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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Antifaschisten in der SBZ 625<br />

pletter materieller Wiedergutmachung würde eine neue Kapitalistenklasse entstehen,<br />

die in den eigenen Vorstellungen von einer antifaschistischen Nachkriegsordnung<br />

keinen Platz hatte 47 . Intern wurde man gelegentlich sogar drastischer. 1952 schrieb<br />

ein Hallenser VVN-Funktionär an die Dessauer Betreuungsstelle: „Wir sind doch<br />

letzten Endes eine politische Kampforganisation und als VdN nicht lediglich eine<br />

Versorgungsanstalt, <strong>für</strong> die wir leider gar zu häufig von den rassisch Verfolgten angesehen<br />

werden." 48<br />

Die Schrecken der NS-Zeit hatten also im Bewußtsein vieler ehemals politisch<br />

Verfolgter nicht so tiefe Spuren hinterlassen, daß politische, religiöse und „rassische"<br />

Vorbehalte vollends beseitig worden wären. Sollte es Erfahrungen von gruppenübergreifender<br />

Zusammenarbeit in der NS-Zeit und unmittelbar nach dem Krieg<br />

gegeben haben und sollten daraus neue Denkansätze entstanden sein, so verflüchtigten<br />

sie sich angesichts dieser fortwirkenden Ressentiments rasch. Es blieb bei der<br />

bornierten Auffassung, nur Widerstandskämpfer seien als wahre Opfer des Faschismus<br />

anzusehen. Ein alle OdF/VdN einschließender neuer Identifikationsrahmen <strong>für</strong><br />

die Nachkriegszeit konnte so nicht entstehen. Auch parteien- bzw. organisationsspezifische<br />

Interessen und die gesamte Nachkriegssituation in Ostdeutschland ließen es<br />

nicht zu, daß sich die Ansätze einer verbindenden Identität verfestigten. Die ausbleibende<br />

materielle Wiedergutmachung tat ein übriges, Angehörige des religiösen und<br />

bürgerlichen Widerstandes rückten von der Politik der neuen ostdeutschen Staatspartei<br />

ab, die <strong>für</strong> sich beanspruchte, die Interessen der größten Gruppe unter den politische<br />

Verfolgten zu verwirklichen. So blieb das Terrain vor allem den Kommunisten<br />

bzw. den politisch aktiven SED-Mitgliedern unter den Verfolgten überlassen.<br />

Die kommunistische Mehrheit: Erwartungen und Realitäten<br />

Die Kommunisten waren zwar gegenüber den anderen VdN eine politisch relativ geschlossene<br />

Gruppe, und die Äußerung Geschkes, daß diejenigen, die am schwersten<br />

gekämpft und gelitten hatten, auch die Berufensten <strong>für</strong> die künftige politische Arbeit<br />

seien, wurde ihren Ansprüchen durchaus gerecht. Wie sie aber die Nachkriegs-<br />

47 Ebenda, IV 2/2.027/31, B1.189, Abt. Justiz im SED-Zentralsekretariat an Walter Ulbricht/Max<br />

Fechner, 14.5. 1948. Vgl. auch Angelika Timm, Der Streit um die Restitution und Wiedergutmachung<br />

in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, in: Babylon - Beiträge zur jüdischen<br />

Gegenwart, H. 10-11 1992, S.129ff. und Groehler, Integration und Ausgrenzung. Beide Autoren<br />

lassen sich allerdings von den Berliner Akten zu einseitigen Interpretationen der Wiedergutmachungsdebatte<br />

verleiten. Sie unterschätzen die Rolle der SMAD (Sequester-Politik, die auch jüdisches<br />

Eigentum betraf) und die tatsächlichen finanziellen Probleme. Die bei Groehler (Ebenda,<br />

S. 125) angeführte Kalkulation des Mittelbedarfs in Höhe von ca. 23 Mio. Mark bezieht sich nicht<br />

auf die Kosten einer Wiedergutmachung, sondern auf die einer sozialen Betreuung der OdF (Renten<br />

usw.). Die DDR gab da<strong>für</strong> in der Folgezeit jährlich bedeutend höhere Summen aus. Groehler<br />

verweist übrigens selbst darauf, daß sich die Kosten einer umfassenden Wiedergutmachung in Milliarden-Höhe<br />

bewegt hätten (Ebenda, S. 119).<br />

48 SAPMO-BA, ZPA, V 278/4/78, VVN-Abt. Forschung, Bezirk Halle an die VdN-Dienststelle<br />

Dessau, 4.11.1952.

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