Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Wilhelm Hausenstein - Adenauers erster Missionschef in Paris 669<br />
18. Mai 1955 die Dienstgeschäfte in Paris aufnahm, verabschiedete ihn fast das ganze<br />
diplomatische Corps auf der Gare de l'Est. Nach einem kurzen Interim in Tutzing<br />
zog Hausenstein Anfang Februar 1956 mit seiner Frau - trotz der „unueberwindbare[n]<br />
Lieblosigkeit gegenueber dem ... zugereisten Nichtbayern" - nach München 181 .<br />
Die Art seiner Entlassung erfüllte den Botschafter mit großer Bitterkeit. Sie richtete<br />
sich gegen Blankenhorn, vor allem aber und wohl „zu Unrecht" 182 gegen Hallstein,<br />
weil der Abberufungserlaß seine Unterschrift trug. Adenauer dagegen sprach<br />
er von jeglicher Schuld frei, weil der Kanzler ihn Ende März 1955 gebeten hatte, bei<br />
seinen Rücktrittsplanungen kein Datum festzusetzen, und Brentano ihm noch im<br />
September versicherte, Adenauer habe ihn nicht verabschieden wollen 183 .<br />
Seine fortan „niedergeschlagen[e]" 184 Verfassung sollte er bis zu seinem Tode nicht<br />
mehr überwinden. Vermengt mit einer tiefen Unzufriedenheit über die Politik der<br />
Bundesregierung, steigerte sie sich bis zur herbeigesehnten inneren Emigration und<br />
dem Wunsch nach einer völligen Isolation mit seiner Frau 185 . Selbst die - von französischer<br />
Seite bewußt als einzigartig hervorgehobene 186 - Verleihung des „Grand Officier<br />
de la Legion d'Honneur" durch den von ihm trotz seiner Eitelkeit geschätzten<br />
Francois-Poncet 187 am 17.September 1955 bot ihm nur einen neuerlichen Beweis,<br />
wie sehr „es auf deutscher Seite an wirklichem, zureichendem Dank gelegentlich<br />
des Abschieds gefehlt hat" 188 .<br />
Trotz aller Freude über die ihm zuteil werdende hohe Ehre reichte es Hausenstein<br />
auch nicht, daß das Land Baden-Württemberg ihm im Januar 1955 den Professorentitel<br />
verlieh oder einzelne ihm nahestehende Persönlichkeiten wie etwa Heinrich von<br />
Brentano oder Hans-Joachim von Merkatz den Wert seiner Pariser Jahre würdigten<br />
189 . Ihn belasteten die weithin kolportierte Fabel über seine persönlichen Unzu-<br />
181<br />
Ebenda, 66.1847/8, Hausenstein an Heuss, 11.1. 1955; siehe auch PA, NL Hausenstein, Bd. 11,<br />
B1.34, Hallstein an Hausenstein, Tel. 198, 22.4. 1955, Geheim, 110-00/Geh Nr.70/55; ebenda,<br />
B1.34, Hausenstein an AA, zu 110-00/Geh Nr.70/55, Geheim, Konzept, 27.4. 1955; ebenda,<br />
B1.62, Heuss an Coty, 6.5. 1955, Abschrift; ebenda, B1.35, Maltzan an AA, 118-00 Maltzan I<br />
1969, Ang. I, 18.5. 1955, Abschrift; Brück, Schriftsteller, S.250.<br />
182<br />
Frank, Botschaft, S.20; siehe auch Tagebuch Hausenstein, 25.9. 1955, in: Hausenstein, Impressionen,<br />
S. 74 ff.<br />
183<br />
Tagebuch Hausenstein, 25.9. 1955, in: Ebenda, S.75. Zu Hausensteins Abschiedstreffen mit<br />
Adenauer am 19.9. 1955 vgl. Hausenstein, Erinnerungen, S. 83-90.<br />
184<br />
Tagebuch Hausenstein, 25.8. 1955, in: Hausenstein, Impressionen, S.63 ff., hier S.63.<br />
185<br />
Vgl. Tagebuch Hausenstein, 21. 7. 1955, in: Ebenda, S.47f.<br />
186<br />
So etwa die Äußerung des Generals Ganeval: „Ich glaube nicht, daß es ein Präzedenz in diesem<br />
Jahrhundert gibt." (DLA, NL Hausenstein, 66.2159, Ganeval an Hausenstein, 11.8. 1955.)<br />
187<br />
Vgl. Tagebuch Hausenstein, 10.8. 1955, in: Hausenstein, Impressionen, S.58 f.<br />
188<br />
Tagebuch Hausenstein, 21.7. 1955, in: Ebenda, S.48; Eintragung 29.7. 1955, S.51 f. und 24.9.<br />
1955, S.72ff., hier S.72; DLA, NL Hausenstein, 66.3321, Hausenstein an Maltzan, o.D., Konzept.<br />
Zu den Widerständen in der französischen Regierung gegen die Dekoration vgl. ebenda,<br />
66.2603/3, Walther an Hausenstein, 26.7. 1955; Tagebuch Hausenstein, 20.3. 1956, in: Hausenstein,<br />
Impressionen, S. 106-110.<br />
189<br />
Vgl. Tagebuch Hausenstein, 25.9. 1955, in: Ebenda, S.74ff.; DLA, NL Hausenstein, 66.2064/3,<br />
Brentano an Hausenstein, 19.7. 1955, im Auszug abgedruckt in: Migge, Hausenstein, S. 156f.