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Cruiser März 2010

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CRUISER Edition <strong>März</strong> <strong>2010</strong><br />

Musik<br />

Alexandra Burke<br />

Overcome<br />

Neben Skandalstories und<br />

Schauergeschichten gibt es<br />

sie also doch noch, die bezaubernden<br />

Märchen im Musikbusiness.<br />

Es war einmal eine<br />

britische Castingshow, die<br />

schon Leona Lewis hervorgebracht hatte. 2008<br />

hiess die überragende Siegerin Alexandra Burke.<br />

Das Duett mit Beyoncé war für sie die Erfüllung<br />

aller Träume, doch das Märchen hatte<br />

gerade erst begonnen. Ihre erste Single, eine<br />

traumhafte Coverversion von Leonard Cohens<br />

«Hallelujah», verkaufte sich in 24 Stunden über<br />

100 000 mal, ein neuer Allzeitrekord. Daraufhin<br />

jettete die Londonerin um den gesamten Glo-<br />

bus, um ihren musikalischen Stil zu finden und<br />

mit den besten und angesagtesten Produzententeams<br />

an ihrem Debüt zu feilen. Das Ergebnis<br />

zeigt nun eindrücklich, wie viel Spass kommerzielle<br />

Popmusik machen kann, wenn sie gut<br />

genug gemacht ist und wenn genügend Herzblut<br />

durch die Kalkülkanäle fliesst. Alexandras<br />

Songs sind derart mitreissend komponiert und<br />

professionell eingespielt und ihre Stimme ist<br />

so phänomenal, dass dagegen nicht nur hiesige<br />

Castingsternchen alt und blass aussehen,<br />

sondern auch gestandene Stars. Mit Motown-<br />

Elementen wird gespielt, mit R’n’B und Soul,<br />

ein Nachhall von Dancehall und eine Wiederbelebung<br />

des Powerballaden-Genres. Ob Gutelaunesong<br />

oder herzzerreissendes Liebeslied: Alles<br />

fast allzu perfekt, aber irgendwie glaubt man<br />

Alexandra jeden einzelnen Ton. In England, wo<br />

die Berührungsängste zu Kitsch und Kommerz<br />

schon immer geringer waren, ist sie auf bestem<br />

Weg, die neue grosse Ikone der Gay-Szene zu werden.<br />

Kein Wunder, mit «All Night Long» gibt sie<br />

die ultimative Partyqueen, «Broken Heels» ist<br />

der musikgewordene feuchte Traum jeder Drag<br />

Queen und «Silence» der Soundtrack für die Drama-Queen-Nummer<br />

am nächsten Morgen. Bei<br />

all diesen Königinnen-Qualitäten kann der böse<br />

Wolf einfach nicht anders, als der Prinzessin die<br />

volle Sternezahl zu verleihen. In Märchen ist<br />

eben alles möglich. (rg)<br />

Owen Pallett *****<br />

Heartland<br />

Von Arcade Fire über die Pet Shop Boys bis zum Björk-<br />

Remix: Wo auch immer in letzter Zeit innovative Streicherarrangements<br />

gefragt waren, legte der Kanadier<br />

Owen Pallett Hand an. Sein Soloprojekt ist die Vertonung<br />

einer Liebesgeschichte, vom süssen Flirt bis zum<br />

bitteren Aus. Mit Heartland ist ein neuer Planet in der Pop-Galaxie aufgetaucht,<br />

bisher unerforschtes Terrain. Eine futuristische queere Oper<br />

mit pompöser orchestraler Breite und doch intimer emotionaler Tiefe.<br />

Auf den ersten Blick unwegsames Gelände, aber es gibt auch eingängige<br />

Melodien zu beobachten, die mit Schalk und Charme im Dickicht aus<br />

Militärmarsch-Bläsern und Tango-Streichern spazieren gehen. Hinter<br />

jeder Ecke eine neue Klanglandschaft, über allem ein geheimnisvoller<br />

Nebel. Und wenn man etwas Geduld hat, huscht sogar der eine oder andere<br />

schüchterne Hit vorbei. Die Reise auf den Pallett-Planeten bringt<br />

einige Strapazen mit sich, doch ist man erst mal angekommen, möchte<br />

man am liebsten für immer bleiben. (rg)<br />

Martha Wainwright *****<br />

Sans fusils ni souliers<br />

147cm klein war Edith Piaf, und doch überflügelte<br />

der Spatz von Paris in einem bewegten Leben alle.<br />

Es braucht Mut, ihre persönlichen Lieder neu aufzunehmen,<br />

sich dem unmöglichen Vergleich zu stellen.<br />

Rufus’ jüngere Schwester hat es gewagt, und mit<br />

gutem Gewissen kann sie sagen: «Je ne regrette rien.» Gerade auch, weil<br />

sie auf Gassenhauer wie diesen verzichtet und aus den über 200 Piaf-Songs<br />

weniger bekannte Perlen ausgewählt hat. Wer den Facettenreichtum von<br />

Edith vergessen hat oder denjenigen von Martha noch nicht kennt, kann<br />

hier beide auf einmal neu entdecken. Wainwrights Neuinterpretationen<br />

leben nicht von klebriger Nostalgie, sondern von kristallisierter Zeitlosigkeit.<br />

Leidenschaft, Zärtlichkeit und Verzweiflung gehen Hand in Hand<br />

am Seine-Ufer spazieren, das Schicksal macht ein Tänzchen und lässt im<br />

nächsten Moment einen Wirbelsturm aufziehen. Martha haucht den unvergleichlichen<br />

Chansons 147 cm Leben ein, was in diesem Fall heisst: Sie<br />

werden riesengross und können fliegen. (rg)<br />

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