| WWW.SAILING–JOURNAL.DE | AUSGABE 03 / 2008 | JUNI / JULI |
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sailing journal 3 | 08<br />
Verwarfen und testeten sie, bauten neue – das zog sich über anderthalb Jahre hin.<br />
Im Grunde ist es bis heute immer noch nicht zu 100 Prozent fertig. Es gibt immer<br />
noch ein oder zwei Beschläge, bei denen Details geändert werden könnten. Der kritische<br />
Punkt eines Gaffelriggs ist der Klaufall-Galgen (Beschlag, der den Baum am<br />
Mast aufnimmt). Er trägt ein ungeheures Gewicht, und wenn der Mechanismus nicht<br />
stimmt, bekommt man den Mast nicht sauber hoch und runter. So wurde viel diskutiert,<br />
viel verworfen und viel Material verbaut, bis die optimale Lösung gefunden<br />
war. Es begann schon mit der Materialfrage. Verzinktes Eisen oder V2A (rostfreier<br />
Edelstahl)? Die Entscheidung viel auf V2A und ließen das Rigg strahlen. Nun hat den<br />
Anschein, als wäre es schwarz verzinkt – wie früher. Der einzige Nachteil: es ist verhältnismäßig<br />
schwer zu bearbeiten.<br />
Betreiberkonzept. Eigentümer der ARTEMIS ist die Stiftung Maritim, die es sich zur<br />
Aufgabe gemacht hat, „schwimmendes Kulturgut“ zu bewahren. Mittlerweile sind der<br />
Frachtewer JOHANNA von 19<strong>03</strong>, das Fischereischiff LANDTRATH KÜSTER von 1998,<br />
der Lotsenschoner NO. 5 von 1884, der Dampfer SCHAARHÖRN von 1908, das Hafenfahrzeug<br />
NIE<strong>DE</strong>RELBE von 1937, das Fischereischiff CATARINA von 1890 und die<br />
12mR-Yacht HETI von 1912 restauriert worden. Diese verschiedenen Projekte werden<br />
dann ehrenamtlichen Helfern übergeben, die dafür sorgen, dass sich die einzelnen<br />
Schiffe mithilfe eines Betreiberkonzepts tragen. Genau das wird eine der Hauptaufgaben<br />
Bernhard Hauers sein, neben der Fertigstellung der Restauration. Das Schiff soll<br />
und muss sich mithilfe des Betreibervereins „Freundeskreis der Kreuzeryacht ARTE-<br />
MIS“ (rund 60 Mitglieder) und durch die Unterstützung der Stiftung tragen. Das<br />
kann durch Chartern oder auch durch Events geschehen. Im Yachtbereich wird das<br />
nicht einfach, weil nicht so viele Menschen an Bord passen wie auf anderen Yachten.<br />
Denn durch das Rigg ist die ARTEMIS nicht einfach zu segeln – eine echte Herausforderung.<br />
Es wird eine Stammcrew geben, die aus ca. vier Leuten bestehen wird,<br />
die durch Chartergäste aufgefüllt wird. Der Aufbau einer Stammcrew wird aufgrund<br />
der Ehrenamtlichkeit nicht einfach. Und irgendwann werden sie auch einen Bootsmann<br />
brauchen, der permanent an Bord ist. Heimathafen wird der neue Sandtorhafen<br />
sein, der am 20. Mai eingeweiht wurde.<br />
classic artemis 1. teil<br />
Bernhard Hauer: Ich bekam Kontakt über Stiftung Maritim<br />
zu Reinhard Wolf. Er suchte jemanden, der sich<br />
um die Fertigstellung der Restauration der ARTEMIS<br />
kümmern sollte. Da ich damals sowieso in den Vorruhestand<br />
geschickt wurde, passte das ganz gut. Ich<br />
musste dann aber feststellen, dass das Schiff bei Weitem<br />
noch nicht fertig war. Nur der Rumpf, ohne Rigg,<br />
ohne alles. So mussten wir erst mal Geld auftreiben<br />
– richtig viel Geld. Durch Bekannte und Freunde in<br />
der Schifffahrtsszene fanden wir recht schnell vier, fünf<br />
Hamburger Reeder, die sich fi nanziell engagierten. So<br />
hatten wir die ersten 350.000 Euro, die uns den Anschub<br />
gaben, damit es überhaupt weitergehen konnte.<br />
Als wir die Beschläge so weit fertig hatten,<br />
stellten wir fest: die ersten 350.000 Euro sind weg.<br />
Denn mittlerweile müssen wir auch Gehälter bezahlen,<br />
was so unbedingt nicht geplant war. Früher<br />
haben alle so gearbeitet, aber nun müssen wir die<br />
Schiffbauer, Holzbauer und Maschinenbauer bezahlen.<br />
Momentan arbeiten bei uns fünf bis sechs bezahlte<br />
Kräfte. Insgesamt sind wir um die 20, dazu<br />
gehören dann auch Lehrlinge und Ein-Euro-Jobber.<br />
Wir kamen letztlich in die Phase, in der wir keine<br />
Ein-Euro-Jobber oder andere ungelernte Kräfte mehr<br />
auf das Schiff lassen konnten. Letztlich ging es um<br />
hoch qualifizierten Schiffbau. Das ist auch einer der<br />
Gründe, warum es solange dauert. Wenn der Beschlagmacher<br />
im Urlaub ist, geht hier nichts weiter.<br />
Denn wir haben nur einen und es ist der einzige,<br />
der das kann. Wir haben versucht, die Fertigung<br />
solcher Beschläge fremd zu vergeben, aber das ist fast unmöglich. Das muss in der<br />
Werft gemacht werden, weil es individuell angepasst werden muss. So etwas kann<br />
man nicht nach einer Zeichnung machen.<br />
Zurzeit schauen wir uns die Leute noch genau an, die wir als Crew an Bord<br />
nehmen. Es ist ein verhältnismäßig enges Schiff, es ist ein hochverantwortliches Segeln,<br />
sodass wir Leute brauchen, die segeln können, bei denen wir nicht von Null anfangen<br />
können. Wir brauchen gute Decksleute, wir brauchen Steuerleute, wir brauchen Techniker,<br />
wir brauchen Skipper. Wir suchen junge, begeisterungsfähige Leute, die Kraft<br />
haben. Denn dieses Schiff verlangt nach Kraft. Ältere Segler haben einfach keine Kraft<br />
mehr, dieses Gaffelrigg zu beherrschen. Das Groß braucht zum Setzen einfach zehn<br />
Mann. Wir sind mit allen großen Hamburger Segelvereinen in Kontakt, um aus deren<br />
Jugendgruppen Segler zu rekrutieren. Wir möchten es als Belohnung für gute Erfolge<br />
ausschreiben. So bekommen sie einen Vergleich, wie es ist, auf einem alten und auf<br />
einem neuen Schiff zu segeln. Das rundet ihr Spektrum an Erfahrungen immens ab.<br />
Für mich ist es so etwas wie die Krönung meiner Segelkarriere. Ich gehöre zu<br />
der Generation (Hamburger Jungs), die in den 1950er Jahren mit Papa auf’s Wasser<br />
ging und Opti segelte. Mittlerweile habe ich mich auf allen Weltmeeren herumgetrieben<br />
und habe auch jetzt noch mit einem Freund ein Schiff. So etwas ist genau das<br />
Richtige „zum Schluss“, eine Steigerung gibt es nicht. Für mich ist es die Erfüllung.<br />
Vor allem, weil ich an dem Schiff noch mitgebaut habe - da hängt man noch viel<br />
mehr daran als ohnehin schon. Zurzeit ist es als Yacht bis 25 Meter klassifi ziert und<br />
kann mit dem Sporthochseeschein gefahren werden. Wobei es wichtiger ist, so ein<br />
Schiff zu beherrschen. Ich schätze, dass wir ein halbes bis dreiviertel Jahr an Testfahrten<br />
brauchen werden, um es in nahezu allen Bedingungen zu kontrollieren. Man<br />
muss sich einmal vorstellen: Man halst mit dem Schiff mal durch, da kommt von da<br />
oben das ganze Gerödel runter. Nein, das will ich mir lieber nicht vorstellen.