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foyer 50 KUnSt Landesmuseum Oldenburg<br />
„ Ballrausch und Farbenpracht“: Landesmuseum<br />
Oldenburg zeigt Werke von Ida Gerhardi<br />
Text: Berit Böhme<br />
vErgEssEnE<br />
pioniErin<br />
„W<br />
hat eine große Frau,<br />
Annette Droste, hervorge-<br />
„Westfalen<br />
bracht, nun will ich die zweite<br />
sein.“ An Selbstvertrauen mangelte es Ida<br />
Gerhardi nicht. Obwohl von den Männern<br />
als „Malweib“ belächelt, verfolgte sie um<br />
1900 unbeirrt ihre künstlerische Laufbahn,<br />
glänzte vor allem mit Szenen aus<br />
dem Pariser Nachtleben. Viele davon sind<br />
unter dem Motto „Ballrausch und Farbenpracht“<br />
vom 16. September bis zum 30.<br />
Dezember im Oldenburger Landesmuseum<br />
für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen.<br />
Ida Gerhardi wurde 1862 in Hagen/Westfalen<br />
geboren und verbrachte den Großteil<br />
ihrer Kindheit in Detmold. Frauen blieb im<br />
Kaiserreich der Zugang zu Kunsthochschulen<br />
verwehrt, sie mussten mit Privatunterricht<br />
vorlieb<br />
nehmen.<br />
Gerhardi<br />
ging deshalb<br />
an die „Damenakademie des Münchener<br />
Künstlerinnenvereins“. 1891 zog sie nach<br />
Paris, in die „Hauptstadt der Moderne“, und<br />
besuchte wie die Worpsweder Malerkollegin<br />
Paula Modersohn-Becker die in Montpar-<br />
Ida Gerhardi: Tanzbild VIII, um 1904<br />
nasse gelegene, als liberal<br />
geltende „Academie Colarossi“.<br />
Auf dem Lehrplan<br />
stand dort – anders als an<br />
der deutschen Damenakademie<br />
– auch das Aktzeichnen<br />
am lebenden Modell.<br />
Die in Oldenburg gezeigten<br />
Werke spiegeln das frivole nächtliche Treiben<br />
in den Pariser Nachtlokalen. „Ida Gerhardi<br />
war Abend um Abend da, um Skizzen<br />
zu machen“, so Gerhardis Ateliernachbarin<br />
Käthe Kollwitz. „Die Kokotten kannten sie<br />
und gaben ihr immer ihre Sachen, während<br />
sie tanzten, zur Aufbewahrung.“ Zu<br />
den Glanzstücken der Ausstellung zählen<br />
die zwischen 1903 und 1905 entstandenen<br />
spätimpressionistischen „Tanzbilder<br />
I-XII“. Gerhardi bannte hier ebenso die<br />
dynamischen Bewegungen der Can-Can-<br />
Tänzerinnen auf die Leinwand wie die<br />
behäbig mit Zylinder und Frack dastehenden,<br />
graumelierten Herren.<br />
Die Westfälin bezeichnete sich selbst als<br />
„Impressionistin“ und war auch jenseits<br />
von Pinsel und Palette Neuerungen<br />
„Die Kokotten kannten sie und gaben ihr immer ihre<br />
Sachen, während sie tanzten, zur Aufbewahrung.“<br />
gegenüber aufgeschlossen. So soll sie Rad<br />
gefahren sein und ihre Brille selbstbewusst<br />
getragen haben. Dennoch stand sie<br />
sozialdemokratischen Ideen und der Frauenbewegung<br />
skeptisch gegenüber.<br />
Weder in Deutschland noch in Frankreich<br />
konnte Gerhardi die männlichen Kritiker<br />
überzeugen. Gerhardis Traum, durch die<br />
Malerei ihren Lebensunterhalt zu bestreiten,<br />
erfüllte sich nicht. Notgedrungen<br />
verdingte sie sich auch als Porträtmalerin<br />
und bezeichnete den Job als „erlaubte<br />
Prostitution“. Dank ihrer vielfältigen Kontakte<br />
zur kreativen Szene baute sie sich ein<br />
zweites Standbein als Kunsthändlerin und<br />
-vermittlerin auf. Unter anderem organisierte<br />
sie Ausstellungen in Deutschland<br />
und Frankreich. Einer ihrer wichtigsten<br />
Kunden war der Hagener Sammler Karl<br />
Ernst Osthaus.<br />
1913 kehrte die gesundheitlich angeschlagene<br />
Gerhardi nach Deutschland zurück<br />
und zog zu ihrem Bruder nach Lüdenscheid.<br />
Sie litt den Rest ihres Lebens an<br />
den Folgen einer Lungen- und Rippenfellentzündung<br />
und starb 1927, als sich die<br />
Meinung der Kritiker zu ihrem Oeuvre<br />
gerade zu wandeln begann. Und heute gilt<br />
sie als „Pionierin der Moderne“.<br />
Die Ausstellung „Ballrausch und Farbenpracht“<br />
zeigt auch Arbeiten weiterer Malerinnen,<br />
die um 1900 nach Paris gingen:<br />
Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz,<br />
Sonia Delaunay, Adele von Finck, Annemarie<br />
Kruse, Ottilie Wilhelmine Roederstein,<br />
Jelka Rosen, Maria Slavona und Julie<br />
Wolfthorn.<br />
www.landesmuseum-oldenburg.niedersachsen.de