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ERGSTE . . . UND WIR IM RUHRTAL! Das Bürgermagazin für die Bürger des <strong>Ruhrtal</strong>s November 2011<br />
nommen haben wollen. Zum Zeitpunkt der<br />
Hinrichtung am Reher Galgen war auch der<br />
berühmte Pfarrer, Arzt <strong>und</strong> Naturforscher<br />
Dr. Johann Christoph Friedrich Bährens aus<br />
Schwerte zugegen, um sich endlich Klarheit<br />
über die strittige Frage des Fortlebens der abgetrennten<br />
Häupter zu verschaffen.<br />
In seinem Bericht, welcher am 7. August 1807<br />
<strong>im</strong> „Westfälischen Anzeiger“ erschien, führte<br />
Bährens unter der Rubrik „Anthropologie <strong>und</strong><br />
Physiologie“ aus:<br />
„das in jüngster Vergangenheit an den<br />
Köpfen Enthaupteter galvanische Versuche<br />
unternommen worden seien, die durch<br />
elektrische Reizung der am Rückenmark freigelegten<br />
Nervenstränge Spuren von Leben<br />
hatten sichtbar werden lassen.<br />
Nun sei bei diesen Versuchen die Frage offen<br />
geblieben, inwieweit noch Bewusstsein in den<br />
Häuptern gewaltet habe.“<br />
Obwohl Bährens schon seit 1802 die entsprechenden<br />
Apparaturen zur galvanischen<br />
Behandlung seiner Patienten besaß, hatte er<br />
sich bei der Hinrichtung des Bechthold auf die<br />
reine Beobachtung des abgetrennten Hauptes<br />
beschränkt.<br />
Um für seine Beobachtung die größtmögliche<br />
Objektivität zu garantieren, hatte Bährens<br />
seinen Arztkollegen Müller aus Lethmathe,<br />
wie auch den Regierungsrat Helling hinzugezogen.<br />
Helling war gebeten worden, für den Fall,<br />
dass tatsächlich Zeichen des Lebens am abgetrennten<br />
Haupt auftreten sollen, mit seiner<br />
Taschenuhr die Dauer dieser Erscheinung zu<br />
messen.<br />
Doch lassen wir jetzt die zeitgenössischen<br />
Mitteilungen von den Ergebnissen der Untersuchungen<br />
vom Jahre 1807 für sich selbst<br />
sprechen.<br />
Der eine der beiden beteiligten Ärzte, Dr. Bährens<br />
berichtete:<br />
„Ich begab mich mit meinem Kollegen <strong>und</strong><br />
Fre<strong>und</strong> Dr. Müller nahe ans Schafott heran.<br />
Uns leitete nicht jene gefühllose Neugierde,<br />
welche Tausende herbeilockte, sondern das<br />
Verlangen, für unsere Wissenschaft <strong>und</strong> die<br />
Menschlichkeit etwas Nützliches zu tun.<br />
Unsere Herzen verstatteten es kaum, den<br />
tödlichen Streich anzusehen, <strong>und</strong> wie sehr<br />
wurden wir mit Wehmut durchdrungen, als<br />
der gefallene Kopf zeigte, was wir nicht zu<br />
ahnen gewagt hatten.<br />
Schon am Abend vorher hatte ich den Regierungsrat<br />
Helling von meiner Absicht unterrichtet,<br />
<strong>und</strong> derselbe stand jetzt mit der<br />
Uhr in der Hand <strong>und</strong> sah, wie wir alle, dass<br />
die Lippen sich bewegten <strong>und</strong> pantom<strong>im</strong>isch<br />
Worte sprachen, das das Gesicht mit den<br />
Bewegungen des Auges den namenlosesten<br />
16<br />
Schmerz ausdrückte, dass das Auge sich nach<br />
dem einen <strong>und</strong> anderen sanft drehte <strong>und</strong> das<br />
alle diese Bewegungen mit dem allmählich<br />
abfließenden Blute schwächer wurde, bis<br />
nach erst acht Minuten der wirkliche Tod des<br />
