zum Download hier klicken! - Ergste und Wir im Ruhrtal
zum Download hier klicken! - Ergste und Wir im Ruhrtal
zum Download hier klicken! - Ergste und Wir im Ruhrtal
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ERGSTE . . . UND WIR IM RUHRTAL! Das Bürgermagazin für die Bürger des <strong>Ruhrtal</strong>s November 2011<br />
18<br />
Wann muss Schwerte aufstocken?<br />
von Dieter Ackermann AGON Schwerte<br />
Unsere Landschaft verschwindet<br />
Seit Jahrzehnten ist die Natur auf beschleunigtem<br />
Rückzug. Immer mehr Freiflächen<br />
verschwinden unter neuen Wohnsiedlungen,<br />
Straßen, Gewerbegebieten, Einkaufszentren.<br />
Schon 1997 stellte Norbert<br />
Diekmännken, damals Leiter der Unteren<br />
Landschaftsbehörde Kreis Unna, nach Zahlen<br />
des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes <strong>im</strong> Naturreport<br />
fest: „Deutschland braucht in 81<br />
Jahren seine zweite Etage“. Macht Schwerte<br />
da etwa eine Ausnahme? Oder muss die<br />
Ruhrstadt auch aufstocken – <strong>und</strong> wenn ja<br />
wann?<br />
Ist das vorstellbar?<br />
Versuchen Sie sich doch einmal vorzustellen:<br />
Ganz Schwerte, mit <strong>Ergste</strong>, Villigst,<br />
Bürenbruch, Reingsen, Westhofen, Wandhofen<br />
<strong>und</strong> Geisecke ist eine praktisch lückenlos<br />
bebaute Vorstadt des östlichen<br />
Ruhrgebietes. Ordentlich raumordnerisch<br />
geplant erstrecken sich vom Schwerter<br />
Wald bis in den Bürenbrucher Wald Altbau-<br />
<strong>und</strong> Neubaugebiete, Reihenhausanlagen<br />
mit Dachbegrünung, Gewerbegebiete,<br />
Einkaufszentren, Sportanlagen, Wohn- <strong>und</strong><br />
Gewerbeparks, Autobahnen, B<strong>und</strong>esstraßen,<br />
Kreisstraßen, wohnumfeldverbesserte<br />
<strong>und</strong> verkehrsberuhigte Stadtstraßen. Nur<br />
etwas fehlt: Wiese <strong>und</strong> Weide, Wald <strong>und</strong><br />
Feld. Natürlich ist das nur eine Fiktion. Eine<br />
Vorstellung aber, deren Realisierung mit jeder<br />
neuen Inanspruchnahme von Freiraum<br />
ein Stück näher rückt.<br />
Mit 17-facher Geschwindigkeit!<br />
Ein fahrendes Auto wird als schnell wahrgenommen,<br />
Baumaßnahmen als lang andauernde<br />
Einzelereignisse. Für die Geschwindigkeit<br />
des Flächenverbrauchs, der ja in<br />
Salamitaktik scheibchenweise erfolgt, fehlt<br />
uns einfach das Empfinden. Sie erschließt<br />
sich erst mit ein paar Zahlen.<br />
Schwerte wurde bekanntlich 1397 erstmals<br />
erwähnt. Über die damalige bebaute Fläche<br />
ist nichts bekannt – sie wird aber noch sehr<br />
klein gewesen sein. Andererseits wissen wir,<br />
dass bei der Gebietsreform 1975 die Fläche<br />
der Stadt Schwerte mit 56,18 km² festgesetzt<br />
wurde, wovon 18% bebaut <strong>und</strong> 82%<br />
freie Landschaft war. Wenn wir annehmen,<br />
dass <strong>im</strong> 14. Jahrh<strong>und</strong>ert vielleicht 4% dieser<br />
später festgesetzten Fläche bebaut gewesen<br />
sein mag, dann wurde in 578 Jahren<br />
nur 14% der Fläche zugebaut.<br />
Das statistische Handbuch für den Kreis<br />
Unna nennt als zurzeit aktuellste Zahlen<br />
(für das Jahr 2009) r<strong>und</strong> 32% bebaute<br />
<strong>und</strong> 68% noch freie Fläche. Das bedeutet für<br />
den Zeitraum von 1975 bis 2009, also für 34<br />
Jahre 32% – 18% = 14% zusätzlich bebaute<br />
Fläche. Bei diesem groben Vergleich stellen<br />
wir schon fest, dass für den Freiflächenverlust<br />
von je 14% erst 578 Jahre <strong>und</strong> nun nur noch<br />
34 Jahre gebraucht wurden. Die Geschwindigkeit<br />
des Landschaftsverbrauchs ist heute<br />
also etwa 17-mal so hoch wie zuvor.<br />
Wann muss Schwerte aufstocken?<br />
Um diese fiktive Frage zu beantworten nehmen<br />
wir an, dass die durchschnittliche Geschwindigkeit<br />
der Freiflächenabnahme so<br />
anhält wie in den letzten 34 Jahren, nämlich<br />
0,41% der Gesamtfläche pro Jahr. Von der<br />
noch vorhandenen Freifläche von 68% dürfen<br />
oder können Anteile aber nicht bebaut<br />
werden.<br />
Das sind wegen der Trinkwassergewinnung<br />
das <strong>Ruhrtal</strong> mit etwa 8 km², unbebaubare<br />
Bachtäler, Siepen <strong>und</strong> die ausgewiesenen Naturschutzgebiete<br />
mit r<strong>und</strong> 2,4 km², insgesamt<br />
also auf die Gesamtfläche Schwertes bezogen<br />
etwa 18,5%. Somit verbleiben als bebaubare<br />
Freifläche nur noch 49,5% der Gesamtfläche.<br />
Die würden unter der oben genannten Voraussetzung<br />
