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KUNSTMARKT<br />
Yayoi Kusama<br />
Im Königreich der Punkte<br />
Das Centre Pompidou in Paris feiert die große alte Dame und<br />
ihr von Halluzinationen geprägtes Lebenswerk bis zum 9.<br />
Januar 2012 mit einer Retrospektive: Das exzentrische, psychedelische<br />
Universum der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama<br />
(1929 in Matsumoto, Nagano, geboren) wird derzeit in<br />
Frankreich erstmals in einer Ausstellung mit 150 zwischen<br />
1949 und 2011 entstandenen Werken vergegenwärtigt. Kusama,<br />
die sich jeder Einordnung in künstlerische Schubladen<br />
entzieht und in der gesamten Welt für ihre Außenseiterrolle<br />
berühmt ist, überzieht die Welt mit farbigen Punkten. Doch<br />
um den Übergang von dem durch die zwanghafte Wiederholung<br />
des Motivs erzeugten visuellen Schwindel zu einem<br />
mentalen Gefühl des Schwindels zu vollziehen, muss der Betrachter<br />
tiefer blicken, über die Oberfläche hinaus auf die<br />
andere Seite des Spiegels.<br />
Alles begann mit einer Vision, die die Künstlerin im zarten<br />
Alter von zehn Jahren hatte: Aus der Tischdecke im Esszimmer<br />
der Familie lösten sich Blumenmuster und breiteten<br />
sich überall aus, über Wände, den Fußboden, die Decke,<br />
selbst im Geist der Künstlerin. Diese wiederholten Halluzinationen<br />
wurden zu ihrem ständigen Begleiter als Ausdruck<br />
eines Gefühls der Angst, sich selbst aufzulösen, „ein Punkt,<br />
der sich unter tausenden anderen Punkten verliert". Im Alter<br />
von 28 Jahren zog die junge Künstlerin nach New York und<br />
fand im dortigen Underground-Milieu Zuflucht. Sie begann<br />
mit der Arbeit an großformatigeren Werken und bedeckte<br />
die Oberfläche von Körpern bei mehreren Performances mit<br />
Punkten. 1959 widmete ihr die Brata Gallery in New York eine<br />
erste Ausstellung, auf der sie ihre „Infinity Net Paintings"<br />
zeigte. Der dumpfe Wahnsinn, der sich hinter dem bunten,<br />
spielerischen Erscheinungsbild ihrer Werke abzeichnete, veranlasste<br />
die Künstlerin dazu, sich ab 1973 in eine psychiatrische<br />
Anstalt zurückzuziehen. Die bildhaften Visionen, die<br />
über sie hereinbrachen, wurden zunehmend beherrschter<br />
und komplexer. Die Punkte verließen die Leinwand und<br />
durchdrangen die Welt, gewannen auf Fußböden, Decken,<br />
Yayoi Kusama: Infinity Nets, 1962 (Christie’s, Paris, 12/2007; Zuschlag:<br />
310.000 Euro)<br />
Yayoi Kusama: No. 2, 1959 (Christie’s, New York, 12/2008; Zuschlag:<br />
5,1 Mio. US-Dollar)<br />
Wänden und Kleidern zunehmend an Terrain und fanden<br />
über Videos, Installationen, Mode, Skulpturen aus gepolstertem<br />
Stoff und Spiegeltricks Ausdruck, die das Bild zunehmend<br />
vervielfachten.<br />
Das Gefühl des Schwindels, das Betrachter beim Anblick<br />
ihrer Werke empfinden, hat Yayoi Kusama nach ihren Landsleuten<br />
Takashi Murakami und Tsuguharu Foujita zur begehrtesten<br />
japanischen Künstlerin gemacht. 2008 erzielte sie<br />
mit vier Mio. Euro ihren persönlichen Auktionsrekord. Im<br />
Vergleich dazu liegen die Rekorde von Foujita bei 4,8 Mio.<br />
Euro für „Jeune fille dans le parc" (16. Mai 1990, Christie's NY)<br />
und von Takashi Murakami bei 8,7 Mio. Euro für „My Lonesome<br />
Cowboy” (14. Mai 2008, Sotheby's NY). Den Rekordzuschlag<br />
erzielte Kusama für ein praktisch monochromes<br />
Werk, in dem die Farbe Weiß (in der asiatischen Tradition<br />
mit Tod, Wiedergeburt und Reinheit assoziiert) die Farbe<br />
Schwarz auffrisst. Philippe Ségalot ersteigerte das fast drei<br />
Meter große Gemälde mit dem Titel „No. 2” in der New Yorker<br />
Niederlassung von Christie's am Rockefeller Center (5,1<br />
Mio. US-Dollar, 12. November 2008, Christie's NY). Seitdem<br />
verzeichneten zwei weitere Werke Yayoi Kusamas Zuschläge<br />
in Millionenhöhe, allerdings sind rund 30 Prozent ihrer Werke<br />
für Beträge von unter 2.200 Euro in Auktionssälen durchaus<br />
noch erschwinglich. Zumeist handelt es sich dabei um<br />
Grafiken (31 Prozent ihres Marktes) und zuweilen um Kürbisse,<br />
rund zehn Zentimeter große Skulpturen, die unweigerlich<br />
mit Ansammlungen von Punkten überzogen sind.<br />
Die Produktion der heute 82 Jahre alten Künstlerin lässt zunehmend<br />
nach, während die Nachfrage nach ihren Werken<br />
stetig anwächst. In einem Markt, auf dem die Nachfrage<br />
ausschlaggebend ist, sind einige Anleger versucht, ihr Glück<br />
bei Auktionen zu suchen, um hohe Gewinne einzufahren.<br />
Dies bezeugt die wiederholte Versteigerung eines roten Gemäldes<br />
aus dem Jahr 1962, „Infinity Nets", dessen Bewertung<br />
innerhalb von drei Jahren um ganze 66 Prozent in die<br />
Höhe schnellte. Das Werk wurde 2004 in New York zum ersten<br />
Mal für umgerechnet 186.000 Euro versteigert, doch<br />
seinen höchsten Wert erzielte es am 11. Dezember 2007 bei<br />
Christie's in Paris, als es für 310.000 Euro erneut den Besitzer<br />
wechselte.<br />
Mit ein wenig Abstand ist festzustellen, dass die Bewertung<br />
einiger Werke sich innerhalb eines Jahrzehnts mindestens<br />
verzehnfacht hat. Ein rotes Gemälde von rund anderthalb