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foyer 16 thEatER OlDEnBURG Carmina burana<br />

Die „Carmina burana“ von Carl Orff<br />

in einem neuen szenischen Versuch<br />

am Staatstheater Oldenburg<br />

Text: Ute Schalz-Laurenze<br />

Carl Orff war mit sich zufrieden. Nach<br />

der Uraufführung der „Carmina<br />

burana“ 1937 in Frankfurt schrieb<br />

er an seinen Verleger: „Alles, was ich bisher<br />

geschrieben und Sie leider gedruckt<br />

haben, können Sie nun einstampfen! Mit<br />

den ‚Carmina burana’ beginnen meine<br />

gesammelten Werke.“<br />

Tatsächlich war mit den „Carmina burana“<br />

der musikalische Stil erreicht, dem Orff<br />

fortan treu bleiben sollte: Kaum Harmonik,<br />

sondern primitive modale Klangformen,<br />

deren vitale Grundlage der Rhythmus ist.<br />

Es gibt keinerlei entwickelnde Konstruktionen,<br />

in die der Hörer einbezogen wird.<br />

Das Werk stellte weiterhin eine erste Lösung<br />

für Orffs „Gesamtkunstwerk“-Anliegen dar,<br />

in dem Tanz, Theater, Bild und Musik einander<br />

bedingen. Mit den „Carmina burana“<br />

fängt jenes mächtige Thema an, das den<br />

Dramatiker ein Leben lang beschäftigt hat:<br />

Die Stellung des Menschen im Kräftespiel<br />

der Geschichte und der überirdischen Kräfte,<br />

denn „in allem geht es mir schließlich<br />

nicht um musikalische, sondern um geistige<br />

Auseinandersetzungen.“<br />

Solch hoher Anspruch wird sich allerdings<br />

immer auch und immer noch die Frage<br />

stellen müssen, welche Sorte von zeitlosem<br />

Menschenbild das ist, die derart mühelos<br />

das Naziregime überstanden hat. Der<br />

wahrhaft einzigartige Siegeszug der „Carmina<br />

burana“ über die ganze Welt hat eben<br />

auch von 1937 bis 1944 wenigstens zehn repräsentative<br />

Aufführungen in Deutschland<br />

als Grundlage. Zu der halbszenischen Auf<br />

führung, die jetzt in Oldenburg vorbereitet<br />

wird, sagt der Dramaturg Lars Gebhardt:<br />

„Natürlich wird die Zeit Orffs reflektiert.“<br />

Bei den „Carmina burana“ handelt es sich<br />

um 24 Gedichte aus dem Liederkodex von<br />

Benediktbeuren (um 1300), der 55 moralische<br />

Spottgesänge, 131 Liebeslieder, 40<br />

Trinklieder und 2 Theaterstücke enthält.<br />

Die sinnenfrohen, moralisch-satirischen<br />

Lieder entstammen der Goliarden- und<br />

Vagantenpoesie. Mönchs- und Scholarenlatein<br />

wechselt mit drastischem Mittelhochdeutsch.<br />

Der Natur- und Liebesidylle<br />

von „Primo vere“ und „Uf dem Anger“ folgt<br />

mit „In taberna“ das Lob des Essens und<br />

Trinkens, das mittelalterliche Liebesfest<br />

„Cours d’amour“ schließt als dritter Teil<br />

die Kantate ab. „Hier gibt es eine szenische<br />

Einrichtung im Raum, es gibt bayerische<br />

Bierseligkeit und Lebensart, Video und<br />

Projektionen“ erläutert Gebhardt.<br />

Der Eingangs- und der Schlusschor, der in<br />

elementaren und ostinaten Rhythmen der<br />

Foto: Orff-Zentrum<br />

sinnEnfrohE gEsängE<br />

Weltherrscherin Fortuna huldigt, bildet die<br />

formale Klammer des Werkes, das Orff mit<br />

dem Untertitel „Weltliche Gesänge für Soli<br />

und Chor mit Begleitung von Instrumenten<br />

und Bildern“ versah. „Es gibt in der Partitur<br />

keinerlei Angaben für szenische Lösungen“,<br />

erklärte er mit Blick auf spätere Aufführungen.<br />

Zwar habe er selber „verschiedene<br />

Vorstellungen“ entwickelt, wolle „aber keine<br />

bindenden Hinweise geben, sondern mit<br />

verschiedenen Aufführungsstilen experimentieren.“<br />

Gustav Rudolf Sellner versuchte 1968 an der<br />

Deutschen Oper Berlin, die mittelalterlichen<br />

Gesänge als einen Protest der Jugend<br />

zu aktualisieren. Ein buntes drastisches<br />

Welttheater (mit dem Mittelpunkt Fortuna<br />

als überdimensionaler Puppe und Mutter)<br />

gestaltete Bohumil Herliscka 1970 in München.<br />

Und Jean Pierre Ponelle schöpfte 1975<br />

die filmischen Möglichkeiten der Thematik<br />

aus. Die Oldenburger Aufführung ortet sich<br />

„sozusagen in einem bayerischen Konzertsaal,<br />

der Patina und Geschichte hat“,<br />

sagt Lars Gebhardt und verrät: „Flügel und<br />

Schlagzeug werden auf der Bühne sein.“<br />

Premiere am 9. November am Staatstheater<br />

Oldenburg. Szenische Einrichtung:<br />

Sebastian Ukena, musikalische Leitung:<br />

Thomas Dorsch.

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