noch für 120 Jahre ausreichen.<br />
Zum Vergleich: In der Forstwirtschaft heißt<br />
es, dass eine Rotbuche ihre Hiebsreife mit<br />
120 – 140 Jahren erreicht. Wenn es so weiter<br />
ginge, müsste also <strong>im</strong> Jahre 2131 der letzte<br />
Wald abgeholzt <strong>und</strong> überbaut sein, <strong>und</strong> es<br />
müsste begonnen werden, für neues Bauland<br />
eine Etage auf Stelzen zu errichten - vielleicht<br />
über dem <strong>Ruhrtal</strong>.<br />
Sachzwänge?<br />
Seit 2000 beginnt sich das rasante Tempo des<br />
Flächenschw<strong>und</strong>es etwas zu verlangsamen.<br />
Dazu haben sicher der damalige Konjunktureinbruch<br />
<strong>und</strong> die Angst vor dem Verlust<br />
des Arbeitsplatzes beigetragen. Wenn der<br />
Freiraum knapper wird, steigen die Gr<strong>und</strong>stückspreise.<br />
Es ist aber <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e auch unerheblich,<br />
wann genau der letzte Quadratmeter<br />
unter begrünten Dächern, Zierrasen<br />
<strong>und</strong> Ökopflaster verschwinden wird - unsere<br />
Politiker <strong>und</strong> wir werden es jedenfalls nicht<br />
mehr erleben. Das ist sicher einer der Gründe,<br />
warum das Thema Freiflächenschw<strong>und</strong> kaum<br />
wahrgenommen wird. Außerdem haben wir<br />
genügend Probleme, die uns <strong>hier</strong> <strong>und</strong> heute<br />
drücken. Nach kurzer Erholung ist der nächste<br />
Abschwung schon in Sicht mit sinkenden<br />
Steuereinnahmen <strong>und</strong> wachsenden Schuldenbergen.<br />
Wie ernst die finanzielle Lage der<br />
Stadt ist, darüber haben die Zeitungen oft<br />
genug berichtet.<br />
Schulsportplätze wurden als Bauland verkauft,<br />
große Baugebiete ausgewiesen <strong>und</strong><br />
bebaut. Man denke nur an den Wandhofer<br />
Bruch, Geisecker Talstraße, Ökosiedlung am<br />
Elsebad, Thüner Wiesen, Alter Dortm<strong>und</strong>er<br />
Weg. Trotzdem wächst der Schuldenberg<br />
<strong>und</strong> die Einwohnerzahl schrumpft weiter.<br />
Untersuchungen haben längst gezeigt, dass<br />
mehr Menschen nicht nur mehr Steuern<br />
in die Stadtkasse bringen, sondern dass sie<br />
auch mindestens genau so hohe Kosten<br />
verursachen.<br />
Man dürfe aber der negativen Bevölkerungsentwicklung<br />
in Schwerte nicht<br />
tatenlos zusehen, meinen unisono eine<br />
Wohnungsbaugesellschaft <strong>und</strong> eine Partei<br />
in Schwerte. Immerhin stamme r<strong>und</strong> die<br />
Hälfte der Einwohner <strong>im</strong> neuen Baugebiet<br />
Alter Dortm<strong>und</strong>er Weg nicht aus Schwerte.<br />
Anderen Kommunen sollen also die<br />
Menschen abgeworben werden. Aus der<br />
Aufforderung spricht natürlich vor allem<br />
Eigennutz.<br />
Fruchtfolge <strong>und</strong> Entmischung<br />
Neue Baugebiete als Allheilmittel gegen<br />
leere Kassen <strong>und</strong> schwindende Einwohnerzahl?<br />
Für die Bauern an den Ortsrändern<br />
wäre das die ersehnte goldene Fruchtfolge.<br />
Sie verkaufen gern, wenn auch die Landwirtschaftskammer<br />
NRW warnt, dass dem<br />
Flächenverbrauch dringend Einhalt geboten<br />
werden müsse. Wer kann es den Bauern<br />
verdenken, wenn inzwischen fast der<br />
h<strong>und</strong>ertfache Preis des Ackerlandes fürs<br />
Bauland gezahlt wird?<br />
So sind in der Vergangenheit die Freiflächen<br />
geschrumpft <strong>im</strong> gleichen Maße wie<br />
Schwerte <strong>und</strong> seine Ortsteile gewachsen<br />
sind. In den Städten des Ruhrgebietes, allen<br />
voran Dortm<strong>und</strong>, gibt es <strong>im</strong>mer noch<br />
genug Interessenten, die „<strong>im</strong> Grünen“<br />
wohnen möchten. Die Frage ist höchstens,<br />
wer es sich leisten kann, draußen zu bauen.<br />
Seit Jahren klagen die Großstädte nicht<br />
nur über den Einwohnerschw<strong>und</strong>, sondern<br />
auch über die soziale Entmischung: Arm<br />
muss bleiben - Reich zieht weg, ins (noch)<br />
Grüne.<br />
Erkenntnis ohne Handeln -<br />
auch in <strong>Ergste</strong><br />
Das Landschaftsgesetz NRW stellt fest, dass<br />
Landschaft <strong>und</strong> Natur Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />
des Menschen <strong>und</strong> Voraussetzung für seine<br />
Erholung sind. Gleichwohl wird sofort<br />
abgeschwächt: „Die... Anforderungen sind<br />
untereinander <strong>und</strong> gegen die sonstigen<br />
Anforderungen der Allgemeinheit an Natur