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foyer 58 litERatUR Hotel Lux<br />
: Literatur<br />
Text: Inge Zenker-Baltes<br />
Menschenfalle<br />
Ruth von Mayenburgs Erinnerungen an<br />
das unheimliche Moskauer Hotel Lux<br />
Schon Wolfgang Leonhard berichtete in<br />
seinem 1955 erschienen Standardwerk „Die<br />
Revolution entlässt ihre Kinder“ vom berüchtigten<br />
Hotel Lux in Moskau. In einem<br />
FAZ-Interview von 2005 erzählt er: „Das<br />
Hotel Lux war die Zitadelle der Weltrevolution.“<br />
Auch Ruth von Mayenburg war<br />
Zeitzeugin. Die 1907 in Böhmen geborene,<br />
einst engagierte Kommunistin floh 1934<br />
mit ihrem Mann von Wien zunächst nach<br />
Prag, dann nach Moskau, wo sie von 1938<br />
bis 1945 zusammen mit anderen prominenten<br />
Exilanten im Hotel Lux lebte.<br />
In ihrem fast 390 Seiten umfassenden, jetzt<br />
wiederentdeckten und erweiterten Werk<br />
„Hotel Lux. Die Menschenfalle“ setzt sie<br />
sich kritisch mit der riesigen Moskauer<br />
Polit-<br />
Herberge<br />
und<br />
deren<br />
erschütternder Geschichte auseinander.<br />
Großenteils gutgläubige Idealisten, von der<br />
Heilswirkung des Kommunismus’ überzeugt,<br />
wurden hier von Häschern Stalins<br />
ausspioniert, viele verhaftet, gefoltert<br />
oder liquidiert. „Unter dem Dach des Lux<br />
wurde in Dutzenden Sprachen gesprochen,<br />
politisiert, konspiriert, diskutiert – und<br />
bisweilen in Agonie geschwiegen“, schreibt<br />
Ruth von Mayenburg, „hier gab es Tränen,<br />
Träume und Tragödien. Kein menschliches<br />
Schicksal ist denkbar, das nicht im Lux zu<br />
finden wäre.“<br />
Nur wenige Namen weltberühmter<br />
Kommunistenführer fehlen auf der Liste<br />
der „Gäste“: Ho Tschi Minh logierte hier,<br />
ebenso Dr. Sorge, Tito, Togliatti, Dimitroff,<br />
Tschou Enlai, Ulbricht und Herbert<br />
Wehner unter dem Pseudonym Kurt Funk.<br />
„Wehner gab es überhaupt nicht in der<br />
Sowjetunion“, so Wolfgang Leonhard,<br />
„von Kurt Funk hörte ich Ende 1942 in der<br />
Kominternschule in Baschkirien.“ Wehner<br />
war in die Verfolgungsmaschine der KPD<br />
eingebunden und suchte im Wirrwarr der<br />
Ränkespiele dieser Jahre zu überleben.<br />
Nicht nur ihm vergehen in jenen Nächten,<br />
als man unliebsame Genossen aus den<br />
Zimmern holt,<br />
„Kein menschliches Schicksal ist denkbar,<br />
das nicht im Lux zu finden wäre.“<br />
die großen Hoffnungen<br />
seiner<br />
Jugend. In dem<br />
Film „Wehner – die unerzählte Geschichte“<br />
dokumentiert Heinrich Breloer eine Reise,<br />
die er 1991 zusammen mit Ruth von Mayenburg<br />
nach Moskau ins Hotel Lux unternahm<br />
– für die greise Frau der erste Besuch seit<br />
1945. Bewegend schildert der Regisseur<br />
als Beobachter diese Spurensuche, den<br />
gemeinsamen Gang durch die langen Flure,<br />
die Erschütterung ob aufflammender Erinnerungen.<br />
„Es riecht hier nach Vergangenheit?“<br />
fragt er seine Begleiterin. „Ja, das geht<br />
nicht weg“, antwortet sie.<br />
Ruth von Mayenburgs Augenzeugenbericht<br />
gilt als eine der wichtigsten dokumentarischen<br />
Quellen jener Vorgänge und jener<br />
Zeit. Die 1993 gestorbene Autorin analysiert<br />
nicht die politischen Hintergründe<br />
der blutigen stalinistischen Säuberungsaktionen,<br />
zu sehr bleibt sie in ihrem damaligen<br />
angstbesetzten klaustrophobischen<br />
Dasein gefangen. In dichten Schilderungen<br />
entwirft sie ein vielschichtiges<br />
Panorama des Lebens der mehr als 600<br />
unterschiedlichen Menschen in einer eher<br />
einem Gefängnis denn einem Hotel gleichenden<br />
Bleibe, vermag, neben durchaus<br />
auch schönen und gar heiteren Passagen,<br />
die latente Bedrohung zu vermitteln, die<br />
nicht wenige der Exilkommunisten in den<br />
Selbstmord trieb, andere zu Denunzianten<br />
werden ließ. Die ersten etwa 60 von Heinrich<br />
Breloer verfassten Seiten runden das<br />
unter die Haut gehende Dokument ab.<br />
Ruth von Mayenburg: Hotel Lux. Die Menschenfalle.<br />
Elisabeth Sandmann Verlag,<br />
383 S.,Euro 24,80.<br />
Wolfgang Leonhard: Die Revolution entlässt<br />
ihre Kinder. KiWi (Neuauflage), 698<br />
S., Euro 12,99.