09.03.2015 Aufrufe

Musiker Magazin 01/2015

CLUESO: "Stadtrandlichter" – Ein Bauchalbum, keine Kopfplatte

CLUESO: "Stadtrandlichter" – Ein Bauchalbum, keine Kopfplatte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20 STORIES<br />

Es gibt den Proll-Hip-Hop, da gibt es einen,<br />

der ganz oben ist, dann gibt es den Happy-Hip-<br />

Hop, da gibt es einen, der ganz oben ist, und<br />

genauso im Rock, dann gibt es schlagerartige<br />

Songs, Leute, die sich als Rock tarnen – es gibt<br />

alle Facetten. Und in Amerika ist es genauso. Da<br />

gibt es den Country, es gibt eine Art Schlager, wo<br />

die Texte immer die gleiche Sehnsucht abspulen,<br />

es gibt den deepen Hip-Hop, es gibt alles Mög -<br />

liche und große Acts. Und wir haben inzwischen,<br />

Acts, die live funktionieren. Der eigentliche Hype<br />

ist nur durch Wellen erklärbar. Neue deutsche<br />

Wellen gab es viele. Dann ganz große Leute wie<br />

Grönemeyer, Lindenberg, Westernhagen, Nena<br />

– es gab schon einmal so einen Boom. Das ist<br />

für mich gar nichts Neues. Das ist einfach nur eine<br />

Weile weg gewesen, weil wir von dem amerikanischen<br />

Markt überschwemmt wurden. Der deutsche<br />

Markt ist für Amerika sehr interessant, weil<br />

die hier sehr gut verkaufen.<br />

Album mit sehr vielen beseelten Werken, aber<br />

auch sehr nachdenklichen Sachen. Da fehlt etwas<br />

Lockeres.<br />

MM: Du hast zwei Jahre an dem Album ge -<br />

arbeitet. Welche Entwicklungsphase nahm<br />

dabei die meiste Zeit in Anspruch und warum?<br />

CLUESO: Lieder suchen, also sich zu entscheiden<br />

und zu sagen jetzt beginnt ein Album, ist eine<br />

lange Zeit. Vorher ist man frei, man kann ausgehen,<br />

Sachen machen, leben und versuchen, die<br />

Prozesse einfach laufen zu lassen. Und irgendwann<br />

entscheidet man sich und sagt: Ich mache<br />

jetzt ein Album. Ich wollte eigentlich ein Reise -<br />

album machen, habe das angefangen, abgebrochen<br />

und gemerkt, ich möchte mir das noch einmal<br />

angucken, weil Songs wie „Stadtrandlichter“<br />

kamen, Songs wie „Alles leuchtet“, die Power<br />

haben. Ich dachte, die schlagen durch, die<br />

»Ich finde, Streaming ist die Zukunft.<br />

Allerdings finde ich die Vergütung für Künstler auf<br />

Streaming-Portalen nicht so geil bis total scheiße<br />

und denke, dass sich Bands wehren und vielleicht eine<br />

Allianz bilden müssen.«<br />

MM: Wie viele Songs sind im Zuge der Pro -<br />

duktion entstanden und wonach entscheidest<br />

du, welche Songs endgültig auf das Al bum<br />

kommen?<br />

CLUESO: Das ist eine gute Frage. Ich weiß es<br />

nicht genau. Es ist mehr die Entscheidung von<br />

den Songs selber. Es ist so, dass ich pausenlos<br />

Songs schreibe und es welche gibt, die drücken,<br />

weil sie näher an einem Zeitgeschehen sind. Die<br />

müssen dann raus, weil ich das erzählen will. Das<br />

spiegelt mich am besten wider. Es gibt Songs,<br />

die gammeln, die einen ganz bestimmten, mo -<br />

der nen Sound haben, der auch in eine Zeit reinpasst,<br />

wo man Angst hat und denkt, in drei Jahren<br />

ist das vielleicht nicht das Gleiche. Es gibt aber<br />

Songs wie „Paris“, das ist ein unveröffentlichter<br />

Song, der auf einem kleinen Album, das ich vielleicht<br />

noch machen will, rauskommt, wo ich<br />

merke, der gammelt nicht. Ich kann den spielen,<br />

der ist zeitlos. Ich gehe nach Songs, die beseelt<br />

sind. Diese beseeltesten Stücke versuche ich zu<br />

sammeln, und ich schaue, dass ich welche habe,<br />

die mich ein bisschen piesacken. Die geben das<br />

Album dann wie eine Art Mixtape vor. Aber das<br />

muss man auflockern. „An und für sich“ ist ein<br />

drücken dieses charmante, kleine Reisealbum<br />

beiseite. „Stadtrandlichter“ ist ein Pop-Album, wo<br />

die Band Bock und Energie hatte. Die längste Zeit<br />

war aber die Lernphase. Ich wollte Produzieren<br />

lernen und das war wie eine Fremdsprache lernen.<br />

Ich habe viel gelernt, mir viele Tutorials reingezogen,<br />

viel gelesen, und als ich das zum ersten<br />

Mal angewendet habe, ohne dass ich darüber<br />

nachgedacht habe, einfach so intuitiv, da wusste<br />

ich: Jetzt habe ich eine eigene Handschrift, jetzt<br />

dauert es nicht mehr lange. Vorher dauert es halt<br />

sehr lange.<br />

MM: Dein neues Album ist zurzeit nicht auf<br />

Musik-Streaming-Portalen verfügbar.<br />

Warum hast du dich dagegen entschieden?<br />

CLUESO: Ich finde, Streaming ist die Zukunft.<br />

Ich glaube, und das sage ich auch sehr oft, dass<br />

die CD keine Renaissance erleben wird, dass wir<br />

weiter denken müssen. Allerdings finde ich die Ver -<br />

gütung für Künstler auf Streaming-Portalen nicht<br />

so geil bis total scheiße und denke, dass sich<br />

Bands wehren und vielleicht eine Allianz bilden<br />

müssen. Ich habe erst einmal, da die Diskussion<br />

ganz frisch ist, wir auf Tour sind und das noch<br />

gar nicht ausdiskutieren konnten, alles von<br />

Spotify und vielen Streaming-Portalen runtergenommen<br />

und bin auf iTunes gegangen, weil mir<br />

meine Musik etwas wert ist. Wenn man das musik -<br />

geschichtlich betrachtet, waren <strong>Musiker</strong> schon<br />

einmal Leib eigene für irgendwelche Fürsten und<br />

haben sich ein Urheberrecht erkämpft. Das um -<br />

schiffen jetzt viele Streaming-Plattformen, indem<br />

sie ein Minus geschäft provozieren, einem sagen,<br />

dass nicht mehr viel übrig bleibt, wenig abgeben<br />

und die Ge winne an der Börse wieder reinholen.<br />

Das ist ein Geschäftsmodell, das nur zugunsten<br />

von Streaming-Plattformen ist und Künstler nicht<br />

viel davon sehen. Das ist uncool, weil es ja die<br />

Zukunft ist. In dieser Aufbauphase muss man sich<br />

das kritisch angucken. Das heißt für mich aber<br />

nicht, dass ich nicht dort stattfinden will und mir<br />

vielleicht auch einen Zwischenweg überlege und<br />

musiker MAGAZIN 1/2<strong>01</strong>5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!