Seite 46Wenn die Versuche, über direktes Handeln Veränderungender Lebensverhältnisse zu erreichenscheitern, aktives Mitwirken im Asylverfahrenauch nicht mehr möglich ist, Kontakte- vielleicht sogar Freundschaften - zu Mitbewohnernoder sogar Deutschen ausbleiben undkeine Möglichkeiten der Zukunftsgestaltungmehr gesehen werden, beginnt für vieleFlüchtlinge die psychische Krise.Sie wird zuerst in larvierten, später in ausgeprägtenDepressionen sichtbar. Die Hoffnungslosigkeitführt nicht zuletzt zum Verlustder Fähigkeit, sich überhaupt noch aktiv in Beziehungenzu Menschen und Situationen zu setzen.Neben Teilnahmslosigkeit, Inaktivität(auch körperlicher) bis hin zu stuporösen Zuständenwird auch die Flucht in Drogen, vor allern,Alkohol, beobachtet. Auch hier befindetsich die Medizin in handlungsunfähiger Position.Kurzfristige Maßnahmen, z.B. Leberentgiftungbei alkoholtoxischen Leberveränderungensind noch möglich, Entwöhnung in psychotherapeutischerBegleitung bei gleichzeitigerVeränderung der Lebensbedingungen jedochnicht. .Vor dem gleichen Dilemma steht man beihochgradig aggressiven Aslysuchenden, die eineGefahr für sich selber und ihre Umgebungdarstellen. Es bieten sich nur Handlungsmöglichkeitenim Sinne einer Disziplinierung (z.B.Taschengeldkürzung bis zu 50 %) oder Verlegungin eine andere Sammelunterkunft an.Am eklatantesten sind Beispiele selbstmordgefährdeterPersonen. Kommt es zu Suizidversuchen,erfolgt so gut wie immer die Psychiatrisierung.Diese läuft meist nur auf Verwahrungund medikamentöse Ruhigstellung hinaus.Die Durchführung therapeutischer Konzepteversagt aufgrund vielfältigster Erschwernisse.Meist gelingt es den Psychiatern nicht, dasvielfältige Geflecht der auslösenden Ursachenzu entwirren. So kommt es immer wieder vor,daß Personen mehrmals hintereinander suizidaleHandlungen begehen.ForderungenDepressionen und zwangsweisePsychia trisi erungZum Abschluß meiner Ausführungen möchteich meine Forderungen nicht selber artikulieren.Ich zitiere stattdessen aus der Stellungnahmedes Deutschen Roten Kreuzes bei derAnhörung vor dem Innenausschuß des DeutschenBundestags vom 17.°3.1986, die anlaßliehdes am 20.02.1989 erneut durchgeführtenHearings mit der Bemerkung wiederholt wurde,daß sie leider unverändert gültig ist, weildie Auswirkungen inzwischen zum Teil erschreckendeAusmaße angenommen haben:"Die bisher bestehenden flankierenden Maßnahmenwährend des Anerkennungsverfahrenshaben insgesamt zu schwerwiegenden persönlichenBeschränkungen für die Asylsuchendenund ihre Familien geführt. Nach den Erfahrungenaller Wohlfahrtsverbände zeichnen sichjetzt schon (986) soziale und psychischeLangzei tschäden ab."Und aktuell: "Eindeutige Vorteile bei derjetzigen Unterbringungsform bestehen aus derSicht des DRK-Landesverbandes Berlin nurhinsichtlich des Angebots von Sprachunterricht... in allen anderen Bereichen überwiegendie Nachteile erheblich und sind auchdurch große Anstrengungen des Verbandes imideellen, personellen und finanziellen Bereichnur ansatzweise auszugleichen. 11Weitere Stellungnahmen vor dem Innenausschußam 20.02.1989: Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband: "Die zwangsweise Unterbringungin Sammelunterkünften für die Dauerdes Asylverfahrens lehnt der DPWF ab. Gemeinschaftsunterkünftesind für einen begrenztenZeitraum von sechs Monaten akzeptabel.Insbesondere sind Familien grundsätzlichin Wohnungen unterzubringen. Unzurnutbarist auch eine Unterbringung von Frauen inmehrheitlich von Männern bewohnten Gemein-
