Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Große Distanzen<br />
erschweren die medizinische Versorgung<br />
Die Situation der Gesundheitsversorgung in Amazonien<br />
ist vor allem außerhalb der großen Städte prekär und<br />
durch große Distanzen und schlechte Erreichbarkeit<br />
geprägt. Es gibt kaum ganzjährig befahrbare Straßen,<br />
meist bestehen nur Zugangsmöglichkeiten über den<br />
Wasserweg. Das gilt auch für viele der entlegenen Gemeinden<br />
am Rio Tapajós in den Kommunen Santarém,<br />
Belterra und Aveiro im Westen des Bundesstaates Pará.<br />
Eine öffentliche Gesundheitsversorgung ist in diesen<br />
durchweg bescheidenen Flussgemeinden bisher lediglich<br />
ansatzweise vorhanden; es gibt nur einige, meist rudimentär<br />
ausgestattete Gesundheitsposten. Und das<br />
nächstgelegene Hospital kann eine ein- oder mehrtägige<br />
Schiffsreise weit entfernt sein, für die zudem auch die<br />
Kosten aufgebracht werden müssen.<br />
Zwar ist in der brasilianischen Verfassung für alle Bürgerinnen<br />
und Bürger ein Recht auf eine öffentliche Gesundheitsfürsorge<br />
verbrieft, in der Praxis und vor allem<br />
in Amazonien konnte dieser Anspruch allerdings bisher<br />
bei weitem noch nicht eingelöst werden.<br />
Angesichts dieser Situation initiierte das Projeto Saúde e<br />
Alegria (PSA) in Santarém bereits vor über 20 Jahren ihr<br />
damaliges Pilotprojekt. Die Gründer der Organisation,<br />
der Arzt Eugênio Scannavino und sein Bruder Caetano<br />
Scannavino, begannen mit einem kleineren Schiff und<br />
einem schmalen Etat eine regelmäßige medizinische<br />
Versorgung in zunächst nur 16 Gemeinden.<br />
2006 dann konnten die Initiatoren die Organisation<br />
terre des hommes aus den Niederlanden als Stifter für ein<br />
professionelles Hospitalschiff sowie auch Finanzier für<br />
die kompletten laufenden Kosten, darunter die Hälfte<br />
der Personalkosten, gewinnen. PSA bewerkstelligt den<br />
Betrieb des Schiffes. Die Kommunen Santarém, Belterra<br />
und Aveiro, in deren Gebiet die versorgten Gemeinden<br />
liegen, entsenden jeweils für die Fahrten die andere<br />
Hälfte des gemischten Teams von Ärzten, Krankenpflegern,<br />
Pharmazeuten und Bordcrew.<br />
Seit Oktober 2006 besucht die mobile Versorgungsstation<br />
im Laufe des Jahres im Regelfall jeweils acht Mal<br />
die 73 Gemeinden an den Flussufern des Tapajós. Auf<br />
diese Weise erreicht das Schiff um die 2.780 Familien<br />
oder rund 15.000 Gemeindemitglieder, jährlich werden<br />
um die 25.000 Behandlungen (einschließlich Zahnbehandlungen)<br />
durchgeführt.<br />
Für akute oder schwerere Fälle, die eine<br />
stationäre Aufnahme erforderlich machen,<br />
gibt es noch die sogenannte Ambulancha,<br />
ein kompaktes Schnellboot für den Transport<br />
direkt zum nächsten Krankenhaus.<br />
Das Hospitalschiff hat das Boot für solche<br />
Fälle im Schlepptau oder ruft es über Funk<br />
herbei.<br />
Das Recht auf Gesundheitsversorgung<br />
ist gesetzlich definiert<br />
„Die ,Abaré‘ garantiert, dass die öffentliche<br />
Gesundheitsversorgung auch die Gemeinden<br />
Amazoniens erreicht, die bisher von<br />
diesem im Gesetz festgeschriebenen Recht<br />
ausgeschlossen waren“, beschreibt der Arzt<br />
Fábio Tozzi, Koordinator für die Abteilung<br />
Gesundheit bei PSA, die Wirkung des Hospitalschiffes.<br />
Mit diesem Modellprojekt will die NRO ein<br />
multiplizierbares Beispiel für die Gesundheitsversorgung<br />
durch die öffentliche Hand schaffen.<br />
Ein Bundesgesetz von 1990 definiert, basierend auf der<br />
brasilianischen Verfassung, das Sistema Único de Saúde<br />
(SUS), etwa das „Einheitsgesundheitssystem“, in dem<br />
die öffentliche Gesundheitsversorgung als ein Recht<br />
aller Bürgerinnen und Bürger und als Pflicht des Staates<br />
festgeschrieben ist. In der Statistik hat sich seitdem die<br />
Gesundheitssituation der Bevölkerung zwar insgesamt<br />
verbessert, aber regional in ganz unterschiedlichem<br />
Maße.<br />
Auch ein Zahnarzt ist an Bord.<br />
© Projeto Saúde e Alegria<br />
Sprechstunde beim Arzt<br />
auf dem Schiff.<br />
© Alexander Riesen<br />
34 35