Österreichweite Repräsentativerhebung <strong>zu</strong> <strong>Substanzgebrauch</strong> ǀ Studiendesign und DurchführungIn der Literatur werden unterschiedliche Kategorien von Stichprobenfehlern unterschieden(vgl. Diekmann, 2007). Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen Zufallsfehlern („SamplingVariability“) und systematischen Verzerrungen („Biases“), die durch das Auswahlverfahren direktoder indirekt produziert werden.Zufällige Stichprobenfehler entstehen dadurch, dass jede Stichprobe lediglich ein <strong>zu</strong>fällig gezogenesAbbild der Gesamtpopulation darstellt, was bedeutet, dass Daten aus dieser StichprobeSchät<strong>zu</strong>ngen darstellen, die um den wahren Wert der Grundpopulation streuen. Auf Basis derStichprobengröße und der Verteilung des jeweils untersuchten Merkmals können Vertrauensbereicheberechnet werden, innerhalb derer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch derWert der Grundgesamtheit, aus der eine Stichprobe gezogen wurde, liegt.Von einem systematischen Stichprobenfehler wird hingegen dann gesprochen, wenn unterschiedlicheElemente einer Zielpopulation unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten besitzen, ineine Stichprobe aufgenommen <strong>zu</strong> werden.Letzteres kann durchaus bewusst herbeigeführt werden und auf sinnvollen Überlegungen beruhen:So wurden etwa für die vorliegende Untersuchung im Vergleich <strong>zu</strong>r restlichen Stichprobedeutlich mehr Menschen im Alter zwischen 15 und 24 befragt, als dem Anteil dieser Altersgruppein der österreichischen Population entsprechen würde, um somit genauere Berechnungenfür diese Bevölkerungsgruppe <strong>zu</strong> ermöglichen. Da in diesem Fall aufgrund von Datenaus der Bevölkerungsstatistik bekannt ist, wie viele Männer und Frauen unterschiedlicher Altersgruppenin Österreich lebhaft sind, kann dieses bewusst herbeigeführte „Oversampling“von Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch entsprechende Gewichtungsverfahren korrigiertwerden (vgl. 2.3, S.6), sodass die Stichprobe die Grundpopulation in den Merkmalen Geschlechtund Alter letztendlich repräsentativ abbildet.Im Normalfall ist man bestrebt, Stichprobenfehler <strong>zu</strong> vermeiden, insbesondere wenn diesenicht durch entsprechende Adjustierungen korrigiert werden können. So können etwa die Erreichbarkeit,ebenso wie das Ausmaß der Antwortverweigerung und die damit verbundeneAusschöpfungsquote <strong>zu</strong> einer systematischen Verzerrung durch „Undersampling“ führen. WederErreichbarkeit noch Antwortverweigerung kann als stichprobenneutraler Ausfall betrachtetwerden, da die Bereitschaft <strong>zu</strong>r Teilnahme an einem Interview ebenso wie die Wahrscheinlichkeit,die entsprechende Person <strong>zu</strong> Hause an<strong>zu</strong>treffen, mit soziodemographischen Merkmalenkorrelieren. Die Teilnahmebereitschaft ist <strong>zu</strong>dem stark von der Thematik der Untersuchungabhängig. Häufig wird in diesem Zusammenhang von einem „Mittelschichtbias“ gesprochen:So wurde etwa belegt, dass die Teilnahmebereitschaft mit steigendem Bildungsgrad <strong>zu</strong>nimmt,bei Befragungen von Eliten und sozialen Randgruppen hingegen meist eine geringere Ausschöpfungsquoteerzielt wird (vgl. Diekmann, 2007). Nicht-Erreichbarkeit und Antwortverweigerungkönnen mit dem Begriff „Undersampling“ <strong>zu</strong>sammengefasst werden, womit die Unterschät<strong>zu</strong>ngeiner bestimmten Bevölkerungsgruppe gemeint ist, wenn diese zwar intentional ineiner Stichprobe erfasst werden sollte, jedoch eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweist indieser aufgenommen <strong>zu</strong> werden.In der vorliegenden Untersuchung ist von einem erheblichen Einfluss systematischer Stichprobenfehleraus<strong>zu</strong>gehen, der insgesamt <strong>zu</strong> einer Unterschät<strong>zu</strong>ng von Konsumwerten führt: So istan<strong>zu</strong>nehmen, dass unter den mittels Haushaltsbefragung nicht erreichbaren Personen ein höhererAnteil an Personen mit Konsumerfahrung, sowie durchschnittlich höhere Konsumwerte<strong>zu</strong> finden sind. Ebenso kann Antwortverweigerung kaum als stichprobenneutral betrachtetwerden: Neben dem bereits erwähnten Mittelschichtbias ist <strong>zu</strong>sätzlich an<strong>zu</strong>nehmen, dass dieTeilnahmebereitschaft bei einer Erhebung <strong>zu</strong> <strong>Substanzgebrauch</strong> in einem hohen Ausmaß voneigenen Erfahrungen mit <strong>Substanzgebrauch</strong> bzw. von Assoziationen, die mit der Auskunft <strong>zu</strong>dieser Thematik verbundenen sind (wie etwa Befürchtung von negativen Konsequenzen), abhängigist.7
