Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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676 Ulrich Lappenküper<br />
gefährlichen Auftritt neuer deutscher Streitkräfte a limine vorzubeugen" 226 . Wenngleich<br />
die Mission stets skeptisch blieb, ob die Nationalversammlung das Abkommen<br />
wirklich ratifizieren werde, durchzog die Berichte bis in den Sommer 1954 hinein<br />
doch auch die Hoffnung, Frankreich werde sich seiner großen Verantwortung<br />
nicht entziehen 227 . So mutet Hausensteins, die eigene Weitsicht betonende nachträgliche<br />
Feststellung, Bonn sei durch die Ablehnung der EVG durch das französische<br />
Parlament „überrascht, ja befremdet [gewesen]. Unsere Mission war es nicht" 228 , ein<br />
wenig überheblich an. Ob Adenauer - wie er vorgibt - tatsächlich seine Warnungen<br />
„nicht wahrhaben wollte, durch diese Berichte vielmehr verärgert wurde - wahrscheinlich<br />
nicht ohne Zutun des primitiven Optimismus, zu dem Herr Hallstein ...<br />
neigen mochte" 229 , kann hier nicht geklärt werden. Fest steht indes, daß der Bundeskanzler<br />
- wiewohl eindeutig auf die EVG setzend - Alternativplanungen keineswegs<br />
außer acht ließ 230 .<br />
Als das Projekt dann tatsächlich an der Haltung der Assemblée Nationale scheiterte,<br />
war <strong>für</strong> Hausenstein der Schuldige schnell gefunden: Mendès France. Denn der<br />
französische Regierungschef hatte - die Tragweite des Scheiterns der EVG nicht in<br />
vollem Umfang ermessend 231 - eine „Schicksalsstunde ..., in der sich das Verhältnis<br />
zwischen Frankreich und Deutschland auf eine besonders intensive Weise <strong>für</strong> beide<br />
Teile hätte zum Guten wenden lassen" 232 , nicht genutzt.<br />
Von einer ähnlichen Bedeutung <strong>für</strong> das deutsch-französische Verhältnis wie die<br />
Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft schien Hausenstein die Kooperation<br />
beider Staaten in Nordafrika. Nach einer mehrwöchigen Studienfahrt<br />
nach Marokko hob er in einem Reisebericht vom 19. Mai 1954 hervor, es sei ein<br />
abendländisches Interesse hohen Ranges, daß Europa die französische Position in<br />
Nordafrika festige, weil diese Region eines Tages „ein entscheidendes Glacis Europas<br />
gegen den sowjetischen Einflußbereich im Osten" sein werde 233 . In diesem Sinne<br />
müsse auch die Bundesrepublik eine „in vernünftigem Stil auf Wahrung französischer<br />
Autorität in Nordafrika gerichtete Politik" betreiben 234 .<br />
Gegen verbreitete Vorstellungen wagte er daher auch die These, ob die dort eingesetzten<br />
deutschen Fremdenlegionäre „über die verwerfliche Verwendung als natio-<br />
226<br />
Hausenstein, Erinnerungen, S. 131.<br />
227<br />
Vgl. PA, Abt.2, Bd.987, Walther an AA, Nr.221-20/Nr.l239, 18.6. 1952; ebenda, BStS, Bd.267,<br />
Aufzeichnung Hausenstein, Nr. StS 721, 29.1. 1953; ebenda, Abt.3, AZ 232-00, Bd.9, Aufzeichnung<br />
der Botschaft Paris, Nr.215.232-10/22/1345/54, 2.7. 1954.<br />
228<br />
Hausenstein, Erinnerungen, S. 137.<br />
229<br />
Ebenda, S. 108.<br />
230<br />
Vgl. PA, Abt.3, AZ 232-00, Bd.8, Etzdorf, Walther an AA, Tel. 189, 22.4. 1954; ebenda, Abt.2,<br />
Bd. 1251, Aufzeichnung Blank, Nr. L 94/54, 7.7. 1954, Streng geheim; BAK, NL Blankenhorn,<br />
Bd. 32 a, Bl. 76-88, Grewe an Staatssekretär, Aufzeichnung, 25.8. 1954, Geheim.<br />
231<br />
Hausenstein, Erinnerungen, S. 130.<br />
232<br />
Ebenda, S. 132.<br />
233<br />
PA, Abt.2, Bd.283, Bl. 428-447, Aufzeichnung Hausenstein, o.D., hier Bl.447. Hausenstein übersandte<br />
die Aufzeichnung am 19.Mai an das AA; siehe auch Hausenstein, Erinnerungen, S. 108.<br />
234<br />
Ebenda, S. 135.