Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Wilhelm Hausenstein - Adenauers erster Missionschef in Paris 643<br />
Wie delikat sich die künftige Arbeit gestalten sollte, zeigte sich, noch ehe der Generalkonsul<br />
seinen Fuß auf französischen Boden gesetzt hatte. Als Termin <strong>für</strong> die<br />
Übernahme der neuen Dienststelle war zunächst die erste Juli-Hälfte vorgesehen.<br />
Doch erschien es unmöglich, daß Hausenstein an Empfängen anläßlich des französischen<br />
Nationalfeiertags am 14. Juli teilnahm, ohne vorher seine Aufwartung bei den<br />
Kollegen gemacht zu haben. Auch bereitete die Frage der Beflaggung an diesem Tag<br />
Probleme, weil man einerseits kaum die deutsche Fahne an einem Gebäude aufziehen<br />
konnte, das der Bundesrepublik noch gar nicht gehörte, andererseits ein Nichthissen<br />
rasch von den Zeitungen hätte kritisiert werden können. Hausenstein hielt es<br />
daher auf Anraten seines zukünftig zweiten Mannes, Albrecht von Kessel, <strong>für</strong> sinnvoll,<br />
den Festtag abzuwarten 41 . Als mit dem Ausbruch des Koreakrieges Mitte Juni<br />
1950 in Bonn jedoch das Bedürfnis nach einem Beobachter in Paris plötzlich stieg<br />
und Kessel am 30. Juni „etwas Hals über Kopf" als Vorauskommando nach Paris beordert<br />
wurde, schienen die Vorbehalte gegenüber einer frühen Anreise zunächst<br />
durch Erwägungen der hohen Politik behoben 42 , setzten sich dann bei Kessel und<br />
Hausenstein aber durch. Um nun nicht zu nahe am Termin der Feierlichkeiten anzukommen<br />
und die Sonntagsruhe der Mitarbeiter im Quai d'Orsay nicht zu stören, traf<br />
der neue Vertreter der Bundesrepublik Deutschland am Montag, dem 17. Juli 1950, in<br />
Paris ein 43 . Da er „keinen geräuschvollen Empfang" 44 wünschte, fungierten nur Kessel<br />
und der <strong>für</strong> das Protokoll zuständige Konsul Hans-Christian Halter als Empfangskomitee.<br />
Von der französischen Seite begrüßte ihn der stellvertretende Protokollchef<br />
des Quai d'Orsay, Charles Lesca, mit „der abgemessenen konventionellen<br />
Artigkeit", die das Verhältnis beider Staaten zu jener Zeit prägte: „so knapp wie trokken"<br />
45 .<br />
In einer kurzen Presseerklärung umriß Hausenstein die Schwerpunkte seines zukünftigen<br />
Wirkens an der Seine: „Ich bin nicht hierhergekommen, um hohe Politik<br />
zu machen. Ich bin hier, um einfach meine konsularischen Aufgaben zu erfüllen, die<br />
zum großen Teil wirtschaftlicher Natur sind;" Freilich dachte er nicht daran, sich<br />
mit ökonomischen Problemen zu begnügen, und gestand denn auch sofort ein, daß<br />
er auch den kulturellen Austausch zwischen beiden Ländern fördern wolle. „Ich bin<br />
ein Mann guten Willens" - so fügte er umgehend hinzu - „und möchte gleichzeitig<br />
Zeugnis ablegen <strong>für</strong> den guten Willen der sehr großen Mehrheit meines Volkes." 46<br />
Um die auf eine deutsch-französische Verständigung gerichtete Politik des Bundeskanzlers<br />
nach Kräften zu unterstützen, hielt er es <strong>für</strong> unabdingbar, zunächst den Beweis<br />
zu erbringen, „daß aus dem Deutschland des Hitlerismus ein anderes Deutsch-<br />
41<br />
Vgl. PA, NL Hausenstein, Bd. 7, Bl.202, Kessel an Hausenstein, 27.6. 1950.<br />
42<br />
Ebenda, B1.204 f., Kessel an Hausenstein, 29.6. 1950; vgl. auch AMAE, All., Bd. 135, Bl.178,<br />
Francois-Poncet an MAE, Tel.2306, 17.5. 1950.<br />
43<br />
PA, NL Hausenstein, Bd. 7, B1.206, Hausenstein an Kessel, 3.7. 1950.<br />
44<br />
Ebenda, B1.47, Süddeutsche Zeitung, 18.7. 1950.<br />
45<br />
Hausenstein, Erinnerungen, S.35.<br />
46<br />
PA, NL Hausenstein, Bd.7, B1.47, Kölnische Rundschau, 18.7. 1950; vgl. auch ebenda, Bd.8,<br />
B1.6, Le Monde, 10.7. 1950.