Österreichweite Repräsentativerhebung <strong>zu</strong> <strong>Substanzgebrauch</strong> ǀ Studiendesign und Durchführung2.4 Fehler durch inkorrekte AngabenHäufig werden bei der Interpretation von Befragungsergebnissen Vorrauset<strong>zu</strong>ngen als gegebenerachtet, die bei genauerer Betrachtung keinesfalls so selbstverständlich erscheinen:Diekmann (2007) nennt in diesem Zusammenhang die Kooperation der Befragten (also die Bereitschaftüberhaupt Auskunft <strong>zu</strong> geben), eine Norm der Aufrichtigkeit (also dass die gegebeneAuskunft auch der Wahrheit entspricht) sowie die Existenz einer gemeinsamen Sprache zwischenBefragten und InterviewerInnen (also dass sich Auskunft und Interpretation auf die selbenSachverhalte beziehen).Verzerrungen von Erhebungsergebnissen können als Folge vieler Einflussgrößen entstehen,wie durch Eigenschaften (1) der Befragten, (2) des Erhebungsinstruments, (3) der InterviewerInnenbzw. (4) der Interviewsituation.In der erstere Kategorie (Merkmal der Befragten) würden z.B. jene Verzerrungseffekte <strong>zu</strong>sammengefasstwerden, die dadurch entstehen, dass die Befragten von der Norm der Aufrichtigkeitabweichen und stattdessen Angaben tätigen, die ihrer Einschät<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> Folge wünschenswertersind als das tatsächliche Verhalten (Tendenz der sozialen Erwünschtheit). Dies wäre etwader Fall, wenn Personen bewusst keinen oder einen geringeren Substanzkonsum angeben,da sie dies als sozial erwünscht erachten, bzw. bei Angabe des tatsächlichen Verhaltens sozialeSanktionierung befürchten. Ebenso als Verzerrungsmerkmal der Befragten gilt die Tendenzmancher Personen, unabhängig vom Inhalt der Frage eine bestimmte vorgegebene Kategorie<strong>zu</strong> wählen (etwa stets die Mittelkategorie), oder Meinungen <strong>zu</strong> Themen <strong>zu</strong> äußern, <strong>zu</strong> denensie eigentlich keine dezidierte Meinung besitzen (Meinungslose).In die zweite Kategorie gehören z.B. Verzerrungseffekte, die durch unklare Frageformulierungenentstehen, wie z.B. durch den Begriff „Rausch“, der von verschieden Personen ganz unterschiedlichinterpretiert wird.In die dritte Kategorie gehören Verzerrungseffekte als Folge von Eigenschaften der InterviewerInnen(wie etwa Alter oder Geschlecht).In letztere Kategorie gehören Einflüsse der Interviewsituation (etwa Anwesenheit von Dritten)auf das Antwortverhalten der BefragtenDurch eine Standardisierung von Interviewsituationen (z.B. Verbot, dass dritte Personen anwesendsind) und umfassende Schulung von InterviewerInnen (etwa möglichst neutrales Auftreten)wird versucht Verzerrungseffekte möglichst gering <strong>zu</strong> halten. Jedoch ist davon aus<strong>zu</strong>gehen,dass sich man diese Fehlerquellen nicht völlig ausschließen kann.2.5 Niedrige Prävalenzraten und die Regression <strong>zu</strong>m MittelwertBei Umfragen wird häufig nach Erfahrungen mit nicht existierenden Substanzen gefragt, umabschätzen <strong>zu</strong> können, wie weit man den Ergebnissen trauen kann. Dabei beobachtet man inder Regel Ergebnisse im Bereich zwischen 0,2% und 2%, was sich wahrscheinlichkeitstheoretischerklären lässt. Bei niedrigen tatsächlichen Prävalenzen ergibt sich grundsätzlich eine systematischeÜberschät<strong>zu</strong>ng infolge des wahrscheinlichkeitstheoretisch erklärbaren Phänomensder Regression <strong>zu</strong>m Mittelwert. Ist die tatsächliche Prävalenz 0, wie bei fiktiven Substanzen, soergibt das Werte im eben genannten Ausmaß. Sehr niedrige Ergebnisse unter 2% lassen sichangesichts des beschrieben Phänomens nicht sinnvoll interpretieren, bei höheren tatsächlichenPrävalenzen wirkt sich diese Fehlerquelle nur unbedeutend aus. Man sollte in diesem Zusammenhangbedenken, dass 0,5% bei einer Stichprobengröße von 4.000 Personen nur 20Personen bedeutet.8