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Ich hole dich dort ab, wo du stehst. - Institut für Atem ...

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<strong>Ich</strong> <strong>hole</strong> <strong>dich</strong> <strong>dort</strong> <strong>ab</strong>, <strong>wo</strong> <strong>du</strong> <strong>stehst</strong>. 15. Juli 2010<br />

Bereich herum noch besser spüren zu können. Die Emotion <strong>du</strong>rfte also anwesend<br />

bleiben, musste nicht weggedrückt werden, <strong>ab</strong>er bekam nun gleichsam einen<br />

Empfin<strong>du</strong>ngsrahmen, in den sie eingebettet wurde.<br />

Als Frau A. auf vereistem Boden ausgerutscht war, gestaltete sich dieser Prozess<br />

folgendermaßen: Frau A. kam mit einem schmerzenden Knie in die Praxis. Sie fühlte<br />

sich „neblig-distanziert“, in einem Schock. Dann merkte sie, dass ein Gefühl<br />

aufkeimen <strong>wo</strong>llte, was ihr eine Empfin<strong>du</strong>ng von Druck im Brustbereich verursachte.<br />

Ihr Impuls war nun, sich zurückzuziehen und in die Starre zu gehen. <strong>Ich</strong> schlug ihr<br />

vor, stattdessen ihre allgemeine Körperempfin<strong>du</strong>ng zu verstärken (da<strong>du</strong>rch ihre<br />

Realitätsfunktionen auszuweiten) <strong>du</strong>rch Klopfen der Beckenknochen, Kreisen um die<br />

Sitzhöcker, Verdeutlichen der Sitzfläche zum Hocker und der Füße zum Boden hin.<br />

Nun zeigte sich eine leichte Trauer, die Frau A. im Gesicht spürte, vor allem in den<br />

Augen. Frau A. entschied, dass diese Trauer anwesend sein dürfe und arbeitete<br />

weiter auf der Empfin<strong>du</strong>ngsebene. Sie machte sich über Klopfen und Streichen die<br />

Bereiche ihres Körpers deutlich, die ihr zu einer ganzheitlichen Körperwahrnehmung<br />

noch fehlten. Ihr <strong>Atem</strong> konnte sich über einige Gähner befreien. Dann spürt sie<br />

Wärme unter dem Brustbein, in Verbin<strong>du</strong>ng damit Mitgefühl mit sich selbst. Frau A.<br />

konnte diesen Prozess mit Hilfe verbalen Spiegelns von meiner Seite verbalisieren<br />

und reflektieren, was passiert war. Sie beschloss die Stunde mit dem Satz. „Jetzt<br />

fühle ich mich dem Leben wieder näher.“<br />

In diesem Vorgang des Pendelns zwischen Wahrnehmen der Emotion mit<br />

zugehöriger Empfin<strong>du</strong>ng einerseits und dem ganzheitlicheren körperlichen<br />

Empfin<strong>du</strong>ngsrahmen andererseits konnte das Erregungsniveau <strong>ab</strong>sinken. Die<br />

Klientin konnte lernen, sich mit ihrer <strong>Ich</strong>-Wahrnehmung zu begleiten. Sie erfuhr, dass<br />

sie die innere Spannung aushalten und in eine <strong>für</strong> sie positive Richtung beeinflussen<br />

konnte im Sinne von Selbstregulation. Frau A. beschrieb diese Prozesse später in<br />

einem aussagekräftigen Bild: „Die Gefühle sind wie eine Herde wilder Pferde, die auf<br />

mich zurennen und mich überrennen können. Jetzt h<strong>ab</strong>e ich einen Zaun um sie<br />

herum gebaut, sie auf einer Koppel eingezäunt.“<br />

Die nächste Stufe der Arbeit im Bereich der Fühl-Funktion besteht darin, das<br />

Konglomerat der Emotionen (Gefühle, Empfin<strong>du</strong>ngen, Bewertungen) schrittweise in<br />

seine einzelnen Anteile zu differenzieren. Voraussetzung da<strong>für</strong> ist, dass sich die<br />

Klientin ihren Emotionen annähern möchte (also ihr Einverständnis gibt) und sich<br />

auch wieder distanzieren kann, z.B. über oben beschriebenen Prozess oder ähnlich<br />

über das Pendeln zwischen der schwierigen emotionalen Situation und der<br />

körperlichen oder imaginierten Ressource. Wann im konkreten Ablauf der Zeitpunkt<br />

des Distanzierens beginnt, der emotionale Bereich zu bedrohlich wird, bestimmt die<br />

Klientin selbst. Frau A. führt ihr Bild weiter: „Eigentlich würden mir die Pferde Angst<br />

machen. Aber wenn sie so auf der umzäunten Koppel stehen, kann ich hingehen, mit<br />

einem Pferd vertraut werden und wieder weggehen.“<br />

In einem dritten Schritt kann es möglich werden, wie bei Frau B., die auftauchenden<br />

Gefühle einer Übertragungssituation zuzuordnen, die ihre Wurzeln in früheren bis<br />

ganz frühen Erlebnissen hat. Da Frau B. auf viel Therapieerfahrung zurückgreifen<br />

konnte, waren ihr diese Zusammenhänge leichter zugänglich.<br />

Für mich war es sehr eindrücklich zu erleben, wie sich zu viel Nähe bei ihr auswirkt.<br />

Große Unsicherheit und Unruhe zeigte sich: „<strong>Ich</strong> weiß gar nicht, ob ich hinschauen<br />

soll oder wegschauen oder etwas sagen?“ „Was will man von mir?“ Diese<br />

Zusammenhänge konnte ich verstehen, als ich mehr über Frau B.s Beziehung zu<br />

ihrer Mutter erfuhr. Ihre manisch-depressive Mutter erlebte Frau B. als stark<br />

vereinnahmend und kontrollierend („<strong>Ich</strong> musste tun, was sie <strong>wo</strong>llte.“), gleichzeitig als<br />

Abschlussarbeit: Brigitte Maas 30

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