zum Download hier klicken! - Ergste und Wir im Ruhrtal
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von 1806 - 1975<br />
gezeichnet Ach<strong>im</strong> Möhling<br />
In der Nachbarschaft der „Gaststätte zur Tulpe“<br />
auf der <strong>Ergste</strong>r Kirchstraße wohnte einst<br />
ein fre<strong>und</strong>licher, aber stets zu Streichen aufgelegter<br />
Mann. Es war der Schuhmachermeister<br />
Heinrich Harde, genannt Piäck (Pech). Dieser<br />
betrat an einem späten Abend das Lokal,<br />
in dem sich neben den <strong>Wir</strong>tsleuten „Gandierk“<br />
<strong>und</strong> Guste Brinkmann, genannt „die Tülpsche“,<br />
noch zwei weitere Gäste befanden. Einer<br />
war der ziemlich lautstarke <strong>und</strong> aufdringliche<br />
Heinrich Hövelmann, gen. „Päiter“ (oder<br />
Päiterken) <strong>und</strong> der zweite der ehrenwerte<br />
Bäckermeister Louis Vogt aus der Nachbarschaft,<br />
dem nicht selten der Schalk <strong>im</strong> Nacken<br />
saß. Nach einer Weile belangloser Gespräche<br />
erhebt sich Harden Piäck <strong>und</strong> macht folgende<br />
Ankündigung: („Lustert es! Vi hett tehuse<br />
schlachtet un en Haupen Mettwüörste maket.<br />
Eck la‘ ink alle morgen Owend taum Mettwuorstiätten<br />
<strong>hier</strong> inne „Tulpe“ in. Gandierk un<br />
Guste, ihrt Wäietslüü, sid auk met dobie. Alles<br />
ümzüss!. Inverstohn?“) „Hört mal her! <strong>Wir</strong><br />
haben zu Hause geschlachtet <strong>und</strong> einen Haufen<br />
Mettwürste gemacht. Ich lade euch alle<br />
morgen Abend <strong>zum</strong> Mettwurstessen <strong>hier</strong> in<br />
die Tulpe ein. Gandierk <strong>und</strong> Guste, ihr <strong>Wir</strong>tsleute,<br />
seid auch mit dabei. Alles umsonst!<br />
Einverstanden?“ - Mit Erstaunen <strong>und</strong> großem<br />
Hallo st<strong>im</strong>mten alle zu, wenn auch die <strong>Wir</strong>tsleute<br />
einiges Missfallen erkennen ließen. Tatsächlich<br />
stellten sich am nächsten Abend alle<br />
180 Jahre Gaststätte zur Tulpe,<br />
Krone <strong>und</strong> altdeutsche Gaststätte<br />
Der bestohlene Dieb<br />
nacherzählt von Walter Höher<br />
wieder ein <strong>und</strong> begannen voller Erwartungsfreude<br />
zu trinken. „Piäck, mak vüöran, holl din<br />
Verspiäcken! Piäck, mach voran, halte dein<br />
Versprechen!, forderten sie den Spender auf.<br />
Der reagierte promt <strong>und</strong> verteilte aus einem<br />
Stoffbeutel fleißig eine Wurst nach der anderen.<br />
Als die Zecher sie in die Hand nahmen<br />
<strong>und</strong> <strong>zum</strong> Zwecke echten Genusses zwischen<br />
den Zähnen knacken ließen, sagte die <strong>Wir</strong>tin<br />
verärgert <strong>und</strong> sich auf die guten Sitten des<br />
Hauses besinnend: „Das geht doch nicht, dass<br />
ihr die Würste aus der Hand esst“ - <strong>und</strong> verteilte<br />
Teller, Messer <strong>und</strong> Gabeln. Schließlich<br />
verkehrte dort ja auch der Stammtisch der<br />
„besseren“, der würdigen Herren. Be<strong>im</strong> Essen<br />
entwickelte sich ein bierseliges Gespräch in<br />
gedämpfter Lautstärke, von dem die bekannt<br />
schwerhörigen <strong>Wir</strong>tsleute allerdings nichts<br />
verstehen sollten <strong>und</strong> auch nichts verstanden.<br />
Dann fragte Bäckermeister Louis Vogt<br />
den edlen Mettwurstspender: „Piäck, wie hast<br />
du das bloß fertiggebracht, deiner Alten die<br />
vielen Mettwürste abzuklauen ohne dass sie<br />
das mitgekriegt hat? Die passt doch sonst <strong>im</strong>mer<br />
so auf wie‘n Luchs!“ „Aber nicht so gut,<br />
das ich nicht weiß, wo sie den Schlüssel der<br />
Fleischkammer hingelegt hat, ha-haa!“, antwortet<br />
Piäck verschmitzt. Alle lachten, jubelten<br />
<strong>und</strong> tranken weiter. Bloß einer forschte<br />