Kopfes eintrat.<br />
Es fiel <strong>und</strong> nicht, galvanische Versuche zu<br />
machen, denn wenn der Wille des Gesetzes<br />
an einem Verbrecher erfüllt ist, hat kein<br />
Mensch mehr Recht, ihm weiter Schmerzen<br />
zu verursachen. Aber bedurfte es denn noch<br />
anderweitiger Reize, um zu beobachten, was<br />
alle schon sahen? Laien riefen aus: „Der Kopf<br />
hat noch Menschen gekannt!“, <strong>und</strong> man muß<br />
zugeben, dass diese <strong>und</strong> noch andere Vorstellungen<br />
auf dem Gesicht des enthaupteten<br />
Bechthold sichtbar zu lesen waren.<br />
Soweit der schauderhafte Bericht von der<br />
Hinrichtung anno 1807, den der kluge <strong>und</strong><br />
mitfühlende Arzt mit dem ausdrücklichen<br />
Wunsche schließt:<br />
„Möge diese Enthauptung die letzte Westfalens<br />
sein, <strong>und</strong> möge man die Strafe des<br />
Schwerte in die des Stranges verwandeln!“<br />
Es ist nicht die letzte gewesen, aber es ist<br />
vielleicht damals das letzte mal gewesen, das<br />
Menschenfre<strong>und</strong>e auf westfälischen Boden<br />
diesem furchtbaren Problem praktisch näher<br />
zu kommen versucht haben.<br />
In knappen Worten meldet die Kanzlei dem<br />
Grafen die vollzogene Hinrichtung:<br />
„Der Mörder <strong>und</strong> Straßenräuber Bechthold<br />
ist am 19. Juni hingerichtet. Der Scharfrichter<br />
hat seine Sache gut gemacht <strong>und</strong> bei der<br />
Exekution ist sonst ncihts Erhebliches vorgefallen.“<br />
Heute befindet sich an der alten Richtstätte<br />
ein Gedenkstein aus Ruhrquarzit, welcher<br />
dort 1988 vom Verein für Orts- <strong>und</strong> He<strong>im</strong>atk<strong>und</strong>e<br />
Hohenl<strong>im</strong>burg e.V: der Öffentlichkeit<br />
übergeben wurde.<br />
Er trägt die Inschrift:<br />
Günter <strong>und</strong> André Koch bringen Holz in Form für<br />
ihre K<strong>und</strong>en.<br />
REHER GALGEN<br />
EHEMALIGE HINRICHTUNGS-<br />
STÄTTE DER GRAFSCHAFT<br />
LIMBURG LETZTE<br />
HINRICHTUNG AM 19.JUNI 1807<br />
200 Jahre später, fast auf den Tag genau,<br />
trafen sich die befre<strong>und</strong>eten He<strong>im</strong>atvereine<br />
aus Schwerte, <strong>Ergste</strong>, Oestrich <strong>und</strong> Hohenl<strong>im</strong>burg<br />
– welche in einem Sternmarsch aus<br />
allen H<strong>im</strong>melsrichtungen zu der historischen<br />
Stelle gewandert waren, am Samstag, den<br />
23. Juni 2007 um gemeinsam an die letzte<br />
Hinrichtung in der Grafschaft L<strong>im</strong>burg zu<br />
erinnern.<br />
Zu diesem Anlass trug das „Original Schwerter<br />
Moritatenduo He<strong>im</strong>atscholle“ die selbstverfasste<br />
Moritat mit dem Titel:<br />
„Die grausige Mordtat des Jürgen Bechthold<br />
<strong>und</strong> sein sch<strong>im</strong>pfliches Ende <strong>im</strong> Jahr 1807„<br />
am Originalschauplatz des Geschehens vor.<br />
Zum Nachsingen nach der Melodie von „Mariechen<br />
saß weinend <strong>im</strong> Garten“ <strong>und</strong> <strong>zum</strong><br />
besseren Verständnis der tragischen Mordgeschichte<br />
sei die Moritat <strong>hier</strong> noch einmal in<br />
Text <strong>und</strong> Bild dem geneigten Publikum zugeeignet:<br />
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