Foyer lesen - Foyer-Kulturjournal
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38 KiRChEnMUSiK<br />
Vier große Werke und ein Rekordversuch<br />
im „Hallelujah“-Singen<br />
Text: Ulrich Matyl<br />
Das Jahr der Kirchenmusik erreicht<br />
in Bremen mit einem Oratorien-Festival<br />
und einer großen Chornacht<br />
in den Innenstadtkirchen zwei seiner Höhepunkte.<br />
Wohl nur selten ist es möglich,<br />
innerhalb so kurzer Zeit ein so großes<br />
Spektrum geistlicher Musik von den Anfängen<br />
bis zum 21. Jahrhundert live zu<br />
erleben. Allein vier Oratorien stehen zwischen<br />
dem 30. September und dem 10.<br />
Oktober auf dem Programm.<br />
Den Auftakt bildet Felix Mendelssohn-<br />
Bartholdys „Paulus“ in der Kulturkirche<br />
St. Stephani mit dem KulturKirchenProjektchor<br />
unter der Leitung von Tim Günther<br />
(30. 9., 20 Uhr). Uraufgeführt während<br />
des Niederrheinischen Musikfestes<br />
1836, spiegelt es den Enthusiasmus, das<br />
Oratorium als eine auf eherner Tradition<br />
fußende Gattung bürgerlicher Bildung zu<br />
verankern. Mit Satztechniken Bachs, Händels<br />
und Haydns changierend und mit eigenen<br />
romantischen Ideen verschmelzend,<br />
schuf Mendelssohn am Beispiel des<br />
Apostels Paulus ein musikalisches Monument<br />
christlichen Bekenntnisses.<br />
Wie diese Tradition aussah, ist in den Tagen<br />
danach an gleich drei Oratorien Händels<br />
zu studieren. Los geht es am 3. Oktober<br />
(19 Uhr) mit „Israel in Egypt“, aufgeführt<br />
von der Capella St. Martini Lesum<br />
und der Bremer Rathsmusik unter der Leitung<br />
von Hans-Dieter Renken in der Kirche<br />
Unser Lieben Frauen. In vieler Hinsicht<br />
oratoriEnfEstival<br />
das Schlüsselwerk für Händels Oratoriumschaffen.<br />
Die dichtgedrängte dramatische<br />
Erzählung im ersten Teil und die verinnerlichten<br />
Reflexionen im zweiten inspirierten<br />
den Komponisten zu einer Fülle mitreißender<br />
musikalischer Erfindungen, die bis<br />
heute ihre Faszination nicht eingebüßt haben.<br />
Etwas geschlossener als diese aufgewühlte<br />
Experimentalmusik erscheinen die späteren<br />
Oratorien „Samson“ und „Belshazzar“.<br />
Die anrührende Dramatik der Samson-Geschichte<br />
wurde – immer auch<br />
politisch verstanden – eines von Händels<br />
erfolgreichsten Oratorien. Zu Unrecht im<br />
Schatten dagegen stand „Belshazzar“ mit<br />
seinen gewaltigen Massenchören und der<br />
sensiblenmusikalischen<br />
Charakterisierung etwa der Nitocris-Figur,<br />
der Mutter des tyrannischen<br />
enthemmten Königs. Ganz dem Stoff zugewandt,<br />
schuf Händel hier eine Schlüssigkeit<br />
und Tiefe, die spätere, gefälligere<br />
Werke kaum noch erreichten.<br />
Live zu hören ist „Belshazzar“ am 6. Oktober<br />
(20 Uhr) mit dem Bremer Domchor<br />
und dem Concerto Bremen unter der Leitung<br />
von Tobias Gravenhorst. „Samson“<br />
folgt am 10. Oktober (19 Uhr) mit der Kantorei<br />
St. Ansgarii und dem Norddeutschen<br />
Barock-Collegium unter der Leitung von<br />
Landesjugendorchester<br />
Kai Niko Henke. Beide Aufführungen finden<br />
in der Kirche Unser Lieben Frauen<br />
statt, die der Künstler Wolfgang Graemer<br />
eigens dafür illuminieren wird.<br />
Am 13. Oktober schließlich wird es zwischen<br />
18 und 22 Uhr bei freiem Eintritt eine<br />
musikalische Nacht geben, in der alle großen<br />
Bremer Kantoreien in den Kirchen der<br />
Innenstadt mit einem Programm aufwarten,<br />
das von Guillaume de Machaut über<br />
Barockmotetten und romantischen Psalmvertonungen<br />
bis zu Karlheinz Stockhausen<br />
und einem Rockmusical einen musikalischen<br />
Bogen vom 13. bis zum 21. Jahrhundert<br />
spannt. Wie das ganze Jahr schon<br />
bilden Kompositionen rund um die Choräle<br />
von Martin Luther einen Schwerpunkt.<br />
Wohl nur selten ist es möglich, innerhalb so kurzer Zeit<br />
ein so großes Spektrum geistlicher Musik ive zu erleben<br />
Den grandiosen Schlusspunkt wird ab 22<br />
Uhr das Abschlusskonzert im St. Petri Dom<br />
mit dem „Hallelujah“ aus Händels Messias<br />
setzen. Dabei sollen so viele Menschen wie<br />
niemals zuvor das „Hallelujah“ gemeinsam<br />
singen. Wenn es klappt, wäre ein neuer Rekord<br />
aufgestellt.<br />
Last but not least wird übrigens in Kürze<br />
eine CD erscheinen, die als Rückblende<br />
an das Jahr der Kirchenmusik einen vielfältigen<br />
Querschnitt aus den aufgeführten<br />
Werken rund um die Choräle Luthers repräsentieren<br />
wird.