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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Antifaschisten in der SBZ 621<br />

und häufig ohne innere Überzeugung - hingenommen worden, auch weil der Sonderstatus<br />

der „Kämpfer gegen den Faschismus" unangetastet blieb.<br />

Die Mehrheit der „Politischen" verband ihre Zukunftserwartungen - zumindest<br />

grundsätzlich - mit der gesellschaftlichen Entwicklung in der SBZ. Die Haltung zur<br />

„antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung" wurde <strong>für</strong> sie sehr bald zum ausschlaggebenden<br />

Kriterium <strong>für</strong> die Anerkennung als OdF, auch wenn dies nicht hieß,<br />

daß sie selbst jede Entwicklung in der SBZ/DDR gebilligt hätten. Geschke hatte schon<br />

in Leipzig einen Führungsanspruch der „Politischen" <strong>für</strong> die Nachkriegszeit angemeldet:<br />

„[...] alle, die am schwersten gelitten haben und am meisten gekämpft haben gegen<br />

die faschistische Herrschaft, sind die Berufensten bei der schweren Arbeit, die wir noch<br />

zu erfüllen haben, bei der Ausrottung der letzten Faser des nationalsozialistischen<br />

Gifts, der nationalsozialistischen Verseuchung des deutschen Volkes." 32 Gleichzeitig<br />

formulierte er einen neuen „Heldenbegriff", der zur Abgrenzung gegenüber den Mythen<br />

der NS-Propaganda dienen sollte, aber ähnliche Bilder enthielt. Geschke ging es<br />

zunächst um die Forderung nach Umerziehung der Bevölkerung, zugleich klang aber<br />

auch jenes elitäre Bewußtsein vom selbstlosen Widerstandskämpfer, das - untrennbar<br />

mit dem angemeldeten Führungsanspruch verknüpft - den Realitäten bald weit entrückt<br />

war. Noch Ende 1949 herrschte nach Ansicht des Landessekretariats der VVN<br />

Sachsen-Anhalts in den eigenen Reihen die Auffassung, eine „Organisation besonders<br />

erlesener Menschen" 33 zu sein. Gelegentlich entschlüpfte selbst führenden VVN-Funktionären<br />

- verschlüsselt, weil mit gängigen politischen Vokabeln verbunden - ein derartiger<br />

Gedanke. Fritz Beyling, damals Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt und später<br />

Generalsekretär der VVN in der DDR, erklärte im Januar 1950 auf einer Landesarbeitskonferenz:<br />

„So wird uns der Kampf um die Sicherung des Friedens als Vortrupp der in<br />

Nationaler Front kämpfenden deutschen Menschen gewappnet finden." 34<br />

wollen, handelte es sich bei den Leipziger Diskussionen in erster Linie um die Überwindung der<br />

Auffassung vieler „Politischer", die nur Widerstandskämpfer als „richtige" OdF akzeptierte. Zu<br />

jenen „unpolitischen" Verfolgten, deren formelle Akzeptanz hier mühsam durchgesetzt wurde,<br />

zählten neben den Juden auch die Zeugen Jehovas sowie viele der auf Grundlage des Heimtükke-Gesetzes<br />

und wegen Wehrkraftzersetzung Verurteilten. Zweifellos ging es in Leipzig auch<br />

um Bündnispolitik, aber nicht um die Bildung einer Massenorganisation. Geschke zielte in seinem<br />

Referat eindeutig auf das Modell des Berliner OdF-Hauptausschusses, der aber zu diesem<br />

Zeitpunkt eben keine Organisation, sondern in erster Linie eine sozial<strong>für</strong>sorgerische Instanz (des<br />

Berliner Magistrats) war. Die Dauer seiner politischen Ausstrahlung auf die SBZ war begrenzt.<br />

Die meisten regionalen OdF-Ausschüsse in der SBZ waren zu dieser Zeit schon keine selbständigen<br />

Gremien mehr. Übrigens wandte sich Geschke in Leipzig gegen Vereine ehemaliger KZ-Häftlinge.<br />

U. E. gibt es keine von dieser Konferenz ausgehende Kontinuitätslinie hin zur Bildung der<br />

VVN. Vgl. Groehler, Integration und Ausgrenzung, besonders S. 109 ff. Zu Geschkes Referat in<br />

Leipzig vgl. SAPMO-BA, ZPA, V 277/1/1, Bl. 10 f., 16, Protokoll der Konferenz der OdF-Ausschüsse<br />

in Leipzig, 27./28.10. 1945.<br />

32<br />

Ebenda, Bl. 9f. (Hervorhebung d.A.).<br />

33<br />

LA Magd., Rep. K MW 9913, B1.52, Protokoll der Sitzung des VVN-Sekretariats Sachsen-Anhalt,<br />

5.12.1949.<br />

34<br />

Rufer und Mahner, VVN-Mitteilungsblatt des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, Halle, Febru­<br />

ar 1950, S.3 (Hervorhebung d.A.).

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