listig nach. Man ahnt schon, wer es war. Es<br />
gelang dem gewitzten Bäckermeister Louis<br />
Vogt, dem Mettwurstspender Piäck den Ablageort<br />
des Schlüsselverstecks der Fleischkammer<br />
in seinem Haus abzulauschen. - Die St<strong>im</strong>mung<br />
stieg weiter. Auf dem Höhepunkt der<br />
Begeisterung gab Piäck auch sein Gehe<strong>im</strong>nis<br />
preis: Er sagte mit gedämpfter St<strong>im</strong>me - die<br />
<strong>Wir</strong>tsleute verstanden natürlich nichts - dass<br />
er die vermeintlich gespendeten Würstchen<br />
gar nicht von Zuhause mitgebracht, sondern<br />
sie tags vorher der <strong>Wir</strong>tin aus ihrem Karbüffken<br />
(kleine Vorratskammer) <strong>im</strong> Keller<br />
abgeklaut habe. „Nicht einmal ihr“, prahle er,<br />
„habt das gestern mitgekriegt als ich einmal<br />
austreten ging, ha-haa!“ Diese Schlitzohrigkeit<br />
löste große Freude aus, natürlich auch<br />
Schadenfreude. Als die Party zu einem derben<br />
Saufgelage ausartete, wollte die <strong>Wir</strong>tin alle<br />
Anwesenden rausschmeißen. Aber dem kam<br />
eine Ankündigung des Bäckermeister Louis<br />
Vogt zuvor. Er sagte, wenn auch mit schelmischen<br />
Hintergedanken: „Eck well mi nit lumpen<br />
laoten, vi hett tehuse auk schlachtet; dat<br />
es mi enSchenken wäät. (Hört mal zu; Ich will<br />
mich nicht lumpen lassen. <strong>Wir</strong> haben zu Hause<br />
auch geschlachtet; das ist mir einen Schinken<br />
wert.“) - Und er lud sie alle zu sich nach<br />
Hause ein. Die Reaktion: Großer Jubel! Wenn<br />
auch etwas wackelig, tapsten sie alkoholselig<br />
- sogar gemeinsam mit den <strong>Wir</strong>tsleuten, die<br />
längst kapituliert hatten - die paar Schritte<br />
über die Straße zu Vogts, wo ein geräucherter<br />
Schinken <strong>und</strong> auch frisches Brot aus der<br />
Backstube bereit lagen. Sie mampften was<br />
das Zeug hielt, dabei fehlte ihnen allerdings<br />
das Bier als Schluckhilfe, <strong>und</strong> Piäter sagte:<br />
„Ohne Bäier krieg eck niks mä‘ runner!“ (Ohne<br />
Bier krieg ich nichts mehr runter). Kein Problem:<br />
Im „Backs“ stand ein leerer Wassere<strong>im</strong>er.<br />
Mit Genehmigung von Louis Vogt holte Piäter<br />
diesen leeren Wassere<strong>im</strong>er aus der Backstube,<br />
torkelte damit über die Kirchstraße, drang in<br />
die nicht verschlossene Gaststätte zur Tulpe<br />
ein, ließ den E<strong>im</strong>er randvoll Bier laufen <strong>und</strong><br />
schleppte ihn mühevoll über die Straße zurück<br />
in die Vogtsche Behausung. Es begann<br />
eine Fress- <strong>und</strong> Sauforgie ohnegleichen, so<br />
dass Louis Vogt am nächsten Tag bemerkte:<br />
„Piäck hiët diän ganzen Schenken bolle<br />
ganz alläine friätten; owwer dat dicke Enne<br />
kömmt.“ (Piäck hat den ganzen Schinken<br />
bald ganz alleine gefressen, aber das dicke<br />
Enne kommt.“ - Und das dicke Ende kam: Als<br />
Piäcks Frau morgens die Fleischkammer betrat,<br />
war der Schock groß: Es fehlte ein Vorderschinken.<br />
Sofort hatte sie ihren Mann in<br />
Verdacht, der aber guten Gewissens abstritt,<br />
ihn entnommen zu haben.Stattdessen kam<br />
die Wahrheit heraus: Einer - man kann vielleicht<br />
schon ahnen wer es war - hatte sich<br />
während des Fressgelages unbemerkt für eine<br />
Weile nach draußen verdrückt - Haustüren<br />
blieben früher meist guten Glaubens unverschlossen.<br />
Und so konnte man leise, ungehindert<br />
<strong>und</strong> unbemerkt mit Kenntnis des Schlüsselverstecks<br />
Fleischkammern öffnen, sie nach<br />
der Entnahme eines Vorderschinkens wieder<br />
schließen, den Schlüssel an seinem gehe<strong>im</strong>en<br />
Ort wieder ablegen <strong>und</strong> mit der Beute zu der<br />
Meute verschwinden.