Seite 47schaftsunterkünften." Und nach terre deshommes verletzt der zwangsweise Aufenthaltin Sammelunterkünften die Menschenwürde.Wenn die katholischen Bischöfeirn gleichenHearing erwarten, "daß die Ärzteschaft derÖffentlichkeit und der Politik ihre Erfahrungenmit Flüchtlingen vermehrt offenlegt",dann bin ich hiermit dieser Erwartung nachgekommen,nicht nur der Bischöfe, vor allem derFlüchtlinge wegen.Eberhard Vorbrodt ist niedergelassenerFrauenarzt in Berlin und arbeitet seit Jahrenim Berliner Flüchtlingsrat und der ÄrztegruppeAsyl. Er ist Mitherausgeber derBroschüre der Ärztegruppe Asyl: "Abschreckenstatt Heilen". Das vorliegendeReferat hat er am 18. März 1989 beim"Hearing gegen Sammellager und ZAST-Neubau" in Karlsruhe gehalten.WeiterführendeLiteratur:T=Kr itische Lebensereignisse. (Hg.)S. H. Filipp. Urban u. Schwarzenberg,München/Wien/Baltimore 1981- Ein Jahr Abschreckungslager -Thiepval-Kaserne Tübingen. Baumgarten,Körner, Weiler. Tübingen.Schwäbische Verlagsgesellschaft1982- Lager und menschliche Würde. Diepsychische und rechtliche Situationder Asylsuchenden .irn SammellagerTübingen (Hg.) ~laudius Hennig;Siegfried Wießer. Tübingen. AS-Verlag1982- Asylbewerber: Asylverfahren. Unterbringung,Versorgung und Betreuungder Asylbewerber in den Städten.Ergebnis der Sitzung des Hauptausschussesdes Deutschen Städtetagesam 9. Juni 1982 in München.Köln: 1982- Asyl bei den Deutschen. Beiträge,zu einem gefährdeten Grundrecht.(Hg.) Herbert Spaich. Reinbek beiI-Iamburg: Rowohlt 1982- Abgelehnt, Ausgewiesen, Ausgeliefert.Dokumentation zum Hearingüber die soziale und rechtliche Situationder Asylbewerber in West-Berlin. Gesellschaft für bedrohteVölker. Reihe "Pogrom", Göttingen1984Krisenintervention. Strategienpsychosozialer Hilfen. Naomi Golan.Lambertus-Verlag Freiburg 1983- Asyl. Anspruch und Beratung. (Hg.)Hermann Uihlein: Thomas Reuther.Lambertus-Verlag Freiburg 1985- Asyl konkret. Lageralltag als kritischesLebensereignis. Richard Wipfler.Express Edition Berlin 1986- Kein Asyl bei den Deutschen. Anschlagauf ein Grundrecht. (Hg.) HeikoKaufmann. Reinbek bei HamburgRowohlt 1986'- Abschrecken statt Heilen. Zur medizinischenVersorgung von Asylsuchenden(Hg.) i\rztegruppe Asyl Berlin.Gesundheitsladen. Gneisenaustr.'2, Berlin 61- Leiden in der Fremde. Zur psychosozialenSituation ausländischerFamilien. 1986 (Hg.) Arbeitskreispsychosozialer Situation auslandi-scher Familien, Deutscher Paritäti- beit. 1984scher Wohlfahrtsverband, Landes- - Die eingeschränkte rechtliche undverband ßerlin e. V. Paritätisches soziale Stellung der Asylbewerber inBildungswerk, Landesverband Berlin der BRD. Uwe Fischer, Hanneloree.V. Irrgang. Fachhochschule Bielefeld,,Ausgrenzungsmechanismen als Fachbereich Sozialwesen. 1984MIttel der Herrschaftssicherung - _ Caritasverband für die Erzdiözesea,m Beispiel hiesiger Ausländerpoli- Freiburg. Sozialarbeit mit Asylbetik, Ute Osterkamp, 1987. 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