Wartmann (1887) - Swiss Embroidery
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Industrie der Gewebe. - Die st. g'l11ische Baumwollinclustrie.<br />
Wie vorauszusehen, genehmigte der Bundesrat den Vorschlag des<br />
Reichskanzlers (12. December). Um sich den Schein völliger Unparteilichkeit<br />
zu ,vahren, entfernte er zwar aus den Motiven die in dessen<br />
Schreiben ganz offen ausgesprochenen schl1tzzöllnerischen Anschauungen;<br />
sorgte aber für eine Zusammensetzung der Commission, welche<br />
Ch1S unbedingte Vorhenschen der Schutzzöllner durchaus sichel' stellte. 1)<br />
Als die El'l1ennung der 15 Mitglieder erfolgt war, zeigte es sich denn<br />
auch, dass von allen nur die Bevollmächtigten der Hansestädte und<br />
Mecklenburgs die Ansichten des Freihandels vertmten. Der Vorsitz<br />
wurde dem wirtembel'gischen Freiherrn v. Varnbühler übertn1gen, dem<br />
Mc1nne, welcher im J::1hr 1866 als Minister sein Land in den Krieg gegen<br />
Preussen geführt hatte, dem Gründer der volkswirtschaftlichen Vereinigung,<br />
d. h. der geschlossenen Schutzzollpartei im deutschen Reichstage.<br />
Ein zweites Schi'eiben des Reichskanzlers an den Bundesrat (vom<br />
15. December) zu Randen diesel' Commission gab ihr sehr bestimmte<br />
Weisungen über das, was von ihr erwartet wurde. 2) Am letzten 'rage<br />
des Jahres 1878 erfolgte die Kündigung der Handelsverträge mit Bel-<br />
1) 3 Mitglieder sollte der Reichskanzler ernennen, 3 Pl'eussen, 2 Baiel'l1, je 1 Sachsen,<br />
vVirtemborg, Baden, Hessen, Mecklenburg, Slwhsen-Vveimar und die Hansestädte.<br />
2) Ausser clen eigentlichen Fimmzzöllen auf Tabak, Petroleum, Kaffe u. drg·l. sollte ein<br />
Eingangszoll von 5-10°(0 a~lf alle und jede ausländischen Erzeugnisse, gewisse Rohstoffe ausgenommen,<br />
gelegt und dadurch eine Mehreinnahme von ca. 70 Millionen JYIark für den Reichsfiscus<br />
erlangt werden (der seit 1877 zu Recht bestehende T[1l'if liess vielleicht die Hälfte [tUer Artikel<br />
frei eingehen, und für 1877 W[lr berechnet worden, dass von dem GeslulltWGrt der Wareneinfuhr<br />
von 3877 Millionen Mark nicht weniger als 2853 Millionen auf zollfreie Artikel fielen). Als<br />
ersten leitenden Gesichtspunkt hob das Schreiben das Interesse der (inanciellen Reform hervor,<br />
deren VV Gsen dnrch folgende Worte chltrakterisirt wird: "Nicht in Vermehrung der für die<br />
Zwecke des Heichs und der StalLten notwendigen Lasten, sondern in der Übertmgung eines<br />
grössern Teils der unverll1cidlicllfm Lasten auf die weniger drückenden inclirecten Steuern besteht<br />
das IVesen der Finanzreforlll, zu deren Verwirklichung auch die Zolltarif-Itcvision dienen<br />
soll." Als Grundlage diesel' Revision ist die Hückkehr zu dem frühern Grundsatze ller allg'cmeinen<br />
Zollpflichtigkeit der eingehenden vVaren anzunehmen. "IV enn hiel'llltch vom financiellen<br />
Gesichtspunkt aus, aut' welchen ich das Hauptgewicht le.IJe, die von mir befürwortete IViederherstellung<br />
der Hegel allgemeiner Zollpflicht sich empfiehlt, so lässt ein solches System meines<br />
Eracht.ens auch in volkslOil'tsclwftlicher Beziehnng sich nicht anfechten. Ich lasse dahin gestellt,<br />
ob ein Zustand vollkommener gegenseitiger J;'reiheit des int.el'l1u,tionalen Verkehrs, wie ihn die<br />
Theorie des Freihandels als Ziel vor Augen hat, dem Interesse Deutschhtncb entsprechen würde;<br />
so lange auer die meisten der Länder, auf welche wir mit nnserem Verkehr angewiesen sind,<br />
sich mit Zollschranken Ulngeben und die Tendenz zur Erhöhung derselben noch im Steigen bo-<br />
Neuer deutscher ZolItarif. 39<br />
gien und der Schweiz, welche noch der Aufstellung eines autonomen<br />
Zolltarifs im Wege standen. Die Bahn war freigemacht und die Abwendung<br />
von den Pl'incipien der Vel'tragsperiode in den Regierungskreisen<br />
schon so gut wie vollzogen.<br />
Am 3. Januar des neuen, entscheidenden J ahl'es machte sich die<br />
'rarifcommission ans Werk, nachdem sich ihr Präsidium Tags zuvor in<br />
Friedrichsruhe beim Reichskanzler nähere Instructionen . geholt hatte.<br />
Als Termin, auf welchen der autonome Tarif zur Vorlage fertig sein<br />
sollte, wurde ihr der 1. März bezeichnet: eine geradezu lächerlich kurze<br />
Frist für die ruhige und umsichtige Ausarbeitung eines ganz neuen Zollsystems.<br />
Allein die Heidelberger Ministerconferenz und der Centralverband<br />
deutscher Industrieller hatten ja gehörig vorgearbeitet und die<br />
Hauptsache schon getan, jene für die Finanzzölle, dieser für die Schutzzölle.<br />
Der absolut einseitige 'rarifentwurf cles Centralverbands wurde<br />
den Beratungen der Conmüssion zu Grunde gelegt; um vorurteilslose<br />
Untersuchungen handelte es sich nicht mehr, nachdem der doppelte<br />
Zweck der Revision zum vorneherein festgestellt war.<br />
Am 12. Februar trat der Reichstag zusammen. Durch die Tronrede<br />
liess Fürst Bismarck der Welt die bevorstehende Umwandlung der<br />
deutschen Zollpolitik ankündigen. Sie enthielt die vollständigste Absage<br />
an die Periode der Conventionaltarife und zugleich die härteste<br />
Anklage gegen die Delbrück'sche Aera. "Die verbülideten Regierungriffen<br />
ist, erscheint es mir gerechtfertigt und im wirtschaftlichen Interesse der Nation geboten,<br />
uns in der Befriedigung unserer financiellen Bedürfnisse nicht durch die Besorgnisae einschränken<br />
zu lassen, dass durch dieselben deutsche Producte eine geringe Bevorzugung vor [LUslänclisehen<br />
erfahren." Das jetzige Zollsystem schütze einzelne Industriezweige und wirke für diese,<br />
wie ein Privilegillm; es begegne daher bei den Vertretern der nicht geschützten Zweige der<br />
Erwerbstätigkeit der Abneigung, welcher jedes Privilegium ausgesetzt ist. "Diesel' Abneigung'<br />
wird ein solches Zollsystem nicht begegnen können, welehes innerhalb der durch cllts financielle<br />
Int.eresse gezogenen Schnlnken der ycsu11Iten inländischen Production einon V Ol'zug vor der aus<br />
Hi,nclischen Production auf den einheimischen Mltrkt gewährt" . . . . .. "Bei der bevorstehenden<br />
Hevision des Zolltarifs kmm nur unsor eigenes Int.eresse massgebend sein. Dieses Interesse wird<br />
vielleicht demnüchst zn neuen VerhandluJ1yen übel' TaJ'it'certrii,qemit dem Auslande t'ühren. Sollen<br />
abel' solche Verhamllnnyen 1IIit dei' Aussicht aut' einen till' Deutsclilanil glücklichen EI't'olg be.qol1-<br />
nell werden, so ist es lIöti.IJ, 'Vol'hel' (tuf' dem autonoJllen TVey ein Zollgesetz zn schatten, welches<br />
die gesaillte inUindische P1'(}(lllctioll deI' ausWIIl7isc7lf1! yeYfl1iibel' in die JIIöylichst gilnsti.IJe La.IJe<br />
bl'in.IJt." (15. December.)<br />
Neuer deutschel'<br />
2011tarif.