HANNOVER ERLEBEN
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„Es gibt viele gute Gründe, um<br />
ins Handwerk zu gehen“<br />
BILDUNG UND WISSENSCHAFT 99<br />
Karl-Wilhelm Steinmann, Präsident der Handwerkskammer<br />
Hannover, erklärt im Interview, warum ein Handwerksberuf für<br />
viele Jugendliche die richtige Wahl ist und wie das Handwerk der<br />
abnehmenden Zahl von Berufsbewerbern begegnet.<br />
Herr Steinmann, warum sollte sich ein junger Mensch<br />
für einen Berufsstart im Handwerk entscheiden?<br />
Weil das Handwerk Zukunft hat. Junge Menschen,<br />
die im Handwerk eine Ausbildung machen, haben<br />
beste Berufsaussichten, einen sicheren Arbeitsplatz<br />
und tolle Aufstiegsmöglichkeiten. Außerdem<br />
haben wir eine breite Palette von 130 Ausbildungsberufen<br />
zu bieten, die sich sehen lassen kann. Vom<br />
Augenoptiker oder Fotografen über den Kfz-Mechatroniker<br />
oder Konditor bis hin zum Raumausstatter<br />
oder Zimmerer – für jeden ist etwas dabei. Hinzu<br />
kommt: Handwerk ist vielseitig, man hat mit Technik<br />
und mit Menschen zu tun, und man sieht<br />
abends, was man geschafft hat. Außerdem arbeitet<br />
man häufig in kleinen und mittleren Unternehmen,<br />
wo der Chef noch jeden Mitarbeiter mit Namen<br />
kennt. Es gibt also viele gute Gründe, um ins Handwerk<br />
zu gehen.<br />
Viele Betriebe finden keine geeigneten Lehrlinge. Gleichzeitig<br />
finden viele Schulabgänger keinen Ausbildungsplatz.<br />
Sehen Sie Auswege aus dieser Misere?<br />
Das Handwerk konkurriert mit Industrie und Handel<br />
um eine immer geringere Zahl von Jugendlichen.<br />
Zudem streben immer mehr junge Menschen ein<br />
Studium an. Das hat zur Folge, dass weniger<br />
Bewerbungen im Handwerk landen. Dagegen hilft<br />
nur eins: Wir müssen uns noch stärker als bisher<br />
um den Nachwuchs bemühen und unseren Betrieben<br />
helfen, attraktiver für junge Menschen zu<br />
werden.<br />
Die Handwerkskammer Hannover unterstützt ihre<br />
Mitgliedsbetriebe auf vielfältige Weise dabei, mehr<br />
Jugendliche für das Handwerk zu begeistern. Handwerkerinnen<br />
und Handwerker gehen in Schulen<br />
und informieren aus erster Hand über Handwerksberufe<br />
und Karrierechancen. Wir organisieren Besuche<br />
von Schulklassen in Handwerksunternehmen<br />
oder in unserem Bildungszentrum, laden zu Speed-<br />
Datings ein und sorgen dafür, dass sich die Jugendlichen<br />
besser vorstellen können, was das Handwerk<br />
alles zu bieten hat. Durch praxisnahe Unterlagen<br />
für den Ausbildungsalltag und Workshops für<br />
Ausbilder, Gesellen und Auszubildende unterstützen<br />
wir unsere Ausbildungsunternehmen dabei, die<br />
Ausbildungsqualität zu optimieren.<br />
Welches sind zurzeit die beliebtesten handwerklichen<br />
Ausbildungsberufe?<br />
Die Beliebtheitsskala der Handwerksberufe ist seit<br />
Jahren nahezu unverändert. Bei den Jungen sind es<br />
der Kfz-Mechatroniker und der Anlagenmechaniker<br />
Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, bei den Mädchen<br />
die Friseurin, die Bürokauffrau und die Fachverkäuferin<br />
im Nahrungsmittelhandwerk, die ganz<br />
oben auf der Liste stehen.<br />
Manche Berufe leiden unter einem schlechten Image.<br />
Gibt es hier Gegenmaßnahmen?<br />
In der Tat gibt es Berufe im Handwerk, die bei jungen<br />
Menschen nicht so beliebt sind. Konkrete Informationen<br />
über Ausbildungsinhalte, Chancen und<br />
Karrieremöglichkeiten können hier Abhilfe schaffen.<br />
Am überzeugendsten ist es, wenn junge Menschen<br />
andere junge Menschen informieren, wenn<br />
sie von ihren eigenen Erfahrungen berichten und<br />
erzählen, was ihnen an ihren Berufen gefällt und<br />
wie sie ihre Ausbildung im Handwerk erleben.<br />
Im August vorigen Jahres startete erstmals der Triale<br />
Studiengang Handwerksmanagement (B. A.). Wie fällt<br />
die erste Bilanz aus?<br />
Das Triale Studium ist eine gute Möglichkeit, leistungsstarke<br />
Jugendliche für eine Karriere im Handwerk<br />
zu gewinnen. Sieben (Fach-) Abiturienten haben<br />
diesen Weg gewählt und im Sommer 2014 in<br />
Hannover das Studium begonnen, um in viereinhalb<br />
Jahren nicht nur den Gesellenbrief, sondern auch<br />
die Meisterprüfung und den Bachelor Handwerksmanagement<br />
zu absolvieren. Man kann nur den<br />
Hut ziehen vor diesen jungen Menschen, denn sie<br />
werden sehr gefordert und müssen wirklich bereit<br />
sein, Leistung zu bringen. Aber die Chancen sind<br />
auch nicht zu verachten: Einen schnelleren Weg,<br />
um im Handwerk Karriere zu machen, gibt es nicht.<br />
Jan Hetebrügge ■<br />
Karl-Wilhelm Steinmann, Präsident der<br />
Handwerkskammer Hannover