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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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706 Albrecht Hagemann<br />

ist nicht allein die Rassefrage. In dem Drängen der nichtweissen Arbeiterschaft steckt auch ein Stück<br />

Klassenkampf, das Aufbegehren des um seine Lebensrechte ringenden Industrieproletariats.<br />

Die nationalburische Regierung glaubt den Zukunftsgefahren mit ihrer auf altüberkommenen Anschauungen,<br />

aber auch auf menschlichem Egoismus beruhenden Rassepolitik begegnen zu können.<br />

Als neutraler Beobachter muss man sich aber fragen, ob nicht diese Politik gerade zu dem umgekehrten<br />

Ergebnis führt und den Konflikt verschärft. Denn sie steigert den Hass der Nichtweissen und fördert<br />

die Geschlossenheit ihrer Front, sie beschleunigt also die Gefahr und vergrössert die Heftigkeit<br />

einer schliesslichen Explosion. Die Nationale Partei und das Gros der burischen Bevölkerung weisen<br />

diesen Gedanken zurück. Sie meinen, die Nichtweissen würden am besten durch Schroffheit in<br />

Schach gehalten; dies habe sich deutlich auch in Kenya gezeigt, wo es infolge der zu weichen Hand<br />

der britischen Kolonialregierung zum Ausbruch der Mau-Mau-Bewegung gekommen sei. Zur Not<br />

werde auch hier in Südafrika das Maschinengewehr ein Machtwort sprechen. Geschichtlich gesehen<br />

ist dies ein kurzsichtiger Standpunkt, und kaum einer der im Lande weilenden ausländischen Beobachter<br />

von Rang vermag hier - soweit dies zu übersehen ist - der nationalburischen Anschauung zu<br />

folgen. Aber auch in der obersten Schicht der Partei selbst fehlt es nicht an nachdenklichen und weitsichtigen<br />

Geistern. Unter vier Augen wird dort zuweilen von diesem oder jenem zugegeben, dass<br />

man „auf einem Pulverfass sitzt" und dass dem Wohlergehen von heute einst eine „Götterdämmerung"<br />

folgen müsse. Eine Evolutionspolitik, die einen friedlichen Ausgleich erstrebt, könnte nur<br />

von der United Party ausgehen. Aber auch diese würde sich, sollte sie wieder zur Macht gelangen,<br />

alsdann zu einem neuen Kurs im Sinne eines stärkeren Liberalismus entschliessen müssen. Fraglich<br />

bliebe dann immer noch, ob die gegnerische Führerschicht zustimmen würde und ob nicht allzu radikale<br />

Forderungen einen Ausgleich unmöglich machen. Insofern sehen Pessimisten das Rasseproblem<br />

der Union auf friedlichem Wege als „unlösbar" an. Ein Gegenschachzug zugunsten der Weissen von<br />

durchschlagender Tragweite läge letzten Endes nur in der Änderung der Einwandererpolitik, um<br />

Massen von weissen Neueinwanderern ins Land zu ziehen und so das Übergewicht der Nichtweissen<br />

auszugleichen.<br />

Ausserlich bietet Südafrika vor der Hand das Bild verhältnismäßiger Ruhe und eines blühenden<br />

Staats mit sich weiter sprunghaft aufwärts entwickelnder Industrie. Durch das strenge Regime der<br />

Regierung wird die Ruhe vermutlich noch lange, vielleicht noch <strong>für</strong> Jahrzehnte, anhalten. Aber unter<br />

der Decke schwelt die Glut. Sollte ein neuer Weltkrieg entstehen, so wird sich die Flamme in Kürze<br />

entzünden, und sie wird dann - auch von aussen her angefacht - breit über das Land laufen wie ein<br />

Steppenbrand. Denn die Nichtweissen - zumindest aber die Eingeborenen und Inder - werden<br />

dann ihre Stunde <strong>für</strong> gekommen erachten, und sie werden in den Feinden des Landes nicht mehr<br />

wie früher auch ihre Feinde sehen, sondern ihre Freunde und kommenden Befreier.

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