Seite 34j,Dokumentiert"Die Stadt plant ein Getto!"Rede des Flüchtlingsrats beim Ausländerfest der St adt Ka rl sr uh e. am 01.10.88Liebe Karlsruher Bürger, liebe Festbesucher,liebe Freunde!. IArtikel.rö, Absatz 2 des Grundgesetzesbesagt: "Politisch Verfolgtegenießen Asyl". Schlicht und einfachsteht dieser Satz im Gesetzestext,ohne Erläuterungen, ohne jeglicheEinschränkungen. Dieses Grundrechtentstand aus der bitteren Erfahrungvon über 600.000 Deutschen, diewährend der nationalsozialistischenGewaltherrschaft in anderen Ländernum Asyl'bitten mußten T und esauch z.T. erhielten.Das Wort Asyl ist in den letztenJahren zum Gegenstand kontroverserDiskussionen geworden, in derdie Meinungen von Politikern, diedieses Grundrecht gänzlich abschaffenwollen und Befürwortern, denendie heutige Handhabung diesesRechts völlig unzureichend ist, hartaufeinander getroffen sind. Hierbeiwurde offensichtlich oftmals vergessen,daß hinter diesem Wort AsylMenschen stehen, die aus. Not ihreHeimat verlassen mußten und deshalbhier bei uns um Schutz bitten.Wie sieht die Situation dieser Menschenhier in Karlsruhe aus? Im Juliletzten Jahres verabschiedete derGemeinderat der Stadt Karlsruhe alseines der ersten-Gerneindepar larnenteder BRDdie "Erklärung des EuropäischenParlaments, des EG-Rats.und der EG-Kommission gegen Rassismusund Fremdenfeindlichkeit".Ein guter Schritt, wie man meinenmöchte - doch im Hinblick auf dieSituation' von Asylbewerbern inKarlsruhe, stellt sich dieser Beschlußals Farce dar,ja es muß sogarder Vorwurf erhoben werden, daßdurch die Politik der Stadt KarlsruheAusländerfeindlichkeit geradezu.provoziert wird.Womit läßt sich dieser schwereVorwurf begründen? Bereits seit.1985 werden von der Stadtverwal-. tung Vorkehrungen getroffen, dieZentrale AnlaufsteIle für Asylbewerber(ZAST) in der Wolfartsweiererstraße aus dem Blickfeld desmittlerweile restaurierten' SchloßGottesaue zu entfernen, um diesemPrunkstück .städtebaulicher Tätigkeitein "würdigeres" Umfeld zu verschaffen.Am 15. Dezember 1987wurde hierzu im Gemeinderat eine~nderung des Flächennutzungsplanesdes Gebietes südlich der DurlacherAllee, imBereich des Gaskesselsbeschlossen, der diesen Bereichals neuen Standort der ZAST vorsieht.Einige der Stadträte brachtenEinsprüche gegen diesen Neubauplatzvor, da es sich dabei um einenghettoartigen Standort handle, diestarke Verkehrsdichte der DurlacherAllee, der Bundesbahnhauptlihie'Karlsruhe-Mannheirn und der nahegelegenenAutobahn zu einer sehrstarker Lärmbelastung führe unddurch die total isolierte Unterbringungvon 800 Menschen auf engstemRaum psychische Störungen bei denFlüchtli ngen auftreten könnten .Diesen Einwänden trat Herr OberbürgermeisterSeiler mit dem Argumententgegen, daß die durchschnittliche'Verweildauer derFlüchtlinge in Karlsruhe ja sowiesonur maximal zwei Wochen betragenwürde und somit diese Belastung den'\Der "Schandfleck" ZAST muß dem Prunkstück Schloß Gottesaue weichen.
