zur Verbesserung des ökumenischen<br />
Klimas, die sich mit dem neuen<br />
Papst nun zu eröffnen scheinen<br />
Die Chancen sind unbeschränkt. Das<br />
ökumenische Klima ist durch den<br />
sehr geglückten Beginn des von der<br />
Macht- und Prachtkirche Abstand<br />
nehmenden Bischofs von Rom jetzt<br />
schon gefördert worden. So hob Franziskus<br />
ganz anders als sein Vorgänger<br />
Joseph Ratzinger nicht das Jurisdik -<br />
tionsprimat des Papstes hervor, sondern<br />
setzte deutlich bescheidenere<br />
Zeichen und verzichtete auf eine<br />
edelsteinbesetzte Mitra und rote<br />
Papstschuhe. Damit zeigt der Bischof<br />
von Rom, dass es ihm auf das Evangelium<br />
ankommt. Es hängt davon ab,<br />
was er verwirklichen kann und wie<br />
gut er beraten wird. Er weiss, dass Millionen<br />
Katholiken abgewandert sind,<br />
weil vielerorts das Gemeindeleben<br />
am Boden liegt, die Leute aber einen<br />
lebendigen Kontakt haben wollen untereinander,<br />
zur Welt, zur Stadt und<br />
zu den Stadtvierteln, in denen sie<br />
l eben, und sie wollen eine lebendige<br />
Liturgie. All diese Erfahrungen bringt<br />
der argentinische Papst mit, und er<br />
wird sie einbringen. Zweitens hat<br />
Franziskus Erfahrungen im deutschen<br />
Sprachraum gesammelt und weiss daher,<br />
dass wir die trennenden, kirchenspaltenden<br />
Erfahrungen des 16. Jahrhunderts<br />
endlich hinter uns lassen<br />
und gemeinsam die Kirche gestalten<br />
wollen.<br />
Welche Reformen kann Franziskus<br />
konkret auf den Weg bringen, um katholische<br />
und protestantische Kirchen<br />
einander näherzubringen<br />
Sicher schwebt dem Papst keine Einheitskirche<br />
vor, sondern eine Kirche<br />
in versöhnter Verschiedenheit. Es ist<br />
nicht notwendig, dass wir alle Elemente<br />
der orthodoxen Kirchenlehre<br />
in eine Einheitskirche einbringen.<br />
Sehr wohl aber müssen alle Exkommunikationen<br />
auf Ortskirchenebene<br />
aufgehoben werden. Das ist im Blick<br />
auf die Ökumene das Wichtigste.<br />
«Man muss<br />
v orsichtig<br />
b leiben»<br />
Sehen Sie Möglichkeiten, dass evangelische<br />
und katholische Christen gemeinsam<br />
Gottesdienst feiern<br />
Es wäre nötig, nun zu realisieren, was<br />
in vielen ökumenischen Konsensdokumenten<br />
bereits beschrieben wurde:<br />
die vollgültige Anerkennung der Ämter<br />
der <strong>Evangelisch</strong>en, Orthodoxen<br />
und Anglikanischen Kirchen durch<br />
die Katholische Kirche. Auf diese Weise<br />
wird eine Abendmahlsgemeinschaft<br />
möglich. Wenn diese Einigungsdokumente<br />
endlich in die Praxis umgesetzt<br />
würden, wären wir einen grossen<br />
Schritt weiter in der Ökumene.<br />
Dabei ist es nicht nötig, dass sich auf<br />
der Stufe der kirchlichen Hierarchien<br />
alles umarmt, aber auf Ortsebene<br />
muss es möglich werden, dass sich die<br />
Menschen umarmen können.<br />
Mit dem Pontifikat von Franziskus sehen<br />
Sie tatsächlich Chancen für eine<br />
solche ökumenische Zukunft<br />
Man muss vorsichtig bleiben, denn<br />
auch Papst Franziskus kann die Chancen<br />
wie sein Vorgänger vertun. Ratzinger<br />
hat als Tübinger Professor viele<br />
Dinge vertreten, die er als Papst vergessen<br />
hat. So ist es immer möglich,<br />
dass jemand als Papst nicht weiter -<br />
gehen möchte und sich ernsthaften<br />
Reformen widersetzt. Wenn sich Franziskus<br />
nach dem Evangelium richtet<br />
und sich ständig fragt: «Was würde<br />
Jesus in meiner Situation tun», dann<br />
denke ich, besteht berechtigte Hoffnung<br />
auf ökumenische Fortschritte,<br />
auf dass die Christenheit mehr zusammenwächst.<br />
<strong>Pressespiegel</strong> der <strong>Evangelisch</strong>-reformierten Landeskirche Graubünden