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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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686 Albrecht Hagemann<br />

te nach südafrikanischer Vorstellung auch ein kurzer Besuch des Ministers in Bonn<br />

erfolgen. Das AA lehnte dies mit dem Hinweis auf Terminprobleme ab 26 . Von Etzdorf<br />

schrieb darüber in einer Aufzeichnung, „die SBZ und die Sowjetunion würden<br />

aus einer derartigen Geste sofort Kapital schlagen" 27 . Im übrigen müsse es wegen<br />

der Apartheid ohnehin immer wieder zu Kollisionen mit Pretoria kommen: „weil<br />

wir uns mit Rücksicht auf unsere eigene Lage eindeutig <strong>für</strong> das Selbstbestimmungsrecht<br />

der afrikanischen Völker aussprechen müssen, ein Recht, das die südafrikanische<br />

Regierung den Schwarz-Afrikanern abstreitet. Eine besondere Sympathie-<br />

Kundgebung zugunsten Südafrikas müßte unsere moralische Position in der Wiedervereinigungsfrage<br />

schwächen." Die Drohung Pretorias, die Bundesrepublik wirtschaftlich<br />

zu benachteiligen, sollte man in den Augen von Etzdorf nicht allzu ernst<br />

nehmen, da Südafrika aufgrund seiner Isolation dringend an Handelsbeziehungen interessiert<br />

sei. Er gab der Regierung Südafrikas die Schuld an der „gegenwärtigen Entwicklung",<br />

da so gut wie kein anderer Staat der Welt Verständnis <strong>für</strong> die Apartheid<br />

aufbringe 28 .<br />

Von Etzdorfs Haltung wurde im AA nicht durchgängig geteilt. Staatssekretär van<br />

Scherpenberg sprach sich <strong>für</strong> die Einladung Louws aus, und er fügte unter dem<br />

7. August 1960 der Aufzeichnung von Etzdorfs die handschriftliche Notiz hinzu:<br />

„Der Besuch braucht nicht groß herausgestellt zu werden. Wir können, wenn einer<br />

der afrikanischen Staaten meckert, immer sagen, wir hätten versucht, mäßigend auf<br />

Louw einzuwirken. Es scheint mir nicht gut, den einzigen weißen Staat Afrikas gegen<br />

uns aufzubringen." 29 Der Besuch des Ministers fand schließlich nicht statt, das<br />

Tauziehen um die Einladung führte jedoch zu einer monatelangen Verstimmung in<br />

den bilateralen Beziehungen 30 .<br />

Das Studium der Analysen und Kommentare, die in Bonn zur Apartheid angefertigt<br />

wurden, führt unweigerlich zu der hypothetischen Frage, wie das Urteil über<br />

den südafrikanischen Rassismus ausgefallen wäre, hätte die Bundesregierung nicht<br />

unter dem Ost-Berliner Druck gestanden. Die eigene Erfahrung mit dem NS-Rassismus<br />

wurde gegenüber Pretoria nicht ins Feld geführt, sie diente vielleicht sogar als<br />

ein Vorwand <strong>für</strong> Untätigkeit. Von Etzdorf telegraphierte im Zusammenhang mit der<br />

Frage des Louw-Besuchs an Botschafter Granow in Pretoria, die Bundesrepublik<br />

müsse bei „allen ihren Äußerungen zu Rassenproblemen Vorsicht walten lassen" angesichts<br />

des „auf ihr lastenden Erbes der auf Rassenwahn beruhenden Greueltaten<br />

des Dritten Reiches" 31 . Und auch die Menschenrechte scheinen bei der Beurteilung<br />

der Apartheid <strong>für</strong> von Etzdorf kein ausschlaggebendes Kriterium gewesen zu sein.<br />

26<br />

Der Protokollchef des AA, Botschafter von Braun, sprach in einer Aktennotiz von dem „uns angedrohten<br />

Besuch" Louws; PA AA, Pol. Abt.3, Ref.307, Bd. 185, 29.4. 1960.<br />

27<br />

Ebenda, Vs-vertraulich, Aufzeichnung von Etzdorfs vom 1. 8. 1960.<br />

28<br />

Ebenda.<br />

29<br />

Ebenda.<br />

30<br />

BAK, Außenstelle Hangelar, B 136, Bd.2075, Aufzeichnung Dr. Osterheld vom 13.10. 1960.<br />

31<br />

PA AA, Pol. Abt.3, Ref.307, Bd.185, VS-vertraulich, Telegramm von Etzdorf an Granow 14.6.<br />

1960.

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