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THEMA<br />
� Brief 3.2009<br />
Aufklärungs-Poster<br />
an einer Hauptstraße<br />
in Addis Abeba.<br />
und von ihren Erfahrungen zu berichten. Und wenn die<br />
Stimmung gut genug ist, dann ist dies auch eine gute Gelegenheit<br />
für die Kranken, sich im Kreis ihrer Nachbarn<br />
zu outen und sie um ihre Unterstützung zu bitten.<br />
In den Untersuchungen hat sich gezeigt, dass diese<br />
Form der persönlichen Ansprache, des persönlichen<br />
Kontakts, die stärkste Wirkung bei der Aufklärung der<br />
Bevölkerung hat. Bei der medialen Vermittlung sind die<br />
Inhalte häufig zu abstrakt, der persönliche Bezug wird<br />
nicht hergestellt.<br />
Veränderungen durch Maßnahmen<br />
auf Gemeindeebene<br />
Bei einem von mir durchgeführten Studie (n = 268)<br />
stellte sich beispielsweise heraus, dass zwar 65,2 Prozent<br />
der Befragten glauben, dass HIV ein sehr großes Problem<br />
für Äthiopien darstellt, für Addis Abeba waren<br />
es noch 41,9 Prozent, für ihren Stadtteil glaubten dies<br />
13,3 Prozent, während nur noch 10 Prozent das für ihre<br />
unmittelbare Nachbarschaft so wahrnahmen. Dabei<br />
wurde die Untersuchung in den Stadtvierteln durchgeführt,<br />
die nach offizieller Einschätzung überdurchschnittlich<br />
stark von HIV betroffen waren. Die offiziellen<br />
Zahlen zu der HIV-Prävalenzquote sind genau „andersherum“:<br />
sehr hoch in den jeweiligen Stadtvierteln<br />
© Till Winkelmann<br />
(etwa 20 Prozent), etwas schwächer in Addis Abeba<br />
(11–16 Prozent), auf nationaler Ebene mit 2,2 Prozent<br />
für Subsahara-Afrika recht gering. Die Studie zeigt, dass<br />
die eigene Exposition unrealistisch eingeschätzt wird.<br />
Dies hat viel mit der Form der Aufklärung zu tun, die<br />
überwiegend medial erfolgt. Ein weiterer Nachteil bei<br />
der medialen Vermittlung, sei es in Form von Plakaten,<br />
Radio oder Fernsehbeiträgen, ist häufig, dass ein großer<br />
Teil der Zielgruppe überhaupt keinen Zugang zu diesen<br />
Medien hat. Obwohl in der Hauptstadt lebend, haben<br />
viele Menschen und insbesondere die mit geringem<br />
Einkommen, meist nur einen eingeschränkten Aktionsradius<br />
und häufig nicht das Geld für Transport, um<br />
dann die riesigen Plakatwände zu AIDS an den Hauptstraßen<br />
zu sehen. Und eben jene sind hoch vulnerabel<br />
gegenüber HIV; sei es, weil ihre Bildung schlecht ist,<br />
weil sie in einseitigen, informellen Abhängigkeitsverhältnissen,<br />
etwa als Dienstmädchen, stehen oder weil<br />
sie als Tagelöhner von der Hand in den Mund leben.<br />
Die Studie gab noch einen anderen wichtigen Hinweis:<br />
HIV-Positive haben überraschenderweise ein beinahe<br />
ebenso schlechtes Wissen zu den HIV-Übertragungswegen<br />
wie die normale Bevölkerung! Für die Praxis<br />
bedeutet dies, dass es wichtig ist, HIV-Positive vor einer<br />
Veranstaltung auf lokaler Ebene gezielt auszubilden,<br />
damit sich Fehlinformationen und auch Vorurteile<br />
nicht noch in der Bevölkerung vertiefen.<br />
Die Untersuchungen zeigten deutlich, dass eine veränderte<br />
Einstellung in der Bevölkerung zum Umgang mit<br />
HIV und AIDS, sei es in Form von veränderten Kommunikationsnormen,<br />
von Sexualhandeln oder vom täglichen<br />
Umgang mit den Virusträgern und deren Pflege,<br />
erst durch Maßnahmen auf Gemeindeebene erreicht<br />
werden konnten. Genet und ihre NRO haben das früh<br />
erkannt, der Erfolg lässt sich sehen: Die Menschen in<br />
ihrem Stadtteil reden nicht nur viel offener über HIV,<br />
auch die Lebensbedingungen für HIV-Positive sind<br />
deutlich besser geworden.<br />
Till Winkelmann<br />
Till Winkelmann ist Geograph und promoviert zu<br />
Risikowahrnehmung und -interpretation von HIV/AIDS<br />
in Äthiopien. Er ist Mitglied des Redaktionsbeirates<br />
des DED-Briefes.