, Seite 35Personen zuzumuten wäre. DiesesArgument warund ist falsch! Wie eineUntersuchung des FlüchtlingsratsKarlsruhe ergab, befinden sich über90 % dieser Menschen nach den besagtenzwei Wochen .noch in derZAST, 70 % sind länger als zwei Monatedort, 35 % länger als vier Monate,10% sogar länger als ein halbesJahr. Diese Zahlen wurden durch eineErhebung des Innenrniruster iumsim März dieses Jahres bestätigt. Wärendiese Zahlen, die der Stadtverwaltungüber das Regierungspräsidiummit Sicherheit zur Verfügungstanden, in der Sitzung genannt worden,hätten sich vielleicht doch mehrStadträte gegen diesen Flächennutzungsplanausgesprochen, auf dessenGrundlage nun ein abgekapseltesWohnghetto für Flüchtlinge errichtetwerden soll. Allein schon wegenseiner eindeutigen Trennung von übrigenWohngebieten werden dieAsylbewerber einer allgemein feindlichenGrundstimmung ausgesetztsein.Aber wie müssen die Menschen nunkonkret in diesem Lager leben? Inder jetzigen ZAST sind momentanetwa 100 Flüchtlinge untergebracht,deren Wohnraumfläche 4,5 qm proPerson beträgt, womit den einzelnenMenschen keinerlei Intimbereich zugestandenwird. Zum Vergleich: einGastarbeiter muß <strong>12</strong> qm Wohnraumvorweisen, um überhaupt eine Arbeitserlaubnisin Baden- Württemberg~u erhalten. Das Taschengeldbeträgt 70 DM im Monat, wovonsämtliche persönlichen Gegenständewie z.B, Seife, Zigaretten, Tempotaschentueheretc, gekauft werdenmüssen. Es besteht ein absolutesKochverbot, das Essen wird vonaußerhalb angeliefert, es ist' keineEssensauswahl möglich, obwohl bekanntist, daß die Ernährungsgewohnheitender einzelnen Nationalitätenz.T. grundlegend verschiedensind.Neben diesen direkten Einschränkungen,die die Flüchtlinge erduldenmüssen, wirkt sich jedoch besondersdie z.T. unmenschliche, ja man mußschon fast sagen, die menschenverachtendeBehandlung durch Angestellteder Lagerverwaltung und derPolizeibehörde, sehr negativ auf diepsychische Verfassung der Menschenaus. Oder wie soll man es anders nennen,wenn man mit eigenen Augenmitbekommt, wie ein Asylbewerbervon einer Sekretärin in der Polizeibehördeauf rüde Art und Weise angefahrenwird, weil er sich "erdreistet",darauf hinzuweisen, daß ereine Bestätigung nicht unterschreibenwerde, weil er den auf deutschabgefaßten Text nicht lesen kann.Oder wenn man erlebt, wie eine Frauvon einem Hausmeister angeschrienwird, weil sie zwei Minuten zu spätzum Bettwäschewechsel kommt?Anhörung eines Flüchtlings bei der Ausländerpolizeibehörde in der ZAST.Oder wenn man erfährt, daß Menschennachts von der Polizei aus denBetten gezerrt werden und z.T. ohnedaß sie ihre persönlichen .Gegenstandemitnehmen können in Abschiebehaftgenommen werden? Ich könntenoch mehr solcher Beispiele men-'schenunwürdiger Behandlung nennen,die auf dem Gebiet der StadtKarlsruhe Tag für Tag geschehen unddie im krassen Widerspruch zu derverabschiedeten Resolution stehen.Diese Behandlung führt dazu, daßbetroffene Asylbewerber in einemInterview zum Ausdruck brachten :"Viele von uns sind jetzt verrückt".Sicher, in der neuen ZAST wird esbuntereFarben geben als bisher, eswird hier und dort ein Baum gepflanztwerden, es sind sogar einVolleyball feld und ein Bolzplatz geplant.Aber an der grundsätzlichenKonzeption der Unterbringung derMenschen, an der Behandlung derFlüchtlinge wird sich nichts, aberauch gar nichts ändern. Der StadtKarlsruhe sind die gemachten Vorwürfebekannt. Allen Stadträtenwurde der Einspruch des Flüchtlingsratesgegen denneuen Flächennutzungsplanzugesandt. Von den Stadtbehördenwurde darauf bisher nurerwidert, daß der lAST -Neubau ausschließlichLandessache sei und deshalbnicht in Gemeindegremien behandeltwerden könne. Auch diesesArgument ist falsch! Die Ausländerpolizeiist eine städtische Behörde:auf die Behandlung der Flüchtlingeauf dieser Dienststelle könnte derOberbürgermeister jederze it Einflußnehmen. In einem Gespräch mit demVertreter des Regierungspräsidiu.msund dem Baudezernenten Herrn Sackkam zudem zur Sprache, daß dieStadt Karlsruhe für den Neubauplatznoch ein viel entlegeneres Gebietbevorzugt hätte und daß sie ein vehementesInteresse für die Verlagerungder ZAST vom jetzigen Stand-:ort geltend gemacht hat. Wo ist alsoder lAST-Neubau ausschließlich eineLandessache?Und übrigens, wer zwingt die StadtKar lsruhe dazu, auf ihrem Geländedie lAST unterzubringen, zuzulassen,daß Menschen entgegeh der verabschiedetenResolution gegen Rassismusund Fremdenfeindlichkeitmenschenunwürdig behandelt werden?Niemand zwingt sie dazu! Siekönnte bei der Landesregierung klarstellen,daß es in .dieser Stadt Maßstäbegibt, die für eine menschenwürdigeUnterbringung von Personenangewandt werden, egal ob es sichhierbei nun um deutsche Staatsbürger,Gastarbeiter oder Flüchtlingehandelt. Sie könnte klarstellen, daßsie nicht gewillt ist, die vom Landpraktiz ier te Abschreckungspolitikgegenüber Flüchtlingen in ihrenStadtgrenzen zuzulassen. Sie könntedie lAST an das Land zurückgebenund dafür gemäß der luteilungsrateFlüchtlinge aufnehmen.Schon letztes Jahr hat der Flüchtlingsratzum Ausdruck gebracht L daßdie verabschiedete Resolution sehrschnell zu einem schalen Lippenbekenntniswerden kann. Das Verhaltender Stadt im Fragenkomplex lAST-Neubau ha t diese düstere Prognoseleider bestätigt. - (de v, FR